Produktionsdesigner LeRoy Bennett im Interview: „Prince durfte keinen Stromschlag erleiden!“
LeRoy Bennett ist Licht- und Produktionsdesigner, arbeitete mit Prince zwischen 1980 und 1994 zusammen, er gestaltete mit ihm die legendären Bühnenshows zu „Sign O' The Times“ oder „Lovesexy“. Ein Gespräch über tödliche Plasmalampen, subtile Prince-Mimik und „Squirrel Meat“
LeRoy Bennett zeichnete zwischen 1980 und 1994 für Produktion und Lichtdesign der Prince-Tourneen verantwortlich, darunter den Live-Meilensteinen der „Sign O‘ The Times“- und „Lovesexy“-Konzertreisen. Er gilt als Meister seines Fachs, betreute in den vergangenen 40 Jahren u.a. Auftritte von Lady Gaga, Paul McCartney, Beyonce, Rammstein, David Bowie, George Michael, Slayer als auch die Umsetzung der MTV Video Music Awards und der Halbzeit-Shows des Super Bowl.
Mr. Bennett, wie entstand das Live-Konzept für „Sign O‘ The Times“ – die Las-Vegas-Bühne, die Plasmakugeln, die Billboards, das Schlagzeug auf der Kühlerhaube?
Prince‘ Ideen und Beschreibungen waren oft abstrakt. Im Fall von „Sign O‘ The Times“ schlug er etwas vor, das er bei den voran gegangenen Tourneen, etwa zu „Parade“ und „Purple Rain“, nicht tat oder tun konnte: das Albumcover als Bühne umzusetzen. Vieles war also vor Konzeptionsbeginn schon vorhanden. Der Coverhintergrund entstand nicht am Computer, er wurde aufgebaut, in Minneapolis im Chanhassen Dinner Theatre, einem Veranstaltungssaal. Ich denke, das Plattencover, wie auch die Bühne waren für Prince so etwas wie ein Security Blanket, ein Sicherheitsnetz.
Was meinen Sie damit?
Er verbaute darin Ideen, die sich über die Jahre angesammelt hatten und ihm gut taten. Den Pierrot hatte er ja schon bei den „Purple Rain“-Shows, nun kam also der Pontiac dazu, auf dem das Drumset thronte.
Zu Beginn des Konzerts herrschte schwaches Licht. Es standen nur Prince, seine Tänzerin Cat sowie Keyboarder Dr. Fink auf der Bühne. Am Ende des „Sign O‘ The Times“-Songs kamen dann alle anderen Musiker hinzu, mit umgeschnallten Trommeln. Wie entstand diese Idee?
Prince und mir war stets klar, dass wir eine Dynamik inszenieren wollten. Ein Momentum schaffen, nicht gleich alles sofort zeigen. Keine frontalen Lichter. Dem Publikum immer nur ein klein wenig zeigen, dann ein klein wenig mehr. Die Live-Ära der späten 1980er ging eigentlich in eine andere Richtung: The bigger the better. Das hatte uns nicht interessiert. Uns war klar, dass es den Leuten schon ausreichte, Prince zu sehen. Bei ihm zu sein. Erst ab Song zwei, „Play In The Sunshine“, sollte die volle Show, die Bühne, im Blick sein.
War es eine Herausforderung diese Wow-Effekte herbeizuführen?
Nein, gar nicht. Man spricht in solchen Fällen von Zurückhaltung (lacht). Diese Dynamik muss man beherrschen lernen, natürlich. Es ist völlig normal, dass zunächst ein anderes Gefühl vorherrschend ist: dass bereits der erste Show-Moment einen gigantischen Eindruck hinterlassen müsse. Aber das sahen wir anders.
Was faszinierte Prince an den Plasmakugeln, den Blitze verschießenden „Crystal Balls“?
Sie waren damals einfach in Mode. Sie waren quasi die neue Lava-Lampe, für Kinder der 1980er. Prince und mir gefiel diese Technologie, man konnte sie sich schön ins Schlafzimmer stellen. Oder in den Club. Sie wissen ja, dass Prince sein Album ursprünglich „Crystal Ball“ nennen wollte. Dabei konzipierte ich eine Plasmakugel mit einem weit größeren Umfang.
Oh!
