Neunte Kunst

Neue Marvel Comics Library: Wie alles begann mit Spider-Man

Ein neuer Luxus-Band versammelt die ersten 21 Spider-Man-Geschichten aus den Jahren 1962 bis 1964 - und zwar originalgetreu.

Die Musealisierung des Comic ist nun schon länger im Gange. Kaum zu glauben, dass es noch kaum ein paar Jahrzehnte her ist, dass die Sprechblasenkunst als Schund verteufelt wurde und auch Superheldengeschichten nur was für Pennäler und nie erwachsen gewordene Stehpinkler war.

Das hat sich bekanntlich gewandelt: Erstausgaben von Comics können es inzwischen bei Auktionen mit Werken bekannter Künstler messen, wenn es um den Verkaufspreis geht. Batman wird als psychologisch wertvoller Familienroman und ernsthaft als Sittengemälde der spätmodernen Gesellschaft gelesen. Und im Feuilleton wird gar inzwischen gestritten, welcher Spider-Man-Film der beste ist.

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Aber der lange Weg zur Hochkultur, wie er bisher eher Comic-Strips („Peanuts“) und wenigen Graphic Novels („Maus“ von Art Spiegelman) vorbehalten war, hält für Marvel, DC und Co. noch einige Hürden bereit. Dabei geht es nicht nur um die Verfügbarkeit vieler billig produzierter Ausgaben, sondern auch um die entsprechende Aufarbeitung des alten Materials für junge interessierte Leser und vor allem pingelige Sammler, die nur höchste Qualität akzeptieren.

Wie das für einen größeren Markt aussehen könnte, zeigt schon länger der Taschen-Verlag. Gründer Benedikt Taschen baute sein Kunstbuch- und Popkulturwälzer-Universum bekanntlich auf dem Faible für Comics auf – und seit Jahren gibt es edle Ausgaben, die Robert Crumb, Krazy Kat oder EC-Comics ein Denkmal setzen.


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Auch DC und Marvel bekamen schon Prachtbände serviert, die sich größtenteils auf allerdings fantastisch edierte Ausschnitte beschränkten. Auf tiefere Einblicke ganzer Ausgaben musste größtenteils verzichtet werden. Das ändert sich nun mit der so eben gestarteten Marvel Comics Library. Das erste Buch ist komplett Spider-Man gewidmet.

Das Premieren-Druckwerk der Reihe im XXL-Format enthält die ersten 21 Geschichten des Spinnenmanns aus den Jahren 1962–1964 und ist, das ist der entscheidende Clou, annähernd so groß wie die Originale und so gestaltet, wie die Comics zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung aussahen.

In der Pressemitteilung heißt es zu dem Herstellungsverfahren: „Jede Seite wurde so fotografiert, wie sie vor mehr als einem halben Jahrhundert gedruckt wurde, und dann mit modernen Retuschetechniken digital überarbeitet, um die Fehler des billigen, unvollkommenen Drucks der damaligen Zeit zu korrigieren – so, als käme sie frisch aus einer erstklassigen Druckmaschine der 1960er Jahre.“ Mit anderen Worten: Patina bewahrt, Nostalgiker versöhnlich gestimmt, dem Original einen Wert verliehen, den er sicher zur Entstehungszeit nur für wenige hatte.

Der Mehrwert für Spätgeborene ist natürlich schon dadurch erreicht, überhaupt einen hochklassisch gestalteten Einblick in die Vergangenheit zu erhalten. Deutsche Ausgaben der frühen Comics gehen bekanntlich für ziemlich hohe Preise über die Online-Theken.

Blättert man durch die ersten Erzählungen Spider-Mans, fällt natürlich auf, warum Stan Lees Spider-Man innerhalb kürzester Zeit trotz der Zweifel an seiner Idee (Ein Teenager-Loser als Held? Was ist mit der Spinnenphobie der Menschen?) zum Aushängeschild und einem der beliebtesten Superhelden wurde. Neben einem früh etablierten Cast von faszinierenden Antagonisten (Kobold! Doctor Octopus!) gelang es vor allem Zeichner Steve Ditko mit nicht zu sehr satirischem Strich nebenher die Probleme der jungen Menschen in einer Welt zu illustrieren, in der sich die Erwachsenen erst seit einiger Zeit von den großen Krisen der Mitte des Jahrhunderts erholt hatten und jetzt ihr Recht einforderten, Leben zu wollen.

Die jugendliche Rebellion kam dann allerdings schneller, als viele damals annahmen – und Comics spielten mit ihrer visuellen Strahlkraft und der Fähigkeit, die großen Probleme der Menschheit auf wenigen Seiten einzufangen und dabei noch moralische Fragen im Handstreich zu diskutieren (Spider-Mans Beitrag dazu ist auch schon in diesen alten Ausgaben zu erkennen: Aus großer Kraft wächst auch große Verantwortung), dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle.

„Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 1. 1962–1964“ enthält auf 700 Seiten nicht nur die ersten Hefte des Netzschwingers, sondern auch einen ausführlichen Essay von Marvel-Redakteur Ralph Macchio, Originalkunstwerke, seltenen Fotografien und noch einige Raritäten mehr. Sammler freuen sich natürlich über die nummerierte Erstauflage von 5.000 Exemplaren. Weitere Bände der Reihe sollen Avengers, Fantastic Four, X-Men, Silver Surfer und Hulk gewidmet sein.

TASCHEN
The Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 1. 1962–1964
David Mandel, Ralph Macchio
Hardcover, 28 x 39,5 cm, 4,83 kg, 698 Seiten
Englisch
150 Euro

Alle Bilder auf dieser Seite: TASCHEN

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