Stephen King: Die besten Bücher – Plätze 20 bis 11
Stephen King: Alle Romane, Kurzgeschichten und Novellen-Sammlungen im Ranking. Sehen Sie hier die Plätze 20-11.
Stephen King – Das Ranking
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Plätze 81-88
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Plätze 80-71
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Plätze 70-61
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Plätze 60-51
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Plätze 50-41
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Plätze 40-31
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Plätze 30-21
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Plätze 20-11
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Plätze 10-01
20. Desperation (1996, deutsch: „Desperation“) ★★★★
Stephen Kings bestes Buch aus dem Jahr 1996, noch vor „The Green Mile“. „Desperation“ wurde benannt nach einem fiktiven Örtchen auf der U.S. Route 50 in Nevada. Getauft als „Loneliest Road in America“. Was durchaus auch als Marketing-Slogan verwendet worden ist.
Ist religiöser Glaube ein Mittel gegen das Böse? King hat sich immer widersprüchlich zum Thema Gott geäußert. Es scheint bis heute nicht klar, ob er an den alten bärtigen Mann glaubt. Eigentlich sollte man davon ausgehen, schreibt er doch über das Übernatürliche und fast nichts Anderes. In diesem Roman wollte er zum Ausdruck bringen, dass Leidensfähigkeit eine wichtige Eigenschaft ist, um Gottvertrauen herzustellen – und vor allem zu erhalten.
Ex-Suchtkranker und „Jerry Garcia“ der Literaturszene“
Der Schriftsteller Johnny Marinville, als Ex-Suchtkranker und „Jerry Garcia“ der Literaturszene“ in gewisser Weise ein alter ego Kings, übernimmt hier die Funktion des Zynikers, der im Laufe der Ereignisse zum Geläuterten wird. Der echte Gottesgläubige ist der kleine Junge David, der seine Familie an das Minenmonster Tak verliert. Und überzeugt davon ist, dass dies himmlischer Wille war. In der Auseinandersetzung zwischen Rockstar-Autor und bibelfestem Bub entstehen einige der pointiertesten Wortgefechte in diesem Roman.
King nutzt „Desperation“, um viele seiner Standpunkte („Gott, ich hasse Kritiker!“) bis zu Redewendungen („dunkler als eine Wagenladung voller Arschlöcher“) unterzubringen.
Vor allem aber funktioniert „Desperation“ auch als bösartige Parodie auf amerikanische Wüstenkäffer. Eigentlich misstraut jeder jedem. Der örtliche Cop führt sich auf wie ein Diktator. Es ist die Country-Hölle, in der die Leute ausrufen: „Ich bin ein schwerbewaffneter, Eistee-trinkender, bibelfester, unruhestiftender, Clinton-hassender Hurensohn!“
Collie Entragian heißt der Sheriff. Beseelt von Tak. Er begleitet uns leider nicht durch den kompletten Roman. Aber er ist Hauptfigur einer der spannendsten Eröffnungs-Sequenzen Kings. Es muss ein entsetzliches Gefühl sein, wenn man bei einer Verkehrskontrolle angehalten wird und einem erst nach und nach dämmert, dass Urvertrauen in staatliche Autoritätspersonen ein Riesenfehler sein kann.
19. The Tommyknockers (1987, deutsch: „Tommyknockers“) ★★★★
Alle hassen dieses Buch. King am meisten. Er sagt, er sei beim Schreiben so high gewesen, dass er sich kaum an die Arbeit erinnern konnte. Dabei sind seine Schilderungen der Alien-süchtigen mit der gläsernen oder gallertartigen Haut so hinreißend beschrieben, wie es vielleicht nur Süchtige beschreiben könnten. Auf deutsch mehr als 1.000 Seiten! Selbst die Hauptfigur, ein alkoholkranker Dichter, ist eine durch und durch sympathische Person. Retten vor den bösartigen Außerirdischen wird es ihn nicht.
Das gigantische UFO im Wald ausbuddeln
Jim „Gard“ Gardener, der Poet an der Flasche, und Bobbi Anderson, die nach dem Raumschiff lechzende Heimatschriftstellerin, sind Junkies. Eine klassische Zweckgemeinschaft. Sie arbeiten zusammen, und doch nebeneinander her. Haben indifferenten Sex, blicken gemeinsam nach vorn, sich selbst aber nie an, nur ein Ziel vor Augen. Das gigantische UFO im Wald ausbuddeln, über dessen kleinste Spitze Bobbi beim Spazierengehen gestolpert war.