Keine Hellseher-Kugeln mehr. Keine 25 Zentimeter im Durchmesser mehr – sondern zweieinhalb Meter! Das ließ sich jedoch nicht umsetzen. Vereinfacht gesagt: Die Entladungen dieser Plasmalampe, also der Strom, wäre derart stark gewesen, dass jegliche Technik – und damit meine ich jegliche Technik innerhalb der Konzerthalle – zum Erliegen gekommen wäre. Der Hochfrequenz-Spannung hätte nichts standgehalten. Es handelt sich um Verschiebungsstrom, der ein leitendes Objekt sucht. Das heißt, wenn Sie ihre Hand auf die Kugel legen, sucht der Strom ihre Hand, und Sie erden den Strom. Daher der schöne Effekt, dass sich die Blitze innerhalb der Kugeln in ihrer aufgelegten Hand bündeln. Bei einer Riesenkugel wäre die Spannung einfach zu groß gewesen. Wir hätten Prince auf eine Gummimatte stellen müssen, damit er sich nicht augenblicklich in einen Staubhaufen verwandelt. Einen Stromschlag erleidet.
Aber Sie sind sich schon im Klaren darüber, dass Sie Prince-Fans, die sich danach die Plasmalampen kauften, hereingelegt haben? Der Strom macht gar keine Geräusche!
(lacht). Ja. Die Bühnen-Magie!
Gab es andere Ideen, die sich nicht umsetzen ließen?
Nicht, dass ich wüsste. Prince bat mich, Ideen seines Covers umzusetzen, und das funktionierte. Mir gefiel die Neon-Beleuchtung der Bühnen-Schilder am besten, aber auch diejenigen, die an den kleinen Fenstern der Häuserfassaden angebracht waren. Für mich war das eine Tournee, bei der die Bühnenelemente wie ein ganz eigener, lebendiger Show-Charakter eingesetzt wurden. Das Glasherz, auf dem sich Prince und seine Tänzerin Cat zu „If I Was Your Girlfriend“ betten, war auch ein Vorschlag von ihm, den ich gerne umsetzte.
Dazu gab es die Käfige unter dem Schlagzeug und der Bühne – die wurden nur für Tanzsequenz in „Hot Thing“ genutzt, richtig?
Im „Sign O‘ The Times“-Film sind sie recht deutlich zu sehen, aber wir fanden heraus, dass sie für große Teile des Publikums auch bei guter Beleuchtung nicht optimal einzusehen sind. Am ehesten noch von den Leuten in den ersten paar Reihen. Dieser Bühnenbereich ergab für Konzertsituationen leider weniger Sinn.
Fans des Kinofilms schwärmen von dem Orgel-Licht in „Hot Thing“, das nur dann anging, wenn Prince in die Tasten schlug.
Ach, das war nur eine Midi-Verbindung. Das Instrument war verbunden mit dem Licht. Für jeden Effekt gibt es ganz einfache technische Ursachen (lacht)!
Die Billboards auf der Bühne verhießen eine Las-Vegas-Welt voller Freuden.
Einige der Schildbeschriftungen stammten von mir, andere, wie „Love“ und „Sex“ und „Squirrel Meat“ von Prince.
„Squirrel Meat“ – „Eichhörnchenfleisch“. Was faszinierte ihn so an diesem Wort, das er während seiner Konzerte als eine Art Kommando seinen Musikern zurief?
Es ging ihm da wahrscheinlich rein um den Sprachsound. Es bereitete ihm einfach Spaß. Ich sag mal: „When a Squirrel gets hit by the car on the street – that‘s squirrel meat.“
Wissen Sie, wo die Prince-Bühnen heute gelagert sind?
Nein, ich habe die Nachlassverwalter, den „Prince Estate“, nie danach gefragt. Die einzelnen Elemente lagern sicher in Hallen, oder das, was von ihnen übrig ist. Soweit ich weiß, wurde einiges auch zerstört, weil die Lagermiete zu hoch gewesen wäre.
Hat Prince jemals gesagt, welche seiner Bühnenshows ihm am besten gefiel?
Nein, zumindest nicht mir gegenüber. Ich weiß nur, dass er so lange an den Konzepten mitfeilte, bis ihm die Produktion zu einhundert Prozent gefiel. Er ging also nie mit dem Gefühl auf Tournee, dass etwas hätte besser laufen können.
Die „Lovesexy“-Tour setzte sogar noch einen drauf: eine Rundbühne, für 1988 noch ungewöhnlich.
Das war eine der ersten ihrer Art, und sehr, sehr schwer umzusetzen.
Das Konzert aus Dortmund wurde später veröffentlicht, im Netz finden sich aus Atlanta, Toronto oder Pittsburgh, die die Rundbühne aus anderen Winkeln zeigen. Trotzdem funktionierte die Beleuchtung aus jeder Sicht wie beabsichtigt, jeder Zuschauer sah also dieselben Farben, Helligkeiten und Dunkelheiten. Wie stellt man diesen 3D-Effekt bei Rundbühnen-Shows her?
