Klasse von ’91: War 1991 das beste Musikjahr aller Zeiten?

Das Musikjahr 1991 hatte eigentlich alles. Gab es je ein besseres?

1991, kündigte schon Sonic-Youth-Musiker Thurston Moore an, ist „The Year Punk Broke“. Gitarrenmusik eroberte die Welt – vor allem unter dem Label „Grunge“ und mit Bands wie Nirvana und Pearl Jam.

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Guns N’Roses wurden mit ihren Alben „Use Your Illusion I“ und „II“ zu Art-Rockern, Metallica zu Hardrockern – und U2 widmeten sich erfolgreich, wenn auch vielleicht ein Jahr zu spät, dem Rave-Rock.

Genesis und Queen veröffentlichten ihre letzten Platten in alter Besetzung; die Dire Straits ihr letztes überhaupt; Blur ihr Debüt; R.E.M. standen mehr als zehn Jahre nach ihrer Gründung plötzlich im internationalen Rampenlicht; Prince, David Bowie und Michael Jackson brachten drei Werke heraus, die nicht zu ihren besten gehören würden – die Ära der 80er-Superstars schien sich dem Ende zuzuneigen.

Spektakulär auch die Genres Urban und HipHop: Massive Attack, A Tribe Called Quest und De La Soul veröffentlichten entscheidende Club- bzw. Rap-Alben. In Deutschland meldeten sich erstmals Die Fantastischen Vier zu Wort, die zur erfolgreichsten HipHop-Truppe des Landes werden würden. Außerdem gab’s die Debütsingle von Blumfeld sowie das erste große Album von Element of Crime.

Es gab wenige Musikjahre, in denen derart viele Werke veröffentlicht wurden, die so vielen unterschiedlichen Leuten so viel bedeutet haben – zuletzt wohl 1987.

21. Januar: Motörhead – „1916“

Lemmy war erst 46 und doch schon ein Dino, Phil „Philthy Animal“ Taylor spielte die Drums. Platz 14 in Deutschland, 24 im UK – 142 in den USA. Für Kilmister das Album, das ihren Goldenen Herbst einleitete. 1992 Nominiert für die „Best Metal Performance“, verloren Motörhead dann gegen die allgegenwärtigen Metallica. Die Veröffentlichung im Januar war ideal, so hatten Motörhead überhaupt noch eine Chance – denn die erfolgreicheren Rock-Alben würden im Herbst folgen.

22. Januar: Sting – „The Soul Cages“

Stings mutigstes Album nach seiner längsten Studiopause: Vier Jahren waren vergangen nach „… Nothing Like The Sun“, er litt nach dem Tod seines Vaters unter einer Schreibblockade. In Songs wie „Island Of Souls“ oder „The Wild, Wild Sea“, die sich geradezu ozeanisch über ihre Zeit wälzen, erinnert er sich an seine Kindheit in der Hafenstadt Wallsend bei Newcastle, wo er als Junge seinem Vater half, frühmorgens Milchflaschen auszutragen, und dabei die Schiffe in der Morgendämmerung bewunderte. „All This Time“ ist noch immer eines seiner besten Lieder: „Father, if Jesus exists. Then how come he never lived here?“

29. Januar: Divinyls – „Divinyls“

Chrissy Amphlett sang jenes Lied, deren Titel nur abgelesen werden muss, schon ist die Melodie im Kopf: „I Touch Myself“, der einzige Hit der australischen Band. Heute ist ein solcher Songtitel kein Thema mehr – 1991 sah das noch ein wenig anders aus, es rief vor allem Kritiker auf den Plan, die insgeheim doch nur gerne Voyeure wären. Das – harmlose – Video drehte Michael „Transformers“ Bay. Das Lied schaffte es auf die 4 in den USA und die 10 im UK. Eine weitere Divinyls-Platte mit Amphlett sollte danach noch folgen.

29. Januar: Screaming Trees – „Uncle Anesthesia“

Es wäre eine Überlegung wert: Hätten die Screaming Trees vielleicht mehr Aufmerksamkeit generiert, wäre das Album im Grunge-Herbst von Nirvana und Pearl Jam erschienen? Oder noch weniger? Soundgarden-Chef Chris Cornell produzierte das fünfte Werk der Band, die nach Ansicht vieler Seattle-Fans eine viel größere Bedeutung hätte einnehmen müssen. Die Platte ist kein Höhepunkt in ihrer Diskografie, aber Mark Lanegan und Kollegen veröffentlichten mit „Bed of Roses“ eine Single, die über die Jahre wuchs.

05. Februar: Queen – „Innuendo“

1991, das große, vollgepackte Musikjahr 1991, würde tatsächlich auch dasjenige sein, in dem Freddie Mercury sein letztes musikalisches Lebenszeichen von sich geben würde. Im Februar war seine Aids-Erkrankung noch lange nicht publik – er teilte sie wenige Tage vor seinem Tod im November mit. Keiner hätte ahnen können, dass er in Songs wie „The Show Must Go On“ oder „These Are The Days Of Our Lives“ seinen Abschied verkündete. Neben David Bowies „Blackstar“ das zweite große Rockalbum neuerer Zeit, das als „Lebewohl “ in die Musikgeschichte eingehen würde.