Gardener treiben andere Motive an als die Junkies. Eine Stahlplatte im Kopf macht ihn, ganz im Gegensatz zur übrigen Stadtgemeinschaft, immun gegen die Einflüsterungen im Inneren des Schiffs, die alle zu Außerirdischen machen. Bobbi Anderson bleibt dabei recht blass. Wird mehr und mehr zur Nebenfigur. Womöglich ist auch das nur logische Konsequenz aus einer Erzählung, in der es um Menschen als Werkzeuge geht.
Für King ein Novum, derart linear die Ereignisse auszubreiten
Es ist Kings große Kunst, den Höhepunkt dieser sehr langen Erzählung früh zu offenbaren. Das wird natürlich die Öffnung der UFO-Luke sein, und den Leser gleichzeitig in Erregung zu halten. Für King ein Novum, derart linear die Ereignisse auszubreiten. Aber nun, das Raumschiff ist ja auch riesig, und am Anfang machen auch noch nicht alle Menschen aus Haven bei der Ausgrabung mit.
Der deutsche Buchtitel („Das Monstrum“) ist wieder einmal unsinnig gewählt, geradezu dämlich: Es handelt sich bei den wie Reptilien aussehenden Tommyknockers nicht um klassische „Monstren“, selbst das UFO, das von einem Geist gesteuert zu sein scheint, ist kein Monster. Es handelt sich bei diesen außerirdischen Wesen um technisch entwickelte, aber emotionale recht unterentwickelte, zweckorientierte Wesen: eher einem Erhaltungstrieb folgend, reisen sie durchs All auf der Suche nach Rassen, die sie assimilieren können. Es ist ihre Gefühllosigkeit, ganz im Geiste der Body Snatchers, die sie so bedrohlich macht.
Elendig gekürzter Roman
King würzt die Story mit seinen härtesten politischen Angriffen seit den Endsiebzigern, als er, wie, in „The Dead Zone“ oder „Firestarter“, Nixon, Vietnam-Politik, die Republikaner sowie die staatlichen Geheimdienste attackierte. Hier ist es die Angst vor einem Nuklear-Unfall, vor einem zweiten Tschernobyl („The Tommyknockers“ erschien ein Jahr nach der Reaktorkatastrophe) oder Three Mile Island, die Gardener zur Wut treiben. Nur, dass sein Publikum ihn, den betrunkenen Dichter, nicht für voll nimmt. War Johnny Smith („The Dead Zone“) eine Stimme der Vernunft, ist Gardener ein prügelnder Chaot, der mühelos zwischen Philosophie und Gelall changiert.
Das Buch hat einige Schwächen; nicht alle Episoden aus der Stadt Haven (die, wie so viele King-Kleinstädte, fast nur von schwachen, korrupten oder kaltherzigen Menschen bevölkert und am Ende einfach vom Erdboden gewischt wird) sind der Rede wert. Der fliegende, mörderische Cola-Automat ist recht blöd; Bobbi Andersons höchst misanthropische Schwester, die eine der besten Nebenfiguren seines Schaffens überhaupt zu werden drohte, findet ein schnelles, unrühmliches Ende – einfach schlecht geplottet.
Gardeners Abflug ins All
Auf Bestseller getrimmte Bücher durften damals nie so richtig lang sein. Dieses Schicksal teilten sie bis in die Neunziger auch mit dem Kino, bis „Titanic“ 1997 der erfolgreichste Film aller Zeiten wurde. Leser nicht überfordern, schon klar, etc usw.! Nur so lässt sich – obwohl: nein, nicht wirklich! – verzeihen, dass „The Tommyknockers“ auf deutsch ähnlich gekürzt erschien wie „It“. Womöglich fühlte sich der deutsche Verlag auch dem Druck ausgesetzt, ein King-Buch nach dem anderen pünktlich auf den Markt bringen zu können. Dieser Kürzungs-Wahn hatte dem Leser 1987 aber auch eines der schönsten King-Enden verdorben.
Das Buch schließt in Wirklichkeit nicht mit Gardeners Abflug ins All. Sondern mit den beiden kleinen Brüdern David und Hilly, die sich endlich wieder in die Arme schließen können. Der kleinere Hilly musste zuvor auf Altair 4 ausharren und leiden – ein karger Planet ohne Atmosphäre, auf den die Tommyknockers Problemfall-Menschen schicken, die dort verzweifelt nach Sauerstoff schnappen.
18. „It“ (1986, deutsch: „Es“) ★★★★
Kaum einer hätte nach „The Stand“ und „Shining“ damit gerechnet, dass King sein bis heute populärstes Werk erst noch veröffentlichen würde, in den 1980er-Jahren. Wehmütig, aber auch brutal erzählt er von einer Jugend in den 1950er-Jahren. Der Clown aus der Hölle, Kinderfresser Pennywise, ist eine von Kings berühmtesten Figuren geworden.
