Arne Willander schaut Fern: Apotheose des Fernwehs
Mit Kapitän Morten Hansen auf Kreuzfahrt um die Welt: Die nostalgieselige Dokumentarseifenoper „Verrückt nach Meer“ in der ARD
Heute macht man ja keine Kreuzfahrten mehr oder schon wieder. Es gibt diesen Moment in der Dokumentationsreihe „Verrückt nach Meer“, die seit 2009 nachmittags in der ARD gezeigt wird, da staunende Touristen vom Schiff aus über Venedig schauen: Das höchste Gebäude der Stadt ist der Kreuzfahrtdampfer in der Lagune! Der umgekehrte Blick, von der Stadt auf das riesige Schiff, ist jetzt ein Sinnbild für die Absurdität des Tourismus.
Die Wiederholungen von ungefähr 350 Folgen „Verrückt nach Meer“ laufen nun auch vormittags als nostalgische Sehnsuchtsseifenoper und ewige Gegenwart, in der Kapitän Morten Hansen die 44.500Bruttoregistertonnen durch den Amazonas und die Karibik, in die Fjorde Norwegens, in die Südsee und nach Indonesien steuert. Anders als „Das Traumschiff“ vermittelt die Bandwurmreportage auch die Arbeit an Bord, die Routinen von Kreuzfahrtdirektor und Reiseleiter, Entertainment-Manager und Bordarzt, Koch und Lademeister, Deckkadetten, Küchenpraktikantinnen und Schreinervolontären, aus dem Off gutmütig und leise ironisch von der Schmeichelstimme Ralph Wagners kommentiert.
Das kindliche Tourismusglück
„Verrückt nach Meer“ zeigt verlässlich das kindliche Tourismusglück, wenn in den Hafen eingelaufen wird, wenn die Sonne über griechischen Inseln aufgeht und die Skyline von Manhattan erscheint. Zeigt, wie die Showtruppe ihr Programm einstudiert, wie in der Küche tausend Lebkuchenmännchen gebacken und Wassermelonen geschnitzt werden, wie in Ecuador eine Panamahutmanufaktur und in Marseille eine alte Seifenfabrik besucht werden.
Und wie der Norweger Hansen, Kapitän in dritter Generation und Held der Reihe, in drolligem Deutsch seine Ansprachen von der „Brrrrügge“ hält und mit sicherer Hand die An- und Ablegemanöver kommandiert. Hier ist noch jenes Fernweh, das einst die Seefahrer- und Piratengeschichten befeuerte, obwohl der Kreuzfahrttourismus vor allem eine gigantische logistische Sensation ist. Dazu gehören Gesangsgäste wie Kristina Bach, Ireen Sheer, Gregor Meyle, Patrick Lindner. Jedes Ritual wird wieder und wieder gezeigt: das Einchecken, der Kapitänstisch, die Besatzungsshow. Und bei jedem Landgang ein Souvenir. Meistens ist es ein illustrierter Magnet.