Moderat
„More D4TA“ – Gestaltwandler
Monkeytown (VÖ: 13.5.)
Futuristische Popmusik, die sich vom Dancefloor fernhält
Als Gernot Bronsert, Sebastian Szary und Sascha Ring Moderat 2002 gründeten, sollte es nur eine kurzweilige „Spielwiese“ sein. Zwanzig Jahre später hat die Gruppe ihre jeweiligen Hauptprojekte Modeselektor und Apparat bei Weitem überschattet. Zu ihrem letzten Konzert in Berlin im Sommer 2016 kamen 12.000 Menschen. Heute ist Moderat ihr „Erwachsenenprojekt“, sagen die in der Berliner Rave-Szene der Nullerjahre sozialisierten Produzenten. Dazu gehört auch ein bisweilen verbissener Perfektionismus, der so weit führte, dass sich die drei während der Produktion des letzten Albums, „III“, an einem gewissen Punkt gegenseitig verboten, allein das Studio zu betreten, aus Angst, einer von ihnen könnte noch heimlich an den millimeterfein justierten Parametern schrauben.
Es ist Musik für U‑Bahn-Schächte
Sechs Jahre ist das nun her. Der lange Zeitraum ist nicht das Einzige, was darauf hindeutet, dass die Produktion von „More D4TA“ eine ähnlich harte Nuss war. Das vierte Moderat-Album ist der bislang klarste, entschlackteste Entwurf ihrer mit den Mitteln von Techno erarbeiteten, futuristischen Popmusik. Es ist das besondere Talent des Trios, verschachtelten Rhythmusgerüsten und atomisierten Soundscapes Radiotauglichkeit zu verleihen. Gebündelt wird der Strauß an experimentellen Klängen von Sascha Rings Stimme, hier einmal mehr mit Effekten gebläht und gedehnt, sodass er mal wie David Sylvian („Doom Hype“), mal wie Dave Gahan („Undo Redo“) und mal wie ein im Weltraum ausgesetzter Blauwal klingt („Drum Glow“).
Mit Ausnahme des treibenden „Neon Rats“ halten sich die Stücke mehr denn je vom Dancefloor fern. „Soft Edit“ glitcht sanft über Vocoderwellen wie ein endgültig zur Maschine mutierter Bon Iver. Das wie kalter Rauch ausfadende „Copy Copy“ sucht den erhabenen Minimalismus von Frank Ocean, während „Easy Prey“ den TripHop von Massive Attack aus den 90er-Jahren weiterdenkt. Es ist Musik für U‑Bahn-Schächte, nur starrt man dabei nicht mehr traumverloren auf vorbeiflackernde Waggons, sondern auf Smartphone- Apps, die ständig ihre Gestalt wechseln.