19. Februar: Dinosaur Jr. – „Green Mind“

So wie die Screaming Trees wurden auch Dinosaur Jr. von der Grunge-Bewegung vereinnahmt, was mit Blick auf J. Mascis noch weniger Sinn ergibt als bei Mark Lanegan. Die Noise-Pop-Band stammte nicht aus Seattle, sondern aus Northampton, Massachusetts, und nahm ihr Debüt „You’re Living All Over Me“. unter der Ägide von Wharton Tiers, der auch schon Sonic Youth betreute, 1987 in New York auf.

„The Wagon“ war ein moderater Indie-Hit, vor allem aber war die vierte Platte der Band, nach dem Weggang des Bassisten Lou Barlow, so etwas wie ein Mascis-Soloalbum. Mit dem Nachfolger „Where You Been“ würde der Sound dann noch etwas vielseitiger, auch glanzvoller sein. Das Foto heißt „Priscilla“, ist von 1969 und stammt von Joseph Szabo. Der Fotograf hat damals einfach abgedrückt, er wusste nicht, wie das Mädchen heißt, dann war es wieder weg – spätere Recherchen blieben ergebnislos. Wer ist die Unbekannte?

19. Februar: Joni Mitchell – „Night Ride Home“

Ihr 14. sollte auch das letzte Album sein, dass sie für Geffen Records einspielte. „When I thought life had some meaning / Then I thought I had some choice . . . / And I made some value judgments / In a self-important voice,” singt Mitchell. Geht es um ihre eigene Generation? Was ist aus den Bürgerrechtlern und 68ern geworden? Das dezent instrumentierte Album – Michael Landau und Wayne Shorter stechen hervor – stellt viele Fragen, gibt aber keine Antworten. Wahrscheinlich ist das auch ganz gut so.

01. März: The Doors – „Original Soundtrack“

Kein richtiges Doors-Album. Aber der Soundtrack zu Oliver Stones Film (das Cover zeigt Val Kilmer als Jim Morrison) war mitverantwortlich für die Renaissance der Band in den frühen 1990er-Jahren. Der Score brachte die Doors jüngeren Rock-Hörern nahe.

Dies war quasi eine Best-of, plus „Love Street“, das auf der damals einzigen, allgegenwärtigen Greatest-Hits-Doppel-CD leider fehlte. „Ghost Song“ vom „An American Prayer“-Album ist auch vertreten, dazu Carl Orff und Velvet Underground.

04. März: The KLF – „The White Room“

 

Für die einen sind die das schlaueste, für die anderen das nervigste Pop-Projekt, das jemals existierte. Geldverbrenner, Schafquäler – Genies? Auf jeden Fall haben Bill Drummond und Jimmy Cauty ein Buch darüber geschrieben, wie man leicht zum Pop-Millionär wird. „What Time Is Love?“, „3. a.m. Eternal“ und „Justified and Ancient“ hießen die drei Singles, die im Sommer 1991 unsere Ohren zum Klingen brachten bzw terrorisierten.

05. März: Morrissey – „Kill Uncle“

Das Jahr 1991 verlief für den Ex-Smiths-Sänger ähnlich orientierungslos wie für sein Vorbild David Bowie mit „Tin Machine II“. Er schrieb die meisten Songs mit Mark E. Nevin von Fairground Attraction, was Songs wie „Our Frank“ eine seltsam beschwingte, aber auch irgendwie passende gleichgültige Stimmung verlieh. Der Nachfolger „Your Arsenal“ würde 1992 weit, weit ergiebiger sein.

12. März: R.E.M. – „Out Of Time“

Kaum vorzustellen, dass „Losing My Religion“, der größte Hit der Band, es in den USA nicht auf die 1, sondern nur auf die 4 schaffte – dennoch ihre höchste Chart-Platzierung. Dem Album war ihre bislang längste Studiopause voran gegangen (drei Jahre seit „Green“) und Michael Stipe und Kollegen wussten, dass ihnen ein großer Wurf gelingen würde. Trotz Mandoline! Ernste Anhänger der Band hören es nicht gerne, aber die mit Kate Pierson entstandenen Pop-Stücke „Shiny Happy People“ und „Me In Honey“ waren vielleicht sogar noch besser als „Religion“.

Die Grammys würden mit Blick auf das Musikjahr 1991 sehr konservativ entscheiden („Record of the Year“ würde „Unforgettable“ von Natalie King Cole und dem postum eingefügten Nat King Cole werden), aber für R.E.M. reichte es für drei andere Grammys: „Best Pop Performance by a Duo or Group with Vocal“, „Best Alternative Music Alben“ sowie das –leider– stilbildende Video von Tarsem für „Losing my Religion“, mit seinen Abblenden und Stilleben. „Vogueing“ war ja auch nicht schöner – aber stattdessen das?

25. März: The Cure – „Entreat“

Nach „Concert: The Cure“ von 1984 ihr zweites Live-Album. Es sollte die unerwartet lange Pause zwischen „Disintegration“ und „Wish“ füllen, das 1992 erscheinen würde. Es enthält acht der 12 „Disintegration“-Stücke, live aufgenommen in Wembley 1989, und sie klingen hier weniger sumpfig, moorig als auf der Studioplatte – was nicht jedem gefiel.

Erstaunlicherweise wurde auf die Fan-Favoriten „Plainsong“ und „The Same Deep Water As You“ verzichtet. Dazu mutigerweise auch auf die beiden erfolgreichsten Singles, „Lullaby“ und „Lovesong“. Die Jahrzehnte später erschienene „Entreat Plus“ würde alle Songs aufweisen.

