Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Elegant durch den Tag
Geht mit Musik wirklich alles besser? Ein Selbstversuch in Bryanferrysierung, Hemdenbügeln und Heckenschneiden ohne Hecke.
Folge 225
Schon der große Philosoph Rudi Schuricke wusste: „Mit Musik geht alles besser.“ Ganz in diesem Sinne wollte ich mich unlängst gleich zu Beginn des Tages mithilfe eines sorgsam ausgewählten Albums in einen erhabeneren Zustand versetzen, um so meinem gesamten Treiben und Wirken an diesem Tag Eleganz und Anmut zu verleihen.
Meine Wahl fiel auf Bryan Ferrys „Boys And Girls“, ohnehin eine Lieblingsplatte. Hätte ich erst diesem Smoking von einem Album gelauscht, so dachte ich, hätte alles, was ich an diesem Tag anfassen oder tun würde, diese ganz selbstverständliche Ferry’sche Noblesse. Ich hörte also, ließ die Musik ganz von mir Besitz ergreifen und trat dann auf die Straße.
Schon nach kurzer Zeit musste ich feststellen: Ich wirkte überhaupt nicht Bryan-Ferry-umflort. Von Noblesse weit und breit keine Spur. Wie einfach nur irgendetwas wirkte ich. Traurig schlich ich mich heim. Mit dem schwachen Trost immerhin, dass mein zum Scheitern verurteiltes Projekt in diesen Tagen ohnehin nicht gelingen konnte.
Mit Musik Arbeit erledigen
Niemand wirkt derzeit Bryan-Ferry-esk, nicht einmal Bryan Ferry. Sicher, er wird seinen Hobbys nachgehen (laut „Stern“: Angeln und Hasenjagd). Aber eine zünftige Hasenjagd, ganz gleich wie man zu ihr steht, macht noch keinen Bryan Ferry. Statt elegant durch die Straßen zu scharwenzeln, entschloss ich mich, die titelgebende Behauptung des Schuricke-Schlagers anderweitig zu erproben.
Es gab genug liegen gebliebene Arbeiten zu erledigen, die, von der richtigen Musik begleitet, sicherlich viel leichter von der Hand gehen würden. Ich kramte also das Bügelbrett hervor und machte mich an die Arbeit. Nach etwa 15 Minuten tapferen Bügelns stand ich schon wieder vor einem Problem: Es kann nämlich ganz und gar nicht behauptet werden, dass sich jede Musik zum Bügeln eignet.
Bügelmusik, das ist wohl die zentrale Aussage dieser Kolumne, darf keinesfalls zu hektisch sein. Stücke, zu denen man etwa seine Hemden und Blusen vollschwitzt, sind zum Bügeln derselben gänzlich untauglich. Sehr gut zum Bügeln hingegen sind New-Age-Musik und „Albatross“ von Fleetwood Mac. Da ich mich nach dreimal „Albatross“ aber zu langweilen begann und wirklich gar keine New-Age-Musik besitze, brach ich die Arbeit wieder ab.
Kurz erwog ich, eine Tätigkeit aufzunehmen, für die ausreichend Musik im Haushalt vorhanden war. Ich habe beispielsweise extrem viele Platten, die sich ganz toll zum Untermalen einer Heckenbeschneidung eignen würden (Fairport Convention, XTC, High Llamas, Divine Comedy). Allerdings habe ich keine Hecke. Letztlich ist die These des Schuricke-Schlagers auch schlicht Blödsinn. Zwar behauptet der Liedtext recht blumig, der Notenschlüssel öffne alle Türen weit und breit, aber wer will schon alle Türen öffnen? Am Ende steht man noch im Backstageraum von Leslie Mándoki oder so.
Wenn schon Musik zum Joggen, dann New-Age-Musik
Man sollte zudem darauf hinweisen, dass die fingerschnippend dahertänzelnde Revuenummer aus dem Jahr 1943 stammt, einer Zeit mithin, in der Motivationslieder zu finsteren Zwecken Hochkonjunktur hatten. So etwas Schönes wie Musik aber sollte nicht zum Einpeitschen benutzt werden, noch nicht einmal zum Motivieren – ganz gleich ob für den Krieg oder zum Joggen. Funktionsfrei rumdudeln, das soll sie. Und wenn sie einen, ohne dass man es – wie Ihr närrischer Chr-nist – darauf anlegt, nebenbei wie von Zauberhand kurz ferrysiert, so gilt es, diesen kostbaren Moment still und voller Demut wertzuschätzen.
Anders ausgedrückt: Will man sein Leben nicht verwirken, indem man die edelste aller Künste zum Befeuern niederer oder gar schändlicher Aktivitäten missbraucht, muss der Playlist „Flotte Songs zum Joggen“ energisch die Tür gewiesen werden – und zwar die zu Leslie Mándokis Backstageraum. Wenn Sie schon unbedingt Musik zum Joggen hören müssen, hören Sie New-Age-Musik. Das führt zu interessanteren Ergebnissen.
Und kommen Sie mir nicht mit „Geht nicht!“. Man kann ja auch Heckenschneidemusik hören, ohne eine Hecke zu besitzen