Trügerische amerikanische Idyllen: Zehn Videos aus dem Traumwerk von Lana Del Rey
Zehn Videos aus dem Traumwerk von Lana Del Rey – grobkörnig und in Technicolor
„Kill Kill“ (2008)
Bereits auf ihrer ersten Single, noch unter dem Namen Lizzy Grant veröffentlicht, zeigte Del Rey wesentliche Elemente ihrer späteren Ästhetik den gehauchten Gesang, die dem Untergang geweihte Liebe, die Selbststilisierung zur amerikanischen Ikone. Im von ihr selbst inszenierten Video wickelt sie sich, eine Marilyn-Monroe-Perücke tragend, in eine amerikanische Flagge. Dazwischen schneidet sie körnige Homevideos anderer Leute, zeigt Vergnügungsparks und überfüllte Strände.
„Video Games“ (2011)
Die Geburtsstunde von Lana Del Rey. Das Video, von ihr selbst gedreht, zeigt sie, offenbar mit einer Laptop-Kamera vor weißer Wand gefilmt, inmitten einer schnell geschnittenen Collage aus alten Sunset-Boulevard-Bildern, Vintage-Strandszenen und Paparazzi-Shots stolpernder Starlets. Dagegen ihr getragener Gesang: eine Elegie.
„National Anthem“ (2012)
Del Rey haucht „Happy Birthday, Mr. President“ für A$AP Rocky, der JFK spielt. Dann sonnengetränkte Super‑8-Aufnahmen, Homevideos des Präsidentenpaars, Del Rey spielt Jackie Kennedy. Es endet, wie es enden muss, mit einem Schuss aufs Cabriolet, panischen Polizisten und dem Schock in Del Reys Gesicht.
„Ride“ (2012)
Vor einem monumentalen Wüstenpanorama schaukelt sie auf einem alten Autoreifen. Weites Land, nicht mehr in der Hand der Ureinwohner: Biker röhren durch die Gegend, beladen mit Waffen, sie schlafen in schäbigen Motels und trinken an der Tankstelle. Del Rey ist die Bikerbraut, die am Flipperautomaten begrapscht wird. Sie trägt Federkopfschmuck, während ihre Jungs ein Feuer machen.
„Ultraviolet“ (2014)
Im Brautkleid spaziert sie einen Gartenweg entlang. Ein Mann ist bei ihr, aber wir sehen nur seine Hände. Der unsichtbare Bräutigam füttert sie mit Kuchen und steckt ihr seine Finger in den Mund. Die wackelige Kamera zeigt seine Perspektive, er geht hinter ihr, folgt ihr in eine leere Kirche, kommt ihr immer näher, wie eine Figur in einem Horrorfilm. Die einsame Hochzeit ist der Beginn eines Albtraums.
„High By The Beach“ (2015)
Der Pazifik leuchtet blau, Del Rey steht in hellem Gewand auf einer Terrasse in Malibu. Ein Helikopter taucht auf und schwebt bedrohlich vor ihr in der Luft. Sie zieht sich in die Wohnung zurück, flieht vor dem Lärm und dem Abwind, aber die fliegenden Paparazzi lassen sie nicht in Ruhe. Also steigt sie die Felsen hinab, holt einen Gitarrenkoffer hervor, packt eine Uzi aus und zielt. Happy End.
„Freak““ (2016)
Sie legt Father John Misty ein LSD-Papier auf die Zunge, er verwandelt sich in einen Sektenführer, der in Ultra-Slow-Motion von weiß gekleideten Frauen umschwärmt wird. Sie trinken das Kool-Aid und entschwinden in eine paradiesische Unterwasserwelt. „Baby, if you want to leave, come to California, be a freak like me, too.“
„Lust for Life“ (2017)
Glamouröse Leben enden in Tragödien. Die Schauspielerin Peg Entwistle sprang 1932 vom H des Hollywood Signs in den Tod. Hier tanzen The Weeknd und Lana Del Rey auf diesem H, unter ihnen die Nachtlichter der Stadt, über ihnen ein unmöglicher Sternenhimmel. Am Ende wird herausgezoomt: Die Erde ist ein einsamer Planet.
„Doin‘ Time“ (2019)
Del Rey ist ungefähr zweihundert Meter groß, reißt Palmen aus dem Boden wie Grashalme, steigt über die Stadtautobahn wie über eine Carrera-Bahn. Das ist, stellt sich im Laufe des Videos heraus, der Plot eines B-Movies, der im Autokino läuft. Die riesenhafte Del Rey steigt „Purple Rose Of Cairo“-mäßig von der Leinwand hinab und diszipliniert aufmuckende Zuschauer.
„Chemtrails Over The Country Club“ (2021)
Ein amerikanisches Idyll in Technicolor-Farben: Der Himmel fast so blau wie der Swimmingpool, das alte Cabriolet blutrot, Eiswürfel im Glas, das Obst vom Markt. Aber dann: Wölfe und ein Wirbelsturm, alle Augen leuchten dämonisch, und Del Rey verwandelt sich mit ihren Freundinnen in blutrünstige Kreaturen der Nacht.