28. März: Roxette – „Joyride“

Das dritte Roxette-Album borgte ihren Titel von Paul McCartney: „Writing songs with John Lennon was a long joyride“. Beatleesk geht es auch im dazugehörigen Song zu. „Joyride“ gilt als ihr bestes Werk, auf jeden Fall als eine der erfolgreichsten Platten des Duos. Eine Million Exemplare wurden in den USA abgesetzt, zwei Millionen allein in Deutschland.

02. April: Lenny Kravitz – „Mama Said“

Slash spielte die Gitarre auf „Always On The Run“ und lieferte damit einen Vorgeschmack auf das bald veröffentlichte Zweifach-Album von Guns N’Roses, „Use Your Illusion I“ und „II“. Die ersten drei Kravitz-Alben sind alle auf demselben hohen Niveau: Retro-Rock, der über weite Strecken tatsächlich wie 1967 oder 1972 klingt. Weitere Hits von Kravitz‘ zweiter Platte waren „Fields Of Joy“ und natürlich die Disco-Ballade „It Ain’t Over Till It’s Over“.

02. April: Sepultura – „Arise“

„Chaos A.D.“ von 1993 würde den Durchbruch für die brasilianische Metal-Band markieren, aber diese Platte erhielt ihre ersten durchweg ausgezeichneten Kritiken. Sepultura kombinierten Death/Thrash-Metal mit Latin und Industrial; sie hörten vor den Aufnahmen Ministry und Die Einstürzen Neubauten.

08. April: The Rolling Stones – „Flashpoint“

Ja, im Jahr 1991 erschien auch ein Album der Stones. Wenn auch nur eine Live-Platte. Hat McCartney auch so gemacht. Aufgenommen wurden die Songs bei der „Steel Wheels / Urban Jungle“-Tour 1989/1990. Mit „Highwire“ und „Sex Drive“ sind auch die letzten beiden Studioaufnahmen Bill Wymans vertreten; der Bassist würde die Band bald darauf verlassen. Gut für Ronnie Wood, der Guitarist for Hire wurde danach offiziell als viertes Bandmitglied aufgenommen.

16. April: Temple of the Dog – „Temple of the Dog“

Die Konfiguration einer Supergroup, die damals noch keine war – die beteiligten Musiker waren noch keine Stars, das sollte erst später im Jahr kommen. Mother-Love-Bone-Sänger Andrew Wood starb an einer Heroin-Überdosis, Chris Cornell trommelte dessen Bandmitglieder Stone Gossard und Jeff Ament für dieses Tribute-Album zusammen, auf das kein weiteres folgen sollte. Eddie Vedder, Mike McCready und Matt Cameron stießen dazu, daraus entstand also ein Batzen aus Pearl Jam und Soundgarden. „Hunger Strike“ spielen Pearl Jam gelegentlich immer noch live.

30. April: The Farm – „Spartacus“

Das Cover sieht nach Ecstasy-Spätfolgen aus, aber die britische Band hat mit „All Together Now“ das geschaffen, was man eine „Hymne für die Ewigkeit“ nennt: Ein Song, der Gedanken zum Sozialismus mit Fußball-Freundschaft über Vereine und Nationen hinweg verbindet. Ein Nummer-4-Hit in ihrer Heimat, an den die Band nicht mehr anknüpfen konnte. Die Madchester-Band ist bis heute aktiv.

05. Mai: OMD – „Sugar Tax“

Letztes wichtiges Album des Duos und 1991 bereits so etwas wie ein Comeback. „Pandora’s Box“ und „Sailing On The Seven Seas“ klangen schon arg nach dem House der Pet Shop Boys der „Behaviour“-Phase. Aber Andy McCluskey hat nicht verlernt, Hits zu schreiben.

13. Mai: De La Soul – „De La Soul Is Dead“

Für eine Top-Ten-Platzierung im UK hat es noch gereicht, aber De La Soul haben den Albumtitel ihres Nachfolgers zum erfolgreichen Debüt „3 Feet High And Rising“ zum Anlass genommen, sich auch in ihrer Musik vom Flower-Power-Gedanken zu distanzieren, den sie im Rap etabliert haben. Den „Hippies des HipHop“, wie Arsenio Hall sie nannte, war mit ihrem Back-To-Basics-Groove weniger Erfolg beschienen.

14. Mai 1991: Ice-T – „O.G. Original Gangster“

Sein viertes Album, das seiner besten Besprechungen, verfolgte dringende Themen (Diskriminierung, Gewalt, Mord) weiter, näherte sich aber auch schon dem Humor seines im Jahr darauf folgenden Bodycount-Debüts an – der Titeltrack ist hier sogar schon enthalten.

14. Mai: EMF – „Schubert Dip“

Klar, die Musiker von EMF waren nicht wie Franz Schubert, geschweige denn Genies. Aber mit „Unbelievable“ hatten die Briten in Amerika eine Nummer Eins, und der Rave-Song ist bis heute ein Ohrwurm.

20. Mai: Paul McCartney – „Unplugged (The Official Bootleg)“

Das Album, das die „Unplugged“-Welle von MTV ins Rollen brachte; der Sender sagt selbst, ohne McCartneys Veröffentlichung wären andere Meilensteine der Akustik-Reihe (Neil Young, Nirvana) wohl nicht erschienen. McCartney spielte – im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern – tatsächlich zu 100 Prozent unplugged. Zur Setlist gehörten Beatles-Klassiker („Blackbird“, „And I Love Her“) ebenso wie Solostücke („Junk“) und Coverversionen („Ain’t No Sunshine“).