Mit dem vor 33 Jahren veröffentlichten Buch wollte King die Ängste seiner Vergangenheit ein für alle mal beerdigen, ironischerweise wird das Buch, nicht zuletzt durch die jüngste Verfilmung, am Leben gehalten wie kein zweites des Horror-Schriftstellers.
Einer der Jungen will den von „Es“ ermordeten kleinen Bruder rächen
„It“ ist wie eine Ray-Bradbury-Kindheit im Blutrausch; mit einem Blick hinter die Fassade kleinbürgerlicher Städte, und Entdeckungen der jungen Menschen, an die kein Erwachsener glauben will. Deshalb müssen die Kids ihr Schicksal in dieser durch und durch verpesteten Stadt (für King war das fiktive Derry Sinnbild alles Schlechten) selbst in die Hand nehmen. Einer der Jungen will den von „Es“ ermordeten kleinen Bruder rächen. Der wollte im Regen mit seinem Papierboot spielen, man fand ihn, einen Arm abgerissen, vor einem Kanalisationsschacht.
Die Faszination an „It“, das in Sonder-Editionen immer wieder neu aufgelegt und in den Kritikerlisten als Höhepunkt in Kings Schaffen bezeichnet wird, ist ungebrochen. Sein bis dahin dickstes Buch, King arbeitete seit 1982 daran, markierte auch das Ende seiner bis dato längsten Roman-Pause (fast zwei Jahre nach „Thinner“), und erschien – wie verantwortungslos müssen die Verantwortlichen eigentlich sein – auf Deutsch um nahezu 500 (!) Seiten gekürzt. Die Jahrzehnte später veröffentlichte komplette Übersetzung brachte es dann auf mehr als 1500 Seiten.
Werwolf, Mumie, Vampir und alles andere auch
Die geniale Betitelung (gibt es einen besseren Titel?) lässt Raum für alle Assoziationen. Was aber machte die Klasse des Buchs aus? Zum einen wollte King sich vom klassischen Horrorroman nach „It“ verabschieden, mehr noch: das letzte Wort haben, deshalb baute er etliche Monster in die Erzählung ein. „It“ ist ein Gestaltwandler: Werwolf, Mumie, Vampir und alles andere auch. Zum anderen beinhaltet das Werk zwei Zeitlinien, 1958 sowie 1985: Das namenlose Wesen verfällt alle 27 Jahren in den Tiefschlaf, erste Spuren des Monsters finden sich in der Chronik Derrys ab dem 14. Jahrhundert. Als Kinder wie als Erwachsene versuchen die sieben Mitglieder des „Klubs der Verlierer“ die Kreatur zu töten. Sie finden ihn in der Kanalisation.
Und die Eltern sind jedesmal hilflos
Am besten sind die Passagen, in denen tatsächlich die Freuden des Sommers beschrieben werden, hier wird King zum Heimatschriftsteller seines geliebten Maines. Das Versteck der Kinder im Wald, die selbst gebauten Dämme, das selbst gekaufte Eis in den Ferien. Der erste Kuss, die Schmetterlinge im Bauch. Obwohl King mit Henry Bowers einen zusätzlichen – menschlichen – Antagonisten ins Spiel bringt, mutet dessen Action und die seiner Gang geradezu humoresk an; wie in einem Katz-und-Maus-Spiel erwischen Bowers und Freunde immer irgendwie einen des „Klubs“ auf der Straße und jagen sie, bis das Blut fließt.
Und die Eltern sind jedesmal hilflos. Gelungen erzählte Kinderfreundschaften haben ihren besonderen Reiz, besonders in den 1980er-Jahren war das Kino voller solcher Geschichten, wie in den „Goonies“ oder „E.T.“. Auch deshalb ist „Es“ heute so beliebt und erschien zum perfekten Zeitpunkt veröffentlicht. Die erste Staffel der Retro-Serie „Stranger Things“ huldigt auch dem Kleinstadt-Gang-King.
Wer auch nur ein wenig Fantasie besitzt, muss sich vor Clowns gruseln, auch diese Assoziationen hat King mit „It“ noch verstärkt; auch wenn Ronald McDonald schon gute Vorarbeit geleistet hatte. Wirkungsvoll sind Pennywises gegen den Wind fliegende Ballons oder die Kinderstimmen aus dem Ausguss.
