Jamie T
„The Theory Of Whatever“
Universal (VÖ: 29.7.)
Jamie Treays verewigt sich als großer UK-Chronist.
Es ist wieder so weit. Alle Jahre trifft uns ein Album ins Mark, das zu 110 Prozent den Union Jack verkörpert. So veränderte „London Calling“ von The Clash die Welt, und wir hielten den Atem an bei „Sound Affects“ von The Jam, bei „Parklife“ von Blur, bei „Up The Bracket“ von den Libertines. „East Side Story“ von Squeeze. Bei den Arctic Monkeys sowieso. In diese ehrenwerte Galerie der Klassiker gehört nun auch das fünfte Album von einem erwachsenen und halb weisen Jamie Treays, der nicht mehr Zeilen schreibt wie: „She’s a fat bitch but I’d still give her one“, wie einst auf seinem Debüt, „Panic Prevention“ von 2007.
Das beste UK-Album seit dem Brexit
Vielmehr ist unser Mann mit dem starken Südlondoner Akzent („Saaf London“) ein messerscharfer Beobachter des urbanen Lebens um ihn herum. Nebenbei trieft dieses Album nur so vor Selbstironie. Das beginnt bereits beim Titel und endet beim Covershot auf einem Golfplatz. Zu seinen poetischen Höhenflügen fügt sich eine musikalische Bestandsaufnahme der Insel. Dabei dreht Jamie, der auch schon mal als „der Ein-Mann-Arctic-Monkey“ bezeichnet wird, hemmungslos alles durch den Fleischwolf, was seit Dezember 1979 und „London Calling“ bis heute so im Reich von Lizzy passiert ist – inklusive HipHop, Big Beat und Trap.
Mit ein bisschen Assistenz von Matt Maltese, Willie J Healey und Yannis Philippakis sowie mit Produktionsstütze von Hugo White (The Maccabees). „90s Cars“, der Auftakt, wird gleich von einer New-Order-Bassline dominiert, „St. George Wharf Tower“ begeistert mit einem schroffen Billy-Bragg-Intro, und nichts kann mitreißender sein als der Power-Punk von „A Million & One New Ways To Die“. Nach Diktat zum Stagediving-Training! En passant schreibt das Cleverle auch noch die besten Brit-Balladen seit The Beautiful South. Schlussendlich wird bei „Old Republican“ im Herrschaftsgebiet der Emo-Hymnen gewildert. Alles unglaublich charmant und immer gnadenlos poppig. Arme in die Luft, besser noch: ebendiese um die Mitmenschen werfen! Das beste UK-Album seit dem Brexit.