28. Mai: Electronic – „Electronic“

Kongeniale Zusammenarbeit zwischen Bernard Sumner und Johnny Marr, an der auch Neil Tennant als Gastsänger beteiligt war. Nie klang die Gitarre des Ex-Smiths Musiker besser als in „Get The Message“, und der New-Order-Kopf nie sehnsüchtiger als in „Getting Away With It“. Die beiden Folge-Alben sind nicht weiter relevant. Aber dieses Nebenprojekt dokumentierte die besten Arbeiten beider Musiker in diesem Jahrzehnt.

28. Mai: The Smashing Pumpkins – „Gish“

In eines der bedeutendsten Jahre der Musikgeschichte platzte im Mai dieses Debüt, das ab dem Herbst, ab „Nevermind“ und „Ten“, als Grunge vereinnahmt werden würde. „Gish“ wurde zwar auch von Nirvana-Produzent Butch Vig betreut, doch bereits die ersten Takte ihrer allerersten Veröffentlichung, der Single „I am One“, zeugen vom Pumpkins-Eklektizismus. Drummer Jimmy Chamberlin spielt einen Funk-Rhythmus, D’Arcy Wretzky intoniert eine jener Baggy-Basslinien, wie sie der allgegenwärtigen Rave-Kultur entsprangen. Das Album blieb in den USA auf Platz 195 hängen.

28. Mai: Stevie Wonder – „Jungle Fever“

Natürlich, die Platte ist nicht gelungen, was bedauernswert ist, da Wonder hiermit einen Soundtrack für Spike Lee vorlegte. Aber in einem Jahr, in dem auch Bowie, die Stones und McCartney Nebenwerke vorlegten, auch gut aufgehoben. „Jungle Fever “ war das erste Album der Soul-Legende seit „Characters“ von 1987.

28. Mai: N.W.A. – „Niggaz4Life“

Das zweite und bereits letzte Album des Kollektivs. Ice Cube war da schon ausgestiegen – und Dr. Dre würde seine noch erfolgreichere Karriere als Produzent erst noch bevorstehen.

07. Juni: Seal – „Seal“

Heutzutage gilt Seal als Schmusebarde in der Nachfolge Lionel Richies, und als (Ex-)Ehemann Heidi Klums. Es gab aber tatsächlich eine Zeit, in der er nicht uncool war. Als Sänger auf Adamskis „Killer“ war er auf der Höhe der Zeit, und auch sein erstes Album mit Hits wie „Crazy“ musste man nicht verstecken, wenn das Date erstmals einen Hausbesuch abstattete.

11. Juni: Natalie Cole – „Unforgettable … With Love“

Auf dem Album singt Natalie Cole die Lieder ihres noch berühmteren Vaters Nat King Cole, und im Titelstück im postumen Duett. Die Platte war das Comeback der Sängerin, die es nicht immer leicht hatte in ihrem Leben. „Unforgettable … with Love“ war für das Jahr 1991 nicht gerade revolutionär, entwickelte sich aber zum Megaseller und wurde 1992 mit dem Grammy für das „Album des Jahres“ ausgezeichnet.

11. Juni: Kraftwerk – „The Mix“

Das erste Album seit 1986 und das letzte bis 2003. 1991 war also auch ein Kraftwerk-Jahr. „The Mix“ war eine Best of, beinhaltete Neuabmischungen von Hits wie „Die Roboter“ oder „Radioaktivität“. Die Platte offenbarte aber erstmals auch eine gewisse Altersschwäche der Düsseldorfer Elektro-Pioniere. Weil ihnen Visionen fehlten und sie sich stattdessen umsahen, dickten sie ihre Lieder ausgerechnet mit House-Beats auf, die damals schon drei Jahre auf dem Buckel hatten. Einzig „Radioactivity“ mit dem „Sellafield“-Verweis und dem neu eingefügten „Stop!“ zeigte eine neue Linie auf.

11. Juni: Skid Row – „Slave To The Grind“

Für einige Zeit das letzte Hardrock-Album der alten Los-Angeles-Glitzerschule, das sich gut verkaufen würde. Im September kämen noch die Freunde von Guns N’Roses mit „Use Your Illusion“ dazu, danach würden Grunge sowie Metallica alles wegspülen. Der Titelsong und „Monkey Business“ zählen zu den bekanntesten Stücken des Millionensellers.

02. Juli: Tom Petty – „Into The Great Wide Open“

Den mit Produzent Jeff Lynne verfeinerten Travelling-Wilburys-Sound hatte er bereits verinnerlicht – die späteren Beatles-Singles „Free as a Bird“ und „Real Love“ hätten auch diesem Album gut gestanden. Johnny Depp spielte in einem Video mit, und „Into The Great Wide Open“ ist nach „Wildflowers“ die zweite große 1990er-Platte Tom Pettys.

02. Juli: Crowded House – „Woodface“

„Weather With You“ (hierauf enthalten) ist nach „Don’t Dream It’s Over“ (hierauf nicht enthalten) der zweitgrößte Hit der Band, deren Sänger Neil Finn zuletzt Lindsey Buckingham live bei Fleetwood Mac ersetzte. Crowded House sind zu House (Entschuldigung) natürlich noch etwas größer als in der Welt. Das Standardwerk „The 100 Best Australian Albums“ führt „Woodface“ auf Platz drei der besten Alben des Kontinents.

26. Juli: Mudhoney – „Every Good Boy Deserves Fudge“

Kaum beachtet, aber eines der besten Grunge-Alben des Grunge-Jahres 1991. Das dritte Album der Band um Mark Arm klang dabei gar nicht nach Grunge – eine Hammond-Orgel gibt den Sixties-Garagesound vor, wie in „Who You Drivin‘ Now?“. Hätte es im selben Jahr nicht Nirvana und Pearl Jam gegeben, dies wäre der Seattle-Sound gewesen.

06. Juli: Massive Attack – „Blue Lines“

Das Debüt der Band aus Bristol gilt auch als wichtigste Platte des TripHop, aber auch des British HipHop, ohne den Künstler wie Tricky oder Portishead undenkbar gewesen wären. In nicht wenigen Kritiker-Listen wird „Blue Lines“ gar als wichtigstes Album des Jahres aufgeführt. Die Single „Unfinished Sympathy“ erlebte ähnliche Höhenflüge – Platz eins in etlichen „Song des Jahres“-Rankings. Das Trio etablierte mit Shara Nelson auch das Prinzip, ihren Liedern oft Soulsängerinnen voranzustellen; das legendäre, in einem Take aufgenommene Video drehte Baillie Walsh.

12. August: Metallica – „Metallica“

Der Beginn einer neuen Zeitrechnung für die Thrash-Metaller, derart einschneidend, dass alle ihre danach veröffentlichten Alben wie eine Abgrenzung hiervon wirkten. Bob Rock richtete Metallica einen Hardrock-Sound ein, dessen Problem für einige Die-hard-Fans wohl ganz einfach dessen Eingängigkeit war. „Enter Sandman“ und „Nothing Else Matters“ wurden Hits und Metallica zu den größten Stars der etwas härteren Musik, noch vor AC/DC. Die gemeinsame Tournee mit Guns N’Roses, bei der Metallica Support waren, wäre heute unmöglich.

13. August: Cypress Hill – „Cypress Hill“

Das Debüt der Cheech-and-Chongs des HipHop. „How I Could Just Kill A Man“ wurde ihr erster Hit, an dem noch A Tribe Called Quest sowie Ice Cube beteiligt waren. So ganz konnte sich das West-Coast-Rap-Quartett nie vom Kiffer-Image loseisen, aber sie wollten es ja auch nie wirklich.

20. August: Element of Crime – „Damals hinterm Mond“

Element of Crime singen, endlich, komplett auf Deutsch. Am beliebtesten ist das Titelstück, sie spielen es heute noch live. Aber die Höhepunkte sind zwei andere: „Vier Stunden vor Elbe I“ mit seinem kühl-kalt-klirrend-nebligen Gefühl, endlich den Hafen verlassen zu können. Sowie „Mach das Licht aus, wenn Du gehst“ mit seiner perfekten Balance aus Hass und Selbstmitleid, dazu perfekte Lyrik wie „Und die Halme schrein, wenn du den Rasen mähst.“ Aber es ist der Songtitel an sich, der die Essenz von Element of Crime darstellt: Hau ab, aber lass mich im noch elendigeren Dunkel zurück.

20. August: Spin Doctors – „Pocket Full Of Kryptonite“

Schon klar, kein Meisterwerk. Die New Yorker Pop-Rock-Band war nach ihrer Single „Two Princes“ auch sehr schnell weg vom Fenster. Aber eben diese Dance-Single war wohl eine der einnehmendsten des Jahres, zusammen mit „Enter Sandman“, „Give It Away“, „Alive“ und „Smells Like Teen Spirit“. Gegen Ohrwürmer kann man nichts machen.

26. August: Blur – „Leisure“

Das Britpop-Jahr würde erst 1992 eingeleitet werden, mit seinem Höhepunkt um 1995/1996, wofür natürlich nicht nur Oasis mit „(What’s The Story) Morning Glory?“ verantwortlich sein würden, sondern auch Blur mit „The Great Escape“. Das Blur-Debüt ist ihr schwächstes Album, aber kein schwaches: „She’s So High“ oder „Bang“ fehlt die erst später zum Tragen gekommene Intelligenz in Damon Albarns Texten, aber zumindest mit „Sing“, das in Danny Boyles „Trainspotting“ noch eine Rolle spielen würde, ist die Schärfe vorhanden, Melancholie und Weisheit.

27. August: Pearl Jam – „Ten“

Kurt Cobain nahm die zweitwichtigste Seattle-Band nie ganz ernst, auch, weil Eddie Vedder und Kollegen den Pathos in den Grunge einführten. Wahrscheinlich ist das alles nur ein Missverständnis, denn Pearl Jam zelebrierten auch klassischen Rock und machten nie einen Hehl daraus. „Alive“, „Even Flow“ und „Jeremy“ waren die Riesen-Singles, „Black“ und „Porch“ die heimlichen Fan-Lieblinge.

27. August: Die Fantastischen Vier – „Jetzt geht’s ab“

Das Debüt der Fanta 4. „Die da“ würde erst auf dem Nachfolger „4 gewinnt“ aus dem Folgejahr enthalten sein. Die Reaktionen fielen eher verhalten aus, auch, weil die Stuttgarter auf Deutsch rappten. Aus heutiger Sicht, mit Blick auf die deutschen Charts – hätte es nicht unendlich viel alberner geklungen, die Formation hätte es auf Englisch probiert?