Eine der vielen Kampfszenen ist gerade deshalb gelungen, gerade weil der Leser weiß, was ihn erwartet. Beim Einbruch in ein verlassenes Haus hören die Kinder es sofort vom Dachgeschoss aus rumpeln, etwas flitzt die Treppen runter, und da steht er auch: der Werwolf. Es kommt zur Verfolgungsjagd Kinderfahrrad gegen Lykanthrop, und dass es sich bei dem Drahtesel namens „Silver“ um ein liebevoll gepimptes Stück Kindheitsfreude handelt, verstärkt die Kraft dieser Szene, die ein gutes Ende nimmt, noch.
Die meisten Besprechungen des Romans vernachlässigen die Mythologie von „Es“. Es handelt sich nicht um ein Fabelwesen, dass der Teufel zur Plage der Menschheit erschaffen hat. „Es“ ist ein Außerirdischer, der vor Jahrtausenden mit einem Komet auf der Erde gelandet und danach in Tiefschlaf verfallen ist. Die Kinder machen während einer indianischen Seancé diese Entdeckung, die zu den größten Überraschungen der Geschichte zählt.
Wie in einer Geisterbahn
Aber nicht alle Schocker sind gelungen. Das Problem sind die Monster-Charaktere an sich: Wer hat heute noch Angst vor Mumien, Werwölfe, Vampiren? King setzt dazu auf einen schnell abnutzenden Ekel-Faktor (Heuschrecken in Glückskeksen, Maden in verfaulenden Gesichtern). Irgendwo taucht, King wollte es wohl wirklich wissen, auch sein durchgedrehtes Mörder-Auto Christine auf. Später setzt sich „Shining“-Koch Dick Hallorann gegen rassistische Brandstifter zur Wehr.
Wie in einer Geisterbahn scheint alle fünf Minuten ein neues Monster um die Ecke zu kommen. Es ist lustig, dass die meisten Kritiker an den aktuellen „Es“-Verfilmungen die Jumpscares bemängeln: zu viele, und zu prominent positioniert. Aber genau das ist doch auch die Buchvorlage: eine einzige Sammlung von Jumpscares!
Die Lektion im „ultimativen Horror“ kann King hier, weil es wenig auf Fantasie ankommt, stattdessen auf Verstümmelung und Mord, nicht erteilen. Am Ende bedient sich King eines Kniffs, den er oft, vielleicht zu oft anwendet: Er lässt Derry, so wie so viele seiner missratenen Städte, wie Salem’s Lot oder Haven, durch einen Sturm, Gottes gerechte Strafe, absaufen, untergehen, verbrennen.
Das ist keine gute Montage zweier Erzählstränge
Das Ensemble des „Klubs der Verlierer“ ist Kings am aufwendigsten strukturiertes seit der Helden-Mannschaft aus „The Stand“, aber dieses kommt nicht ohne Klischees aus. Es gibt den dicklichen, hoffnungslos verliebten Ben; die rothaarige, deshalb natürlich aufsässige, von ihrem Vater misshandelte Beverly; den Asthmatiker Eddie, der an dem Monster wachsen und natürlich sein Atemgerät bezwingen soll; die Hauptfigur Bill – „Stotter-Bill“, der sein Stottern besiegen muss.
Mit der im Schluss-Spurt eingeführten, gottähnlichen „Schildkröte“ als größten Feind von „Es“, drosselt King das Tempo gefährlich ab. Während Bill in den Kampfmodus wechselt, philosophiert die Amphibie über den Kosmos, will ihm damit aber eigentlich Ratschläge erteilen. Das ist keine gute Montage zweier Erzählstränge.
Auf den letzten Seiten kriegt King uns dann doch wieder. Die Überlebenden aus dem „Klub der Verlierer“ werden älter, ziehen in alle Himmelsrichtungen und fangen an zu vergessen. Zu vergessen, dass sie einst Freunde waren, sie vergessen einander, und sie vergessen, dass sie einst die schlimmste Kreatur des Universums getötet und damit unzähligen Kindern, die später an die Reihe gekommen wären, das Leben gerettet haben. Sie wissen nicht mehr, was einst war.
King geht dann als Erzähler in eine Art auktorialen Modus und stupst uns an: Das, was die „Verlierer“ erleben, ist wie das Aufwachsen. Man kann die Kindheit nicht zurückholen, im Gegenteil, die meisten Erinnerungen verschwinden. Leider auch die schönen. Das ist vielleicht der härteste, sicher der ehrlichste Schluss, den King uns hier hätte präsentieren können.
Bill steigt noch ein letztes Mal auf sein Fahrrad „Silver“, das er als Kind so geliebt hatte. Er weiß gar nicht mehr, warum. Aber rettet damit ein Leben.
