Temples im Interview: „Gitarrenmusik-Revivals kommen wie aus dem Nichts“
Mit „Hot Motion“ erscheint das dritte Album der britischen Retro-Band. Im Interview mit ROLLING STONE gehen Temples lakonisch selbstbewusst auf Distanz zur ewigen Rock-Nostalgie.
Von Noel Gallagher bekamen Temples 2013 das Prädikat „beste neue Band im Vereinigten Königreich“ verliehen. Mit ihrem Debüt „Sun Structures“ und der Single „Shelter Song“ positionierten sich die Engländer damals optisch und klanglich zwischen T. Rex, The Byrds und Tame Impala – und versprühten dabei viel Sixties-Psychedelic-Pop und Glam-Rock. Doch von britischer Retromanie will das Quartett aus Kettering nichts wissen, es schaut nach vorne.
Jetzt haben Temples ihr drittes Album „Hot Motion“ veröffentlicht. Am heißesten Tag des Jahres im Juli traf ROLLING STONE die Band um Sänger James Bagshaw, Bassist Thomas Walmsley und Gitarrist Adam Smith zum Interview. Dabei drehte sich alles um die Frage, wie es einer männlichen Rockband in diesen Tagen ergeht.
Der Titel-Track eröffnet euer neues Album „Hot Motion“. Mit sechs Minuten eine sehr lange erste Single – ein mutiger Zug heutzutage.
Thomas: Es ist wahrscheinlich Zufall, dass er sechs Minuten lang ist und das Album damit beginnt, aber als wir an der Platte arbeiteten, gab uns der Song die Richtung vor, in die wir „Hot Motion“ gestalten sollten. Und einige wichtige Sound-Grundsteine, die das Album geformt haben, sind auf der Single zu hören.
Der Sound des Albums weist einige prägnante Elemente auf: Es gibt viel Fuzz, Funk und diesen Rhythmus, den man stark mit den Samplings und Drum-Machines der Beastie Boys vergleichen kann.
James: Die Stimmung des Schlagzeugs ist und war für uns sowieso immer sehr wichtig. Die Drums waren ein unheimlich entscheidender Impuls für die Klangfarbe des Albums. Wir wollten zwar auf eine Weise mit feinfühligem Einsatz bestimmten Dingen huldigen, die zunächst wie Drumloops anmuten, dann aber einen Song darum bauen und diesen aus seiner Musikalität heraus entwickeln.
Wie hat sich dieser deutlich dunklere, schwere Sound von „Hot Motion“ entwickelt?
Thomas: Es hat sich einfach herausgebildet, dass einige Dinge komplexer sind, aber der harte Back-Beat auf vielen der Songs hämmert schon ziemlich und hat ein stampfendes Feeling. Ich denke, das führt den Songs Energie zu und ergänzt sie um eben diesen schweren Sound.
Von „Shelter Song“ zu „Monuments“: Wie hat sich euer Ansatz zwischen den drei Alben verändert, den Sound der Band im Studio einzufangen?
Adam: Es geht ums Entdecken. Es gibt nie diese eine Sache, die wir auf dem jeweiligen Album machen und dann den Sound dominiert. Die Beziehung zwischen Bass und Schlagzeug ist immer wichtig und wie man daraus auf einen ganzen Song hinarbeitet. Es waren oft die spontanen Entscheidungen im Studio, die letztlich gewisse Aspekte auf der Aufnahme bestimmt haben. Die zwölfsaitige Gitarre war zum Beispiel ein großer Faktor. Und auf dieser Platte ging es vor allem auch darum, ein Element zu haben, das die Lo-Fi- mit der Hi-Fi-Welt zusammenbringt – einen cleanen, jazzigen Fünfziger-Gitarrensound mit einer rauen, schmutzigen Glam-Rock-Gitarre zu verknüpfen. Damals in den Fünfzigerjahren gab es einfach nicht die nötige Technologie oder passenden Fuzz-Pedals dafür. Das waren eben Dinge, die wir bisher noch nicht zusammen ergründet haben.
Was ist denn der wichtigste Aspekt, um nicht „alt“ zu klingen, während man all diese Gitarrensounds von früher benutzt?
Thomas: Elemente aus verschiedenen Inspirationsquellen verwenden und diese dann zu seinem Original machen. Das ist es nun einmal, was wir machen. Es ist leicht, sich bei Songwritern zu bedienen, die eine ähnliche Denkweise haben. Gleichzeitig ist es aber auch sehr vertrackt. Man muss äußerst sorgfältig und gewissenhaft versuchen, ein authentisches Album zu erschaffen, das auf natürliche Weise unterschiedliche Mischungen einordnet, von älteren Einflüssen bis zu den Dingen, die dich jetzt beeinflussen – und eine Platte zu machen, die das widerspiegelt.
