Rammstein im ROLLING STONE Style Check
Brennende Asbestmäntel, Flammenwerfer-Flügel und ein Mund, aus dem die Höllenglut strahlt — Rammsteins Konzerte sind ein wahres Feuerwerk. Dabei muss nicht nur die Arena was aushalten, sondern auch die Kleidung. Passend zum Release von „Zeit“ kommt hier unser Style Check.
Es lebe der Kommerz
Zumindest am deutschen Musikmarkt setzen Rammstein neue Standards. Keine andere Band bietet krassere Shows, und keine andere Band hat aus dem Verkauf des hauseigenen Merch eine derartige Maschinerie gemacht. Rammstein setzen ihr Kreuz auf so ziemlich alles, vom obligatorischen Bandshirt über Rum bis hin zu Wandregalen. Neben einer Fackel, die „Funkenstoss“ heißt und Weihnachtsbaumschmuck, kann man mittlerweile auch zwei verschiedene Parfums, „Kokain Gold“ und „Diamant“, erwerben. Für das entsprechende Setting wurde auch gesorgt: Die Band veranstaltet regelmäßig Pop-Ups in ihrem Quartier in Wilhelmsruh, Berlin.
Kürzlich sorgte die Zusammenarbeit der Band mit dem Luxuslabel Balenciaga und dessen Kreativdirektor Demna Gvasalia für einigen Wirbel. Als bekennender Rammstein-Fan hatte er Songs wie beispielsweise „Bestrafe Mich“ bereits auf einer Playlist des Modehauses verwendet und lud sie schließlich 2021 ein, eine eigene Playlist für Balenciaga zu erstellen. Zusätzlich wurde mit der Band eine hochpreisige Merch-Kollektion auf den Markt gebracht. Die Shirts, Hoodies, Mützen und Taschen, die unveröffentlichte Bilder der Band, geschossen vom österreichisch-irischen Künstler Gottfried Helnwein, abbilden, kosten im Schnitt das Zwanzigfache des normalen Rammstein-Merch.
Entgegen dem nicht gerade verbraucherfreundlichen Preis ließ sich das Team um Gvasalia was Nettes für die Kampagne einfallen. Sie kontaktierten via Instagram drei Hardcore-Fans der Band, Helena, Mona und Torsten, und ließen sie in den Balenciaga-Looks inmitten ihrer Rammstein-Preziosen vom Fotografen Patrick Welde ablichten.
Provokation am laufenden Bande
Dass Rammstein mit ihrer Musik, ihren Shows und nicht zuletzt auch mit ihren Videos schockieren, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Ihr 2009 erschienenes Video zur Single „Pussy“ aus ihrem Album „Liebe ist für alle da“ sucht man vergeblich auf ihrem YouTube-Kanal, denn das Video wurde direkt aufgrund des expliziten Inhalts auf einer Porno-Plattform veröffentlicht. Wie sollte es anders sein, gab es zu „Pussy“ einen maßgeschneiderten Marketing-Stunt: Für 199 Euro konnte man ein Set bestehend aus Dildos, Handschellen und Gleitgel erwerben.
Als besonders kontrovers wurde auch das Video zum 2019 erschienen Song „Deutschland“ wahrgenommen. Die Band hatte vorab einen kurzen Teaser veröffentlicht, in dem man vier der Mitglieder als KZ-Insassen verkleidet am Galgen stehen sah. Was später oft als billige Provokation abgestempelt wurde, war eigentlich nur der Vorgeschmack auf ein neuneinhalb-minütiges Feuerwerk an Referenzen, das sich quer durch 2000 Jahre der Geschichte Deutschlands zieht. Und schnell wird klar: Rammstein haben ein mehr als gespaltenes Verhältnis zu ihrem Geburtsland. Die durch Germania, gespielt von Ruby Commey, bezeugten Geschehnisse sind gespickt von testosterongeladener Gewalt. Ob als eben genannte KZ-Häftlinge, römische Legionäre im Teutoburger Wald oder Politiker in der DDR, das Fazit der Band klingt so: „Deine Liebe ist Fluch und Segen/ Meine Liebe kann ich dir nicht geben.“
Regie führte der Mitbegründer des Labels Aggro Berlin, Eric „Specter Berlin“ Remberg, der unter anderem durch seine Beziehung zum Hip-Hop Anleihen aus Videos wie (damals noch Kanye West) Yes und Jay-Zs „No Church In The Wild“ zog. Gleichzeitig ist das „Deutschland“-Video auch selbstreferenziell: Als Germania in Gestalt eines Engels erscheint, trägt sie die Flammenwerfer-Flügel, die Till Lindemann sonst zu dem Track „Engel“ auf der Bühne verwendet.