17. „You Want It Darker“ (2024, deutsch: „Ihr wollt es dunkler“) ★★★★
Streng genommen müsste die neue Kurzgeschichtensammlung Stephen Kings nicht „Ihr wollt es dunkler“, sondern „Ihr mögt es dunkler“ heißen. Schließlich weist King im Nachwort selbst darauf hin, dass er seinen Buchtitel „You Like It Darker“ an Leonard Cohens „You Want It Darker“ angelehnt hat – was wiederum sein deutscher Verlag Eins zu Eins so umgesetzt hat. Im Deutschen also die volle Cohen-Reminiszenz.
Sei’s drum. In den vergangenen zehn Jahren hat King 17 Bücher (Kurzgeschichtensammlungen, Romane, ein Kinderbuch) veröffentlicht, aber nur vier davon, die sehr gut sind: die leider prophetische Terroristen-Erzählung vom „Mr. Mercedes“, die Lovecraft-Hommage „Revival“, die in Buchform gepresste Novelle „Elevation“ so wie die sehr spannende Lee-Child-Hommage „Billy Summers“. Mit „Ihr wollt es dunkler“ hat der bald 78-Jährige eine Sammlung vorgelegt ist, die so gut ist, dass man schon bis 1993 zurückgehen muss, um mit „Nightmares and Dreamscapes“ eine Kollektion ähnlicher Klasse zu finden.
Es sind Geschichten über die Akzeptanz geplatzter Träume und von leisen Abschieden – fast alle seiner Protagonisten in den zwölf Stories (von denen King vier als Novellen gekennzeichnet hat) sind in seinem eigenen Alter, also über 70. Wenn sie jünger sind, wie der 36-jährige Hausmeister Danny Coughlin in „Danny Coughlins böser Traum“, wirken sie trotzdem wie Männer, die sich zu einem letzten Abenteuer aufraffen wollen.
In dieser Story träumt jener Coughlin vom Fundort einer Leiche, wird daraufhin selbst zum Tatverdächtigen erklärt und verliert Job, Ansehen und Freunde. Eine Geschichte über Cancel Culture, und wie es nie schaffen kann, daraus als Sieger hervorzugehen; sie erinnert an den „Outsider“-Roman.
Pyramidensystem der Klarheit
Klatsch und Tratsch, schreibt King, sind wie radioaktiver Abfall – haben eine lange und giftige Halbwertszeit. Und der Gossip-Chefreporter, der den Hausmeister bis ins Kleinste niederschreibt, hat eine „hitlerische schwarze Stirnlocke“. Verfolgt wird Coughlin aber vor alllem vom KBI-Ermittler Jalbert, eine besonders gelungene Figur, ein Neurotiker, der seinen Zählzwang wie „ein Pyramidensystem versteht, dessen Dividende nicht in Geld, sondern Klarheit besteht“. Der Mann ist von seienr Mission überzeugt. Ein guter Antagonist, vielleicht sogar ein Antiheld. Corona hat ihn endgültig aus dem Konzept gebracht.
Die Klasse von „Danny Coughlins böser Traum“ zeigt sich in der Überflüssigkeit seiner paranormalen Ausgangssituation. Die Frage, ob Coughlin seine Unschuld beweisen kann, wird viel interessanter als die Frage, warum er überhaupt diese Träume hat, durch die er Morde vorhersehen kann. Seine Träume sind ein McGuffin. Man muss eben doch nicht jedes Wunder erklären, und der Schlusssatz „Es gibt nichts zu sagen“ könnte nicht besser sein.
Geschichte eins allerdings heißt „Zwei begnadete Burschen“, die einen Verweis auf den Klassiker „November Rain“ von Guns N’Roses enthält (aber mal ehrlich, übel ist nicht der Novemberregen, sondern der Dezemberregen – nicht wegen der Temperatur, sondern allein aufgrund der Tatsache, dass jeder im Dezember Schnee, und niemand im Dezember Regen erwartet). Vor allem aber enthält sie einen Besuch von Außerirdischen. Stephen King stellt sich hier der Frage, inwieweit Talent gegeben, inwieweit Talent ausgearbeitet werden muss, und inwieweit es einfach Glück oder Förderung sein kann, ein begnadeter Künstler, oder in seinem eigenen Fall, ein begnadeter Schriftsteller zu werden. Er schreibt auch über Söhne, die das Können ihrer Väter niemals erreichen.
Owen King und „Joe Hill“
Und auch, wenn King in seinem Nachwort seine eigenen zwei Söhne, die wie er Autoren geworden sind, lobt, kommt man nicht drumrum, an Owen King und „Joe Hill“ zu denken. Der Senior würde sie natürlich nie bloßstellen. „Zwei begnadete Burschen“ liest sich auch so, als würde Stephen King zu überirdischen Begründungen für sein Talent zurückgreifen wollen. Hier gibt es einen Sohn, der an seinen Vater nicht heranreicht, und der sich selbst als „Höhlenmensch, der viel grinst, aber nie lächelt“, beschreibt. Und, wenn er dürfte, dennoch nur einen sehr bescheidenen Wunsch hätte. Es ist eine sehr traurige, gelungene Story.
