Tame Impala
The Slow Rush
Großpsychedeliker Kevin Parker richtet sich mit Club-Progrock im Stadion ein
Als Kevin Parker 2010 mit dem ersten Tame-Impala-Album auf der Szene erschien, hätte sicher niemand gedacht, dass der Australier das Ende des Jahrzehnts als einer der größten Musiker im aktuellen Pop beenden würde. Sogar Mariah Carey, Kanye und Rihanna sind Fans.
Angesichts des nun vierten Albums lässt sich diese Entwicklung auch kaum noch nachvollziehen. Live, mit einigen Kumpels zur Band verstärkt, sehen Tame Impala zumindest ungefähr wie das letzte Rock-Outfit aus, das Riesenfestivals wie das Coachella headlinen kann. Im Studio, wo Parker alle Instrumente, Stimmen, Beats und sämtliche Elektronik selbst einspielt, bleibt heute fast nichts mehr von dem massiv aufgemöbelten, psychedelischen Rock der Spätsechziger, aus dem er kam. Das galt eigentlich schon für „Currents“ (2015), das klang, als surfe Parker auf der Effektgitarre unter einer Riesenwelle aktueller Club-Elektronik.
„Slow Rush“ wirkt dagegen ein wenig wie der gischtige Auslauf zum Strand. Melodisch und harmonisch scheint Parker hier noch tiefer – „Lost In Yesterday“ heißt ein geschmeidiger Spätdisco-Track – in den Siebziger- und Frühachtziger-Kisten gewühlt zu haben. „It Might Be Time“, die im späten Herbst ausgekoppelte Single, zitiert direkt ein Supertramp-Klavier, immer mal denkt man (etwa in „Borderline“) an Stadionnummern von Yes oder Survivor. Es gibt viel Mellotron-Sämigkeit, und die ultrapedalisierte Gitarre entziffert man nur selten wie in der Breitseite von „One More Hour“.
Oft hört man eine seltsam gelungene Verbindung zum Soul der Ära, vom psychedelischen der Siebziger („Instant Destiny“) zum Disco-Funk der nächsten Dekade („Breathe Deeper“, „Is It True“), dem er seinen effektvoll verschwurbelten Drogenpomp aufdrückt. Im soulvollen, mitunter etwas zu süßlichen Gesang erinnert er – auch wegen einer gewissen metaphysischen Wehleidigkeit – an The Weeknd. Es sind natürlich die Beats, massig aufgepumpte HipHop- und Club-Grooves, die dem Retro-Strickwerk die besondere Note geben.
In diesem konzeptuell nach wie vor interessanten Schwall aus Eindrücken vermisst man nur ein wenig die zündenden Hooks und die melodische Originalität. „Slow Rush“ klingt etwas zu effektbewusst ausgedacht und auf Größe angelegt.