The Beatles: Wie die Aufnahmen zu „Let It Be“ zum Fiasko wurden
Die bisherigen Differenzen der Beatles schlugen im Studio in offene Feindseligkeit um. ROLLING STONE rekonstruiert die Entstehung eines Songs, der die Fab Four auf die Probe stellte.
Paul McCartney hatte den gospelnden Soul von Aretha Franklin im Hinterkopf, als er 1968 – während der „White Album“-Sessions – mit dem Schreiben des Songs begann.
Die erste Songzeile – „When I find myself in times of trouble/ Mother Mary comes to me“ – ging auf einen Traum zurück, in dem seine verstorbene Mutter Mary ihm sagte, dass er sich um die Zukunft nicht sorgen solle. „Ich bin mir nicht sicher, ob sie die Worte ‚Let it be‘ benutzte, aber das war die Quintessenz des Traums.“
Die Beatles hatten Probleme in Hülle und Fülle
Einen ganzen Monat lang hatte man vor Filmkameras geprobt und Live-Aufnahmen gemacht, um die Beatles zu ihren Wurzeln als Beat-Band zurückzuführen. (George Martin wurde dabei bewusst aufs Abstellgleis geschoben.)
Tatsächlich aber entpuppten sich die Aufnahmen als Desaster, bei dem die bisherigen Differenzen in offene Feindseligkeit umschlugen. Lennon, der von „Let It Be“ nicht begeistert war, machte seine Scherze über die Ernsthaftigkeit des Songs: „Sollten wir bei dem Solo nicht vielleicht alle kichern?“ Immerhin arbeitete die Band mehrere Tage an dem Song und nahm am 31. Januar 1969 die Basic Tracks im Apple Studio auf.
Nachdem am gleichen Tag auch die Filmaufnahmen abgeschlossen waren, drückte man die gesammelten Bänder Toningenieur Glyn Jones in die Hand, der daraus ein Album herauskristallisieren sollte, für das der Arbeitstitel „Get Back“ vorgesehen war.
Harrison war mit dem „Let It Be“-Solo nicht glücklich, das Lennon ausgesucht hatte. Er nahm ein neues Solo auf und ließ es über die rotierenden Leslie-Lautsprecher der Orgel laufen. Diese Version landete schließlich auf der Single.
Auftritt Phil Spector
Fast ein Jahr nach der ursprünglichen Aufnahme kamen McCartney, Harrison und Starr zusammen, um einige Songs, darunter auch „Let It Be“, endgültig abzuschließen. McCartney nahm Lennons Bass-Track neu auf, Harrison spielte ein weiteres Solo ein (das dann auf der Album-Version erschien), ein Bläsersatz, von Martin arrangiert, wurde hinzugefügt, und Harrison sang neben Paul und Linda die Background-Vocals.
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Nachdem Phil Spector die Lennon-Single „Instant Karma“ produziert hatte, war Lennon von Spectors Arbeit so angetan, dass er und Beatles-Manager Allen Klein ihn baten, die Bänder vom Januar 1969 neu zu bearbeiten. „Man gab ihm die beschissenste Sammlung beschissen klingender Aufnahme mit einem scheußlichen Feeling“, sagte Lennon, „und er schaffte es immerhin, etwas Vernünftiges auf die Beine zu stellen.“ Spector mischte den Titeltrack des Albums neu ab und bekam dafür den Produzenten-Credit. McCartney sollte Spectors Version später als „scheußlich“ bezeichnen.
Glyn Jones betonte, dass er nach wie vor seinen rudimentären Mix bevorzuge – „bevor sich Spector darüber auskotzte“. Spector selbst meinte, dass die Atmosphäre innerhalb der Band „ein Minenfeld“ gewesen sei – und dass er unter diesen Umständen das Beste herausgeholt habe: „Wenn es beschissen ist, wird man es natürlich mir anhängen. Ist es erfolgreich, waren es die Beatles.“
„Let It Be“ wurde am 11. März 1970 veröffentlicht. Einen Monat später, am 10. April, nahm McCartney die Veröffentlichung seines ersten Solo-Albums zum Anlass, das endgültige Ende der Beatles zu verkünden.
Auf dem Album: „Let It Be“ und „Past Masters“. Aufgenommen: 25., 26. und 31. Januar, 30. April 1969, 4. Januar 1970. Veröffentlicht: 6. März 1970.