„Der fünfte Schritt“ ist nur acht Seiten lang und hat einen Twist. Stephen King ist eigentlich kein Twist-Autor. Dieser hier ist sehr gut. Man fragt sich, welche Horrorgeschichten er sich während seiner Sitzungen bei den Anonymen Alkoholikern hat anhören müssen.
Nur unwesentlich länger ist „Willie der Wirrkopf“, dessen Charaktere typisch sind für King, der unterschätzte Greis, der auch für schlechte Entwicklung empfangsbereite junge Sonderling, und die beide der Einschätzung Lügen strafen, dass den Jungen die Welt gehört.
„Finn“ spielt – warum auch immer – nicht in den USA, sehr sehr selten bei King, und stellt die am Ende brutale Frage, ob Determinismus eine Konstante in unser aller Leben ist – und alles andere, das Abweichen vom Kurs, nur eine Fantasie in den letzten Sekunden unseres Lebens.
Stephen King ist nicht bei allen Feministinnen beliebt
„Auf der Slide Inn Road“, ist, wie einige andere in „Ihr wollt es dunkler“, eine in Publikumszeitschriften veröffentlichte Kurzgeschichte, und als Gedankenspiel vielleicht etwas besser als in der Ausführung. Die Story vom scheinbar nutzlosen Großvater, der die Familie vor Verbrechern rettet. Auch eine Verteidigung des hohen Alters sicherlich, von King nicht umsonst so konzipiert.
„Das rote Display“: toll. Stephen King ist nicht bei allen Feministinnen beliebt, manche halten ihn für einen Mansplainer, und dass er Frauen vor allem dann als Heldinnen inszeniert, wenn sie sich von überstarken Männern emanzipieren können (statt sie sich, um die inflationär gebrauchte Formulierung auch mal zu benutzen: SELBST ERMÄCHTIGEN ZU LASSEN), ist bekannt. Hier ist King sehr klug. Würde der Mann den Körper und Geist seiner Ehefrau besser kennen, müsste er nicht Verschwörungserzählungen anhängen, in denen sie ein Monster ist.
„Ein Fachmann für Turbulenzen“ ist keine schlechte, aber die schwächste Kurzgeschichte in diesem Band. King-Experten wissen, was ein Tranny ist. Die Hauptfigur in dieser Story ist auch einer.
„Laurie“ ist eine Stephen-King-Story, die so klingt, als schreibe er über sich. King ist (Gott sei Dank!) kein Witwer, aber er ist ein Mann gewissen Alters, der ruhige Tage in Florida verbringen will (so wie King selbst seit vielen Jahren, der Knochen zuliebe) und einen Hund geschenkt bekommt. Auch King hat einen Vierbeiner, über dessen Erlebnisse er liebevoll auf Twitter postet, so wenig aufregend sie auch sind. In „Laurie“ kommt ein gefährliches Krokodil ins Spiel, aber King interessiert sich nur für den Hund. Ein guter Fokus, ein Autor mit dem Blick aufs Wesentliche.
Kings schlechtes Gewissen
„Klapperschlangen“ ist die Story, auf die alle gewartet haben. Angekündigt als „Fortsetzung von Cujo“, erzählt King hier nicht den abermaligen Angriff eines tollwütigen Bernhardiners oder etwa dessen Sohn („Son of Cujo“!), sondern von zwei Figuren, die ihn seit Erstveröffentlichung des Romans 1981 nicht in Ruhe gelassen haben: Vic und Donna Trenton, den Eltern des kleinen Tad, der im Auto verdurstete, weil der Hund es belagerte (heute, in der Ära des Mobilfunks und ständiger Erreichbarkeit undenkbar zu erzählen, es sei denn, man befindet sich in den USA in einem Funkloch).
Stephen King sagte es selbst: Der Tod des Jungen ging ihm nahe – er würde ihn heute nicht mehr sterben lassen. Andererseits behauptete er auch, sich an das Schreiben von „Cujo“ nicht mehr erinnern zu können. Er sei damals ständig high oder betrunken gewesen (ein schönes Märchen: Wer kann in einem solchen Zustand einen ganzen Roman verfassen?). Auch deshalb haben ihn Vic und Donna nicht losgelassen. Er fühlt sich für ihren Verlust verantwortlich. Zu Recht. Der Junge hätte überleben müssen.