Silhouetten und Hintergrundbeleuchtungen entfallen in der Regel, sobald eine Bühne von allen Seiten einsehbar ist. Zumindest sind Silhouetten für alle Musiker nicht gleichzeitig herzustellen. Außerdem gab es quasi keinen Bereich hinter der Bühne. Dieser Bereich, in dem überwiegende Teile der Technik verstaut sind, befanden sich nun im Mittelpunkt der Bühne. Alles ging also vom Zentrum in alle Richtungen nach draußen.
Ich sah das zweite Konzert in Hamburg. Die Bühne stand im Millerntor-Stadion, wie leider bei einigen „Lovesexy“-Gigs nicht in der Mitte des Rasens, sondern am Rand. Mussten Sie die Bühne für solche Fälle umbauen?
Nein, wir benutzten tatsächlich dieselbe Bühne. Auswirkungen hatte das natürlich auf die Bewegungen von Prince und seinen Musikern, die eine andere Choreografie einstudieren mussten als bei einem Konzert, das sie komplett von Publikum umgibt. Sonst hätten ja zum Beispiel Prince als Tänzer oder sein Gitarrist oder Saxofonist in den Backstagebereich hineingespielt. Alles blickte und spielte in eine Richtung.
Viele Elemente, wie die Applikationen auf dem „Lovesexy“-Bühnendach oder Skizzen auf dem Bühnenboden, wurden nie eingefangen, auch nicht im legendären „Live in Dortmund“-Video.
Nun, das Problem vieler Mitschnitte fürs Fernsehen besteht halt darin, dass die Verantwortlichen mit ihren eigenen Leuten arbeiten wollen. Sie bringen ihren eigenen Regisseur mit, der naturgemäß mit Details einer Show weniger vertraut ist. Die Regisseure interessieren sich immer nur für das Eine: Nahaufnahmen. Nahaufnahmen der Gesichter. Immer nur Beauty Shots. Das ist in Ordnung bei Preisverleihungen oder Musikauftritten im Fernsehen. Aber bei einem Konzertvideo muss alles gezeigt werden, jedes Element und vor allem die Zuschauer. Fernsehleute verstehen das einfach nicht.
Die „Nude Tour“ von 1990 war sichtbar abgespeckt. Kleinere Band, und eine, wie der Titel andeutete, sparsamere Bühnen-Ausstattung.
„Lovesexy“ war teuer, eine extravagante Inszenierung. Bis heute habe ich keine Show dieses Ausmaßes mehr gesehen. Sie war finanziell herausfordernd. Lief gut in Europa, nicht so gut in den USA. Die Rundbühne war so groß, dass weniger Zuschauer in die Arenen passten. Ich glaube, dass „Lovesexy“ auch deshalb in Amerika nicht so gut lief, weil Prince mit „Sign O‘ The Times“ dort nicht tourte. Das hielt ich für bedauerlich. Mit „Lovesexy“ kehrte er nach einer langen Abstinenz zurück auf die Bühnen der Staaten. „Purple Rain“ war 1984 bis 1985, und die „Parade“-Tour 1986 fiel in den USA eher schmal aus. Schon das „Lovesexy“-Cover, auf dem Prince nackt abgebildet ist, verstanden viele Amerikaner nicht, war für sie ein turn-off. „Nude Tour“ war daher ein back to basic. Weniger Theater, mehr Musik. Es hatte natürlich auch Budgetgründe.
Das VHS-Video „Live in Syracuse“, das die „Purple Rain“-Tour abbildete, genießt unter Fans ja auch einen eher zweifelhaften Ruf. In manchen Einstellungen ist gar nichts zu erkennen.
Das Problem begann mit der Location. Wir traten nicht in einer Halle auf, sondern in einem Stadion. Dafür war die Bühne nicht gemacht. Wir mussten uns also plötzlich Vergrößerungen überlegen. Außerdem mussten wir mehr Kameras aufbauen, Fernseh-Kameras für die Verwertung als Homevideo. Die Geräte waren damals natürlich nicht so gut wie heute. Wir benötigten deutlich mehr Spitzlichter um Prince und die Band einzufangen und auszuleuchten. Wer auf Konzerte geht, die mitgeschnitten werden, kennt das, sie sind viel heller als normale Auftritte.
Auf der „Diamonds and Pearls“-Tournee von 1992 dürfte Prince dann einer der ersten Künstler gewesen sein, die auch in kleineren Hallen Videobildschirme aufstellten, die das Geschehen auf der Bühne zeigten.
Er kannte keine Kompromisse. Die Leinwände stellen wir auch in den kleinsten Sälen auf. Ich denke, viele Zuschauer waren einfach froh, ihn dadurch erstmals aus nächster Nähe zu sehen. Man sollte nicht vergessen, dass seine Performance zu großen Teilen auch darin bestand, zu bestimmten Liedern spezielle Gesichtsausdrücke zu zeigen. Die wurden für viele erstmals sichtbar. Subtiles war nun leichter zu erkennen.