Comics und Cartoons gegen den Corona-Kater
Wahnwitzige Wissenschaft in sarkastischen Comic-Guckkästen, eine clevere Roald-Dahl-Adaption und die Erfindung des „Furry Porn“.
Zerstreute Wissenschaft: „Abteilung für irre Theorien“ von Tom Gauld (Edition Moderne)
Die Cartoons von Tom Gauld, die in vielen der größten Zeitungen und Zeitschriften erscheinen, wirken zunächst reichlich witzlos.
Der schottische Zeichner ist ein Minimalist, seine manchmal nur aus einem Panel bestehenden Guckkästen und lebendigen Infografiken bürsten eine Welt gegen den Strich, die sich auf die geradezu religiöse Kraft von Fakten als einziger Erkenntnisquelle festgelegt hat. Die sind aber nicht ohne einen Wissenschaftsbetrieb zu haben, der reichlich chaotisch, widersprüchlich und eben elitär ist.
Gauld fühlt sich in dieser intellektuellen Elfenbeinturmwelt zuhause (zuletzt erschien hierzulande seine spöttische Abrechnung mit dem Literaturbetrieb: „Kochen mit Kafka“) und hält ihr gnadenlos bissig den Spiegel vor. Beispiel gefällig? Frau Professorin kommt in die Hölle. Der Teufel begrüßt sie mit einem Gast: „Das hier ist Toni, er hat im Internet mal was über ihr Spezialgebiet gelesen und wird sie jetzt bis in alle Ewigkeit darüber belehren.“
In einer Disziplin, die von Sparzwängen der Printmedien ebenso bedroht ist wie von einem von Ambivalenzen zunehmend irritierten oder gar abgestoßenem akademischen Publikum ist Gauld einer der letzten großen Meister der klaren Worte und Bilder.
Ein Glück gibt’s Oma: „Hexen hexen“ von Pénélope Bagieu (Reprodukt)
Roald Dahl und Comics? Fehlanzeige. Da gibt es im Grunde nichts. Das liegt am der sehr wachsamen Nachlassverwaltung des großen, vielleicht sogar größten Kinderbuchautors, der freilich auch Erwachsene mit cleveren Kurzgeschichten zu unterhalten vermochte.
Die ikonischen Illustrationen zu seinen Romanen für aufgeweckte Kleine wie „Charlie und die Schokoladenfabrik“ und „BFG“, die zum großen Teil auch (oft sehr originell) verfilmt wurden, könnten dem aber auch entgegenstehen. Würde eine Comic-Fassung doch sofort gegen den simpel anmutenden Feinstrich von Quentin Blake antreten müssen.
Die Zeichnerin Pénélope Bagieu durfte sich nun als eine der ersten an eine Graphic Novel wagen. Sie wählte die herrliche Groteske „Hexen hexen“. Ein Zirkel von abstoßend hässlichen Zauberinnen, die sich mit kratziger Perrücke und juckendem Make-Up als Menschen verkleiden, beschließt in einem Hotel aus Hass gegenüber stinkenden Bälgern eine Art Infantizid. Zufälligerweise treibt es hier auch den jungen Helden mit seiner Großmutter hin, nachdem die Eltern bei einem Autounfall verstorben sind. Starker Tobak? Nur eine flotte 7/10 auf der Skurilitätsskala Dahls.
Der absurde, auch düstere Stoff wurde bereits kongenial von Nicolas Roeg auf die Leinwand gebracht. Bagieu zitiert den Film vorsichtig, hält sich aber größtenteils in ihrem erzählerisch leichtfüßigen Mammutwerk mit 300 Seiten an das leicht divergierende Dahl-Original.
Ihr strahlendbunter, hibbeliger Comic-Roman ist auch eine zärtliche Verneigung vor einer rüstigen, aber auch etwas tüdeligen alten Dame, die ihren Enkel über alles liebt und mit ihm in den Kampf gegen mörderische Hexen zieht. Eine etwas andere Fortsetzung ihrer cleveren, unbedingt lesenswerten Frauenbiographien: „Unerschrocken“.
Sexy Cat Content: „Omaha“ von Reed Waller und Kate Worley (Schreiber&Leser)
Dieser Band markiert den Startschuss für die Gesamtausgabe einer Reihe, die einstmals den mittlerweile wieder hochsiedenden Trend zu „Furry Comics“ mitbegründete – und mit deftiger Erotik unterfütterte. Hier haben Katzen Geschlechtsverkehr, und das nicht zu knapp. Die Darstellung ist konsequent pornographisch, wenn auch in der Ausstufung über die Jahre der Entstehung unterschiedlich explizit.
Sittenwächter liefen Sturm gegen die Geschichte eines Models namens Susan „Susie“ Jensen, die sich zur Stiptease-Tänzerin „Omaha“ mausert. Ein in der Stadt erlassenes Gesetz gegen Obszönitäten steht dem aber entgegen und lässt die unerschrockene, verführerisch auftretende Katzendame zunächst arbeitslos werden, bevor sie in einen Geheimclub und zwischen die Fronten einiger (geld-)geiler Kater gerät.
Der für heutige Maßstäbe etwas graumelierte feministische Anspruch ist hier vor allem die Sehnsucht nach Freiheit und Selbstbestimmung. Die Geschichten pendeln zwischen Slapstick und Thriller, münden oft in den lauwarmen Gewässern einer Seifenoper. Viele Love-Mangas tendieren in eine ähnliche Richtung, verschweigen aber gerne die Abgründe gesellschaftlicher Verhältnisse, die dem Glück der Protagonisten im Weg stehen. Nicht so „Omaha“.
Apropos Katzen: Viel eint „Omaha“ nicht mit Robert Crumbs zynischem, verschlagenem „Fritz The Cat“. Stattdessen geht es hier vor allem um Zusammenhalt und eine Erzählhaltung, die Leserin und Leser mit Wärme empfängt. Auch der Sex ist hier in der Regel einfach das, was Liebende oder Lustsuchende eben tun, um glücklich zu bleiben. Dennoch teilen Worley und Waller die Vorstellung Crumbs, mit allen Mitteln gegen Prüderie und normative Grenzen anzukämpfen.
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