02. September: Tin Machine – „Tin Machine II“

Bowie wird im Jahr 1991 oft übersehen. Natürlich, weil seine Band so schlecht war. Ein unglückseliges Rock-Projekt, das drei Jahre und zwei Alben lang währte. Zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben betonte er seine Männlichkeit, ließ er sich einen Fünftagebart stehen und behauptete, dieses Luxusprojekt wäre ein demokratischer Vierer wie einst die Spiders from Mars (was beide Gruppen nicht waren). Komposition und Gesang wurden aufgeteilt, und Schlagzeuger Hunt Sales intoniert sein „Sorry“ so, als hätte er sich etwas eingeklemmt – der kläglichste je auf einem Bowie-Album veröffentlichte Song. Eigentlich gibt es ja jeder seiner Phasen etwas abzugewinnen. Aber hier gibt es nicht mal was zu verklären. „Tin Machine II“ war der Tiefpunkt. Damals klar, heute klar.

10. September: Dire Straits – „On Every Street“

Das letzte Album der Dire Straits, oder D’Straits, wie sie keiner nennt. Mark Knopfler holte u.a. Manu Katché, Jeff Porcaro und George Martin ins Studio und nutzte danach die Gelegenheit, vor Band-Auflösung 1995, ausgiebig zu touren. Die Single „Calling Elvis“ mit seinem Marionetten-Video offenbarte, dass ihm ein Ziel abhanden gekommen war.

16. September: Talk Talk – „Laughing Stock“

Nach dem als Meisterwerk gefeierten „Spirit Of Eden“ von 1988 fiel die fünfte und letzte Platte von Mark Hollis‘ Band dann also auch in dieses wunderbare Jahr. Das Werk erschien auf dem Verve-Records-Label, und allein, wer die ersten Takte von „Myrrhman“ hört, kann kaum glauben, dass diese Band mal als Synthi-Pop-Truppe angefangen hat. Hier herrscht ein Klang-Kosmos, der sich kaum zuordnen lässt, freiheitlich, jazzig und zerebral. Hollis trug die Band zu Grabe, aber wie.

17. September: Guns N’Roses – „Use Your Illusion I“ und „II“

Nach ihnen würde unter den Megastars nur noch Bruce Springsteen zwei parallele Alben veröffentlichen („Human Touch“, „Lucky Town“, 1992). Die Frage ist auch, warum Guns N’Roses nicht einfach ein Doppelalbum herausbrachten (vielleicht, weil das Doppelalbum in den 1990ern vom Aussterben bedroht war). Andererseits: Der Größenwahnsinn war genial. Und hat uns Spaß bereitet. Nichts ging über Streitereien auf dem Schulhof, über die Frage, ob „I“ oder „II“ besser ist („II“ selbstverständlich, aber morgen sieht die Sache schon wieder anders aus).

Bis zum Ende ihrer brachialen Tournee 1993 würden  Guns N’Roses als einzige Hardrock-Band der 1980er in dieser Dekade Zeichen setzen, und das, ohne nach den „Illusions“ auch nur ein einziges weiteres Album mit Eigenkompositionen herauszubringen. Im Kontrast zu Grunge-Bands wie Nirvana und Pearl Jam, die inmitten ihrer Blüte standen, eine beachtliche Leistung. Parallel veröffentlichten zwei Vorbilder Rose‘ ihre Alben, die weit weniger clownesk ausfielen, als zu befürchten war: Ozzy Osbourne mit „No More Tears“ und Alice Cooper mit „Hey Stoopid“ – er sang auch beim „Use Your Illusion I“-Track „The Garden“ mit.

23. September: Primal Scream – „Screamadelica“

Das dritte Album der Schotten könnte neben „Blue Lines“ von Massive Attack das bedeutendste von der Insel sein. House, Madchester, Rave und Psychedelia, kongenial begleitet von Soulsängerin Denise Johnson. So ein Trippy-Feeling versprühten zuletzt die Stone Roses. „Loaded“ und „Come Together“ wiesen auch die Jünglinge von Blur in die Schranken.

23. September: Pixies – „Trompe Le Monde“

Das letzte Pixies-Album erschien im phänomenalen Rock-Herbst 1991, eingezwängt zwischen Pearl Jams „Ten“, „Blood Sugar Sex Magik“ der Red Hot Chili Peppers sowie „Nevermind“, jenem Grunge-Meilenstein, dessen Urheber Nirvana den Überfall-Punk der Pixies verehrten (oder kopierten). Die Idole profitierten davon nicht mehr, „Trompe Le Monde“ wurde ein Flop – und erleichterte dessen Sänger Black Francis den Schritt zur Solokarriere. Dabei vereint die vierte Platte alle Stärken der Band: Präzise Ausbrüche („Planet of Sound“), humoristischer Zugang zu Sexprotzgehabe („Alec Eiffel“), Schmoren des Nerds im eigenen Saft („U-Mass“) und die Hoffnung auf eine erleuchtende Begegnung mit Außerirdischen, auch wenn man dabei draufgeht: „Motorway To Roswell“. „Extinction!“, brüllte Francis in „The Sad Punk“, vielleicht wollte er damit bereits die eigene Truppe beerdigen. Es gibt auch etwas anderes, das man schreien sollte: „Trompe Le Monde“ war so groß wie „Nevermind“!

23. September: Bryan Adams – „Waking Up The Neighbours“

Auf dem Cover trug er noch seine 80er-Jeans-Jacke, aber danach wurde er zum „Armani-Rocker“. Allein wegen des absurd erfolgreichen Robin-Hood-Songs. 16 Wochen in England auf der Eins. Von Juni bis Oktober. Im Frühling. Im Sommer. Im Herbst. Welche Menschen bevölkerten damals diese Länder-Formation Vereintes Königreich auf dem Planeten Erde? Sieben Singles insgesamt aus einem Album, dessen Erfolg keiner hätte prognostizieren können. 1991: kein Entkommen im Radio vor Bryan Adams.

24. September: Soundgarden – „Badmotorfinger“

Soundgarden machen das Grunge-Triumvirat um Nirvana und Pearl Jam komplett, Singles wie „Jesus Christ Pose“ und „Rusty Cage“ wurden auf MTV gespielt. 1992 gaben sie den Support für Guns N’Roses in Europa. Der große Erfolg – „Superunknown“ – würde natürlich noch kommen.

24. September: Red Hot Chili Peppers – „Blood Sugar Sex Magik“

Der 24. September geht prächtig weiter. Das wichtigste Album der Peppers, mit ihren zwei wichtigsten Songs, „Give It Away“ und dem Heroin-Epos „Under The Bridge“.

24. September:  A Tribe Called Quest – „The Low End Theory“

Vielfach als wichtigstes HipHop-Album des Jahrzehnts, wenn nicht gar überhaupt gefeiert – und das, obwohl es ein Meisterwerk des Minimalismus ist. Rap goes Jazz, dafür wurde der Begriff „Alternative HipHop“ geprägt.

24. September: Nirvana – „Nevermind“

… und das dritte wichtige Album des Tages. Legendär geworden als „jene Platte, die Michael Jackson und ‚Dangerous‘ vom Thron der amerikanischen Charts stieß.“ Die Geburt der Gitarrenmusik der 1990er, zumindest einer ganz bestimmten.

30. September: Simply Red – „Stars“

Etwas weniger Blue Eyed Soul, mehr Softpop: „Something Got Me Started“, „Stars“ und „For Your Babies“ hießen die Hits dieses Albums, das zu Mick Hucknalls erfolgreichstem werden würde – und Simply Red bis zum Ende des Jahrzehnts zu einer der größten britischen Bands machte.

02. Oktober: Prince and the New Power Generation – „Diamonds and Pearls“

Dass Prince und Michael Jackson ab Ende der 1980er-Jahre Probleme mit HipHop hatten, mit der Richtung wenig anzufangen wussten, ist bekannt. Die Versuche, den Stil einzubringen („Jughead“, „Push“) waren schon ein wenig albern, aber auch die Vorsicht in Popsongs wie „Cream“ oder „Diamonds and Pearls“ dokumentiert den etwas angestrengt wirkenden Versuch, alles richtig zu machen, um den Superstar-Status auch im neuen Jahrzehnt nicht zu gefährden. „Cream“ würde tatsächlich seine letzte Nummer eins in Amerika sein.

14. Oktober: Sonic Youth – „Hold That Tiger“

Live aufgenommen im Cabaret Metro in Chicago, ein Dokument der „Sister“-Tour. Alles noch schneller als im Studio, versteht sich. Lieder ihrer Zeit, wie „Pacific Coast Highway“, dazu ein Zugabenblock, bestehend aus vier Ramones-Songs.

22. Oktober: Neil Young – „Arc/Weld“

Das Cover mit den stilisierten, gigantischen Lautsprecher-Türmen sagt ja schon alles: Dies war Neil Young in seiner Feedback-Collagen-Zeit, abgebildet aber eher noch auf „Arc“. Das Doppelalbum „Weld“ wurde im Rahmen der „Ragged Glory“-Tour angefertigt – angeblich hat Young sich seinen Tinnitus beim Abmischen des Albums abgeholt. Gut, dass der „Godfather of Grunge“ 1991 wenigstens mit einer Liveplatte dabei ist.

22. Oktober: Queen – „Greatest Hits II“

Der Tod Freddie Mercurys hat Anlage und Veröffentlichungstermin der zweiten Best-of natürlich beeinflusst. Diese „Greatest Hits“ sind schon etwas Besonderes. Zum ersten Mal seit „Beatles rot“ und „Beatles blau“ gibt es nun zwei Song-Sammlungen derselben Band, über die Fans sich den Kopf zerbrechen. Welches Album ist besser? Das mit dem Rock („I“) oder das mit dem Pop („II“)? „We will rock you“ oder „Radio Ga-Ga“? „Greatest Hits I“ ist sicher etwas stärker, aber allein um die Klasse von „II“ werden Queen von anderen Bands beneidet.

04. November: Teenage Fanclub – „Bandwagonesque“

Drittes Album der schottischen Pop-Band, das viele für ihr Debüt halten. Für „Spin“ das „Album des Jahres“, noch vor „Nevermind“ von Nirvana. Die leichte Schrammeligkeit würden sie zum Glück noch abstellen, rechtzeitig für ihre folgenden Glanzstücke „Thirteen“ und „Grand Prix“.