Was kann das Publikum also von euch als Rockband 2019 erwarten?
James: Das hängt vom Publikum ab.
Was wollt ihr von den Zuschauern? Sie zum Tanzen bringen?
James: Nicht zwingend sie zum Tanzen z ubringen, aber sie zu beschäftigen. Man weiß einfach, wenn eine besondere Spannung im Raum liegt und das macht es zu einer ungezwungeneren Show.
Welche aktuellen Bands sind für euch gute Live-Acts?
James: Vor ein paar Jahren habe ich Beck live gesehen. Und ich habe noch nie so einen guten Live-Sound gehört. Für mich ist es sehr schwierig, Livemusik zu genießen, weil ich immer auf den Mix höre und all die Dinge, die außenherum passieren. Aber als ich Beck gesehen habe – und er hatte wirklich einige fantastische Perioden in seiner Karriere – dachte ich mir: Er und seine Band können wirklich spielen! Man konnte jede einzelne Note und jeden Beat fühlen. Das war schon ziemlich inspirierend…
Fristen heutzutage Gitarrenmusiker wie Beck, The Raconteurs oder auch Temples zunehmend eine Art Nischendasein im Musikgeschäft?
Adam: Schwer zu sagen, was um die Ecke passieren wird. Diese Gitarrenmusik-Revivals scheinen ja immer aus dem Nichts zu kommen. Vielleicht haben wir Glück und sind dann oben auf dem Wellenkamm, wer weiß …
Thomas: Es lässt sich ganz gut an der Randzone aushalten. Es ist angenehmer an der Schneide zu sein als komplett im Rampenlicht – wir sind noch immer eine Art Underdog.
James: Es ist schön zu wissen, dass wir eine Platte gemacht haben, die dieses Genre – nennen wir es Gitarrenmusik – verkörpert, aber ohne den Druck es so machen zu müssen, mit dem man als „Mainstreamband“ abliefern müsste. Wir sind völlig altmodisch zu unseren Ursprüngen zurückgekehrt und das macht uns glücklich, weil wir ein Album aufgenommen haben, das wirklich genau das Album ist, mit dem wir als Band Spaß haben.
Was ist die Essenz von „Hot Motion“?
James: Es ist kein Einheitsbrei, ein Album ohne Kompromisse. Es ist eine Aufnahme mit echter Persönlichkeit von vorne bis hinten. Und es zeigt unseren Charakter.
Adam: Es ist eine Platte mit mehr Haltung und es ist eine ehrliche Platte.
Thomas: Es ist die energievollste Musik, die wir bis jetzt aufgenommen haben – etwas sehr Großartiges, das Teil unseres Sounds ist und auf das wir uns berufen können.
Der „Guardian“ schreibt über euer neues Album: „Eine unterhaltsame, haarige Antwort auf die Frage, wie ELO geklungen hätten, wären sie von Joe Meek produziert worden.“ Sind lange Haare bei Rockmusikern immer noch ein Statement oder nur noch ein Relikt vergangener Zeiten?
Thomas: Das ist eine sehr Sechziger-zentrierte Kritik der Musik und begreift nicht das Wesentliche des Albums. In den Sechzigerjahren war es ein Statement, wenn Männer lange Haare trugen, aber heute haben viele lange Haare.
Aber auf gewisse Weise ist es schon eine Referenz, das Wesen aus der Vergangenheit aufleben zu lassen, oder?
Thomas: Ich weiß nicht. Einige der schurkischsten Psychedelic-Garage-Bands hatten gar keine Haare, wie The Monks zum Beispiel. Es bedingt sich nicht.
Adam: Ich schätze schon ja, aber manchmal ist es auch einfach nett, sein Gesicht zu verstecken.
Im Herbst stellt ihr „Hot Motion“ auf Welttournee vor, darunter auch in Deutschland. Was können die Fans von Temples erwarten?
Adam: Ich bin mir nicht ganz sicher, wir haben noch nicht dafür geprobt. (Alle drei lachen)
Mit ihrem aktuellen Album „Hot Motion“ kommen Temples Ende November für drei Konzerte nach Deutschland:
- 26.11.2019 Berlin, Festsaal Kreuzberg
- 28.11.2019 Hamburg, Gruenspan
- 30.11.2019 Köln, Luxor