Duma Key
„Cujo“ enthielt bereits übernatürliche Elemente, „Klapperschlangen“ ist nun eine Geistergeschichte geworden. Vic, mittlerweile 72 Jahre alt, lernt in seinem Feriensitz auf Florida eine Nachbarin kennen, die zu ihren verstorbenen Kindern spricht. Eine Frau, die, wie er sagt, nichts weiter verlangt als die Illusion, ihre vor Zeiten getöteten Jungen wären noch am Leben. Etwas, das er sich für Tad auch wünscht.
In der Nähe dieses Keys in Florida befand sich einst auch Duma Key, nach dem King seinen Geister-Roman von 2008 benannte („Duma Key“, auf Deutsch mit „Wahn“ übersetzt, und das Wort „Wahn“ kommt kursiv hervorgehoben auch in „Klapperschlangen“ vor); die Koralleninsel-Kette ist erneut der Ursprung dämonischer Umtriebe.
Vic und Donna haben sich nach dem Tode Tads scheiden lassen, fanden später aber wieder zueinander. Donna, die den Bernhardiner mit einem Baseballschläger tötete, fehlt gegen den in ihrem Körper wuchernden Krebs aber die richtige Waffe. Als sie im hohen Alter in Vics Armen stirbt, hat sie eine letzte Vision von Tad, mittlerweile erwachsen.
Corona war gut darin, den Menschen ihre Geheimnisse zu lassen
Auch Vic wird ihn wieder zu sehen bekommen – in einer Vision, wie sie auch Danny Torrance in „Doctor Sleep“ von dessen Vater Jack „die Axt“ Torrance“ hatte. Etwas rührselig, sicher, aber King will Frieden schließen mit einem Thema, das seinen Anfang einst im Suff nahm, vor mehr als 40 Jahren. Auch Jack Torrance war, wie King, Alkoholiker.
Sidenote: Ein Polizeiermittler belagert Vic, es ist die Zeit der Pandemie, der Ex-Cop trägt eine Atemmaske. Erst gegen Ende nimmt er sie ab, der Mann hat eine Whiskeyfahne, wie Vic dann erstmals bemerkt. Corona war gut darin, den Menschen ihre Geheimnisse zu lassen, aber irgendwann kommt alles heraus.
Glaubt King an ein Leben nach dem Tod?
„Die Träumenden“ ist purer Lovecraft-Stoff, und die Kurzgeschichte erinnert an Kings „Revival“-Roman. Ein Wissenschaftler glaubt herausfinden zu können, dass Träume einen Weg zum Verständnis des Universums bedeuten können – eine Weltformel, aber geschrieben von Gott. Er nimmt für seine Experimente einen jungen Stenografen unter seine Fittiche, der bald grausamen Experimenten mit Versuchspersonen in einem improvisierten Schlaflabor beiwohnen muss. Von allen zwölf Storys jene mit dem größten Horror; King widmet sie Cormac McCarthy, an dessen lakonischen Schreibstil er erinnern wollte, wie er ihn in dessen letzten Werk „The Passenger“ las. Dafür jedoch schreibt King zu blumig.
Das Buch schließt mit „Der Antwortmann“, eine Story, die King in den 1970er-Jahren begann und dann im Schreibtisch verschwinden ließ. Gut, dass er sie wieder hervorgekramt hat. King selbst hat stets Widersprüche zur Frage zu Protokoll gegeben, ob er an ein Jenseits glaubt – inklusive Wiedervereinigung mit allen geliebten Menschen. „Der Antwortmann“ weiß darauf die Antwort. Man möchte glauben, dass King sich selbst die Fragen stellt, die seine Story-Figur Phil Parker an den „Antwortmann“ richtet. Es wäre ein Trost.
Kings Nachwort ist diesmal sehr lang. Er dankt sehr vielen Menschen. Das ist auffällig. Er dankt seiner Frau, wie immer, auch seinen Schriftsteller-Söhnen, aber auch den Kollegen Richard Chizmar, Stewart O’Nan und dem verstorbenen Peter Straub. Selten war er so ausführlich. Denkt er an einen langsam eingeleiteten Abschied?