04. November: My Bloody Valentine – „Loveless“

Der Herbst wird immer besser, oder? Eine viertel Million Pfund hat die irische Band für ihre zweite Platte ausgegeben, die für die folgenden 20 Jahre ihr letztes Lebenszeichen sein würde. Kevin Shields maulte sich durch 19 Studios und war dennoch nicht zufrieden. Manche nennen’s Shoegaze, aber dafür war es viel zu laut und verstörend.

11. November: INXS – „Live Baby Live“

Zwischen 1987 und 1990 waren INXS eine der größten Bands der Welt. Die Alben „Kick“ und „X“ mit Hits wie „Need You Tonight“ und „Suicide Blonde“ schoben die Australier, die seit Anfang der 1980er in ihrer Heimat gefeiert wurden, ins internationale Rampenlicht. Dieses Live-Album dokumentiert die Manie um Michael Hutchence, der mit „Welcome To Wherever You Are“ 1992 sein Meisterstück erst noch abliefern würde. Aber da ging es mit INXS, in den Charts, schon bergab.

14. November: Genesis – „We Can’t Dance“

Wir sind fast am Ende dieser wunderbaren Liste angelangt, jetzt müssen Sie noch einmal stark sein (danach kommen U2 und Michael Jackson, also alles halb so wild). Dieses Genesis-Album war in Deutschland spektakulär erfolgreich, vielleicht war nur Grönemeyers „Mensch“ erfolgreicher. So erfolgreich, dass ein deutsches Auto nach Genesis benannt wurde, und die Leute in den Büroetagen den Genesis-Dreischritt einstudierten. Es würde auch das bis heute letzte Band-Werk mit Phil Collins sein. Es ist auch nicht so schlecht, wie es immer dargestellt wird. Es gibt einen Song über Missbrauch im Elternhaus, einen über Collins‘ Unbeweglichkeit (er sah es voraus), und einen über linkische TV-Priester.

14. November: 2Pac – „2Pacalypse Now“

Shakur galt als der bedeutendste Rapper seiner Generation, sein gewaltsamer Tod 1996 hat ihn in den Stand eines Heiligen erhoben. Dies ist sein Debüt, ein mäßiger Erfolg. Der damalige Vizepräsident Dan Quayle hätte das Album gerne verbieten lassen, da ein Polizistenmörder sich auf die Texte 2Pacs berief.

19. November: U2 – „Achtung Baby“

Es kommt selten vor, dass eine Band ihr eindeutiges Meisterwerk veröffentlicht, sich deren Sänger dann eine Bühnenpersönlichkeit mit Stubenfliegenbrille ausdenkt, weil er gelangweilt ist von sich selbst – und dann mit den Kollegen eine Platte herausbringt, die ein noch eindeutigeres Meisterwerk darstellt. Genau das ist U2 mit „Achtung Baby“ gelungen, das vier Jahre später „The Joshua Tree“ übertrumpfte. Bono sang nie besser, Edge spielte nie besser Gitarre, und Larry und Adam spielten einen reduzierten Funk, der nicht für möglich gehalten wurde. Alles hätte schief laufen müssen. Aber sie haben alles, alles richtig gemacht.

26. November: Michael Jackson – „Dangerous“

Das sicher teuerste, bis auf die letzte Tonspur marktgerecht kalkulierte und am massivsten beworbene Album also fast ganz am Schluss des Jahres. Die Trennung von Produzent Quincy Jones und die Hinwendung zum New Jack Swing kam sicher ein Jahr zu spät. Was Jackson aber wirklich fehlte, war ein Knüller wie „Billie Jean“ oder selbst „Bad“. Ab „Dangerous“ begann seine Phase der hinter verzweifeltem Optimismus verborgenen, in Wirklichkeit selbstmitleidigen Abrechnung mit Kritikern, dafür steht „Black Or White“ exemplarisch.

10. Dezember: Soundtrack – „Until The End Of The World“

Wenn Wim winkt, kommen sie alle: mal wieder großartig besetzter Soundtrack eines mal wieder unfassbar langweiligen Wenders-Werks. Den Titelsong brachten U2 in einer leicht abgeänderten Version auf „Achtung Baby“ unter. Angeblich haben alle anderen, Lou Reed, Costello, Patti Smith oder etwa R.E.M. ihre Lieder exklusiv für den Score aufgenommen. Darunter mit „Sax and Violins“ den letzten Song, den die Talking Heads veröffentlichen würden. Höhepunkt ist „Death’s Door“ von Depeche Mode, ihre erste Aufnahme seit den „Violator“-Stücken und eine bedrückende, von Martin Gore gesungene Gospel-Ballade.

Datum unbekannt: Sampler – „Krauts With Attitude“

Der erste HipHop-Sampler mit deutschen Künstlern, von den 15 Acts rappten aber nur drei auf Deutsch. Immerhin, die Bewegung wurde erkannt. Fanta 4 sind dabei, auch Germ und die Dub Invaders. Wer erinnert sich noch an Mentally Black Alliance?

Datum unbekannt: Blumfeld – „Ghettowelt“

Die Debütsingle der nicht nur wichtigsten Band der Hamburger Schule, sondern auch der wichtigsten deutschen Band der 1990er-Jahre. Vorbote des Albums „Ich-Maschine“. Welche Zeile ist besser: „Wenn Du leben willst, komm mit mir“ aus dem „Terminator“, oder „Dann bist Du selbst kein Kind mehr, und keine Frau, bloß Mutter“?

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