Darum spielen Die Ärzte ihren Hit „Elke“ nicht mehr
Einknicken vor dem Woke-Zeitgeist oder längst fällige Korrektur des eigenen Repertoires? Der Entschluss „Elke“ und andere Songs aus der Frühzeit nicht mehr live zu spielen, sorgt für Fan-Debatten
Das ist dann wohl das, was alte Lateiner „tempi passati“ nennen. Frei übersetzt: Zum Glück längst vergangene Zeiten. Mit der offiziellen Bekanntgabe, den 1988er-Song „Elke“ nicht mehr live zu spielen, verbannt das West-Berliner Funpunk-Trio Die Ärzte einen Teil ihrer eigenen Song-Geschichte in den Giftschrank.
Der Track aus der Feder von Farin Urlaub handelt von einer Liebesbeziehung zu einer dicken Frau. Im umfangreichen Live-Programm der Band gehörte „Elke“ zu den viel gespielten Klassikern. Zumindest bis in die jüngere Vergangenheit. Nun ist der Song offenbar „gestrichen“.
Diese Erkenntnis lässt sich aus Twitter-Dialogen ziehen, die es rund um die Ärzte-Gigs in Berlin gab. Auf die digitale Forderung einiger Fans, die „Elke“ im Set vermisst haben, machte Songschreiber Farin Urlaub nun reinen Tisch.
„Sowas spielen wir nicht mehr, das ist letztes Jahrtausend“, so das platinblonde Gründungsmitglied. Gerade in der Frühzeit hatte Urlaub stets Scherze hart an der Grenze zur Geschmacklosigkeit gedroppt. Etwa das „Schlaflied“ oder auch „Claudia“ und ihr Schäferhund. Ein treues Tier, das gerne zum Beischlaf ins Bett hüpfte („ …und dann ging es rund“). Lyrics von jener Abi-Feier-„Witzischkeit“, mit der die heutigen Herren um die 60 Lenze nicht mehr so viel zu tun haben wollen. Damals haben sie zwischen den Songs auf der Bühne auch noch „Wal“-Witze erzählt. Punk und Debilo wohnten lange Zeit Tür an Tür.
In „Elke“ heißt es im Mittelpart: „Sie hat zentnerschwere Schenkel, sie ist unendlich fett / Neulich hab ich sie bestiegen, ohne Sauerstoffgerät“. Für diese provokant-albernen Blödel-Lieder stand eben ihre „Phase Eins“ bis zum zeitweiligen Band-Split in „Westerland“ 1988.
Im reichhaltigen Sagenschatz rund um Die Ärzte heißt es, dass die echten Fans Elke und Daniela die Band mit Anrufen und Briefen regelrecht bombardiert hatten. Aus einer der Zuschriften ging hervor, dass die Beiden schwer übergewichtig waren. In einem eskalierten Anruf soll der erzürnte Farin dann die Drohung ausgesprochen haben, einen Song aus dieser Belästigungs-Schote zu machen. Was dann auch passierte.
Andere Titel wie der Inzest-Song „Geschwisterliebe“ von 1986 landeten auf dem Index der Bundesprüfstelle, wo auch Horror- oder Porno-Filme das Label „ab 18“ verpasst bekommen. Die jungen Ärzte waren teilweise schwer gefährlich für die feixende Jugend – und machten sich einen Spaß daraus, wie später die „Explicit Lyrics“-Rapper in den USA. Ihr Album „Ab 18“ singt mehr als ein Lied davon.
Bei einem Radio-Interview im Sender „Deutschlandfunk Kultur“ setzte Farin Urlaub die Provo-Aktionen von damals in einen pop-historischen Kontext: Er schäme sich zwar nicht für seine jugendlichen Hau-Drauf-Nummern, würde aber „heute wohl anders damit umgehen“. In diesem klaren wie unaufgeregten Sinneswandel geben Die Ärzte schlicht bekannt, dass sie einen Tacken reflektierter geworden sind. Dagegen ist nichts zu sagen, „für immer Punk“ ist eh eine No-Brainer-Parole.
Zumal zu erwarten ist, dass die überaus profilierten Bühnen-Spaßmacher sicherlich Wege finden werden, auch die eigenen Woke-Entscheidungen live demnächst durch den Kakao zu ziehen.