16. „Billy Summers“ (2021) ★★★★
Stephen King ist befreundet mit Lee Child, dem (Ex-)Buchautor der phänomenal erfolgreichen und phänomenal guten „Jack Reacher“-Reihe. In seinem Roman „Under The Dome“ von 2009 schenkt er dem ehemaligen Militärpolizisten Reacher sogar eine staatstragende Erwähnung. Nach quittiertem Dienst bestraft Reacher als Amerika-Wanderer die bösen Typen, auf die er zufällig trifft, obwohl er eigentlich das Land bereisen will. Nun huldigt King mit Lee-Child-Sätzen erneut dem einsamen Wolf Jack Reacher, einem Mann, der überall ein Fremder bleibt, und der am Ende seiner vielen Abenteuer stets an eine Weggabelung kommt, wo er den Daumen rausstreckt, um mitgenommen zu werden. Kings Protagonist Billy Summers sagt: „Ich will nach Westen oder Norden, beides ist okay. Nur Süden und Osten kommen nicht infrage. Da war ich schon, das kenne ich.“
Vielleicht also kein Zufall, dass King mit „Billy Summers“ einen Roman geschrieben hat, dessen Titel nicht-deskriptiv ist, sondern sich auf die Erschaffung einer Figur zu konzentrieren scheint, dessen Name allein schon von etlichen Leidensgeschichten und Dramen erzählen soll, wie der von Reacher. Und ja, das ist ihm gelungen: Billy Summers ist eine solche Figur, wie es sie im Schaffen des 73-jährigen Schriftstellers schon sehr lange nicht mehr gegeben hat. Komplex, von Selbstzweifeln zerfressen, und doch einem schlichten moralischen Kompass folgend, der sich nicht mehr korrigieren lässt.
Summers ist ein sehr intelligenter, schnell kombinierender Mann
Billy Summers ist ein Ex-Soldat in seinen Vierzigern, der für seinen Einsatz im Irak-Krieg als begnadeter Scharfschütze hoch dekoriert wurde. Mittlerweile arbeitet er als Auftragskiller, aber nur, diese moralischen Einschätzungen nimmt er selbst vor, um die „bösen Menschen“ zu töten, nicht die „guten Menschen“. Er erledigt per Kopfschuss einen verurteilten Mörder, kurz bevor der im Gericht einen Deal aushandeln kann, der ihm den elektrischen Stuhl erspart.
Summers ist ein sehr intelligenter, schnell kombinierender Mann – auch das hat er mit Jack Reacher gemein – und ahnt, dass er selbst nach dem Mordauftrag erledigt werden soll. Summers taucht nach getaner Arbeit ab und will nun herausfinden, wer ihn ausschalten wollte, und warum.
Kings Problem mit weiblichen Figuren
King macht nicht viel falsch in „Billy Summers“. Wer sich erfolgreich ferngehalten hat von der Beschreibung des Roman-Kurzinhalts durch den Verlag, müsste zunächst befürchten, die Story endet mit dem Gewehrschuss aus einem Hochhausfenster und dessen akribischer Vorbereitung, also einer Art „63/11/22“ light, in dem King minutiös die Vereitelung des Anschlags auf John F. Kennedy schildert. Aber Summers erledigt seinen Job so schnell und unzweifelhaft, wie auch der Autor ihn abhakt.
Die kleinen Schwächen des Romans sind andere. Schwächen, die in den King-Büchern ab den Nullerjahren häufiger zu finden sind. King wird sie vielleicht auch nicht mehr ablegen können. Erstens, er ist bemüht weibliche Figuren zu konstruieren, die aus einer existenziellen Krise stärker hervorgehen – das Wort „Selbstermächtigung“ ist auch im Feuilleton seit Jahren hip –, aber jede seiner Protagonistinnen (Lisey und Holly Gibney zählen zu den bekanntesten) ist stark nur durch die Gnade eines Mannes, der sie aufbaut. Hier die 21-jährige, vergewaltigte Alice, der Summers außerplanmäßig Unterschlupf in seinem Versteck gewährt, und die erst durch den älteren Mentor – in den sie sich verliebt – zur selbstbestimmten Frau wird.
Ohne Billy kein Ziel
In einer selten so deutlich bei ihm vorkommenden Formulierung bringt King zum Ausdruck, dass er selbst mit der Vorstellung hadert, den ihn so quälenden, angeblichen Widerspruch aufzulösen, dass eine Frau potent sein, aber auch ohne den Mann ihren Sinn im Leben finden könnte. Denn: „Die Möglichkeit dazu hat Billy ihr eröffnet. Alice ist angekommen. Sie hat sich gefunden.“ Ohne Billy kein Ziel.
Die zweite Erzählschwäche besteht darin, dass King sich seit Jahren an den republikanischen US-Präsidenten abarbeitet, aber manchmal das Maß zu verlieren droht. Zu Beginn des Jahrtausends war das George W. Bush, ab 2016 Donald Trump. Grundsätzlich ein ehrenvoller Job: Mit dem Bewusstsein, als Schriftsteller Millionen Leser erreichen zu können, schäbige Staatsoberhäupter kritisieren.
Aber wie schon im „Institut“ oder im „Dome“ betreibt King ein Namedropping, das bisweilen zum bloßen Symbolismus verkommt. