Der Rockstar
Aber Columbia Records gab das Duo noch nicht auf. Am Tag, an dem Tom Wilson mit seinem Schützling Bob Dylan ein urknallähnliches Geräusch namens „Like A Rolling Stone“ aufnehmen sollte, schob er vormittags noch eine Session ein, um Simons „The Sounds Of Silence“ mit Rhythmusgruppe und elektrischen Gitarren zu unterlegen und dem Song so ein zeitgenössisches Folkrock-Flair zu geben – ohne den Songwriter, der gerade in London ein Soloalbum als Folksänger aufnahm, in Kenntnis zu setzen. Der staunte nicht schlecht, als er hörte, er müsse zurück nach New York, weil seine Single die Charts hinaufstieg. Die Nummer, bald offiziell im Singular als „The Sound Of Silence“ geführt, schaffte es im September 1965 schließlich sogar auf Platz eins der US-Charts, und Simon & Garfunkel waren wieder im Rennen. Aber auch als Folk-Rock-Duo nahm sie niemand so richtig ernst. Dafür waren ihre Songs zu soft, wirkte die Rockband, die ab und zu im Hintergrund spielte, zu sehr wie ein Fremdkörper. Die Alben „Sounds Of Silence“ und „Parsley, Sage, Rosemary And Thyme“ (beide 1966) waren trotzdem äußerst erfolgreich, weil Simon als Songwriter einen Lauf hatte – wenn auch einen sehr langsamen, denn er schrieb seine Texte nicht wie Bob Dylan im rhythmisierten Rausch, sondern brütete stundenlang über jeder Zeile seiner Texte, die oft auf dem schmalen Grad zwischen spätpubertärem Ernst („The Rock“, „A Dangling Conversation“) und existenzialistischer Poesie („Flowers Never Bend With The Rainfall“) balancierten.
Anfang 1967 schien Simon am Ende seiner Kräfte. Die letzten Singles, „A Hazy Shade Of Winter“ und „At The Zoo“, hatten es nicht mehr in die Top Ten geschafft, die Plattenfirma wartete auf ein neues Album, aber Simon fiel nichts mehr ein. Die Zeit von Simon & Garfunkel schien zu Ende zu gehen. Das wurde beim Monterey Pop Festival im Sommer 1967 besonders deutlich. Dort formierten sich der psychedelische Underground und neue Generation lauter aggressiver Rockbands. „The Byrds and the Airplane did fly”, sang Eric Burdon von den Animals später über Monterey. „Oh, Ravi Shankar’s music made me cry/ The Who exploded into fire and light/ Hugh Masakela’s music was black as night/ The Grateful Dead blew everybody’s mind/ Jimi Hendrix. baby, believe me, set the world on fire, yeah.”
Simon & Garfunkel setzten nichts in Brand und ließen nichts explodieren. Sie wirkten mit ihren sanften Harmonien, ihren Rollkragenpullovern und ihren Liedern über Heimweh, Existenzangst und Entfremdung, als wären sie im komplett falschen Film. Sie waren keine Hippies, ihre Songs handelten nicht von Liebe und Aufbruch, sondern von der (Sinn-)Krise. Ihr Glück: Der Regisseur Mike Nichols fand sie wie geschaffen, um das Innenleben des Protagonisten Ben Braddock seiner Verfilmung von Charles Webbs Roman „The Graduate“ zu orchestrieren. Die neuen Songs, die Simon dann für den Soundtrack schrieb, gefielen ihm allerdings alle nicht – bis auf einen: „Mrs Roosevelt“, den man gut in „Mrs Robinson“ umschreiben konnte, denn das war der Name der um vieles älteren Frau, mit der Ben eine Affäre begann, um seinen Post-College-Blues zu vertreiben. Simon fiel aber kein Text ein, also sang er mit Garfunkel einfach „Dip-di-di-di-dip-di-di-di-dip-didididi“. Der Soundtrack, der hauptsächlich aus alten Simon & Garfunkel-Songs bestand, wurde ein Erfolg, die erst später fertiggestellte vollständige Version von „Mrs Robinson“ machte auch das spätpsychedelische Album „Bookends“ (1968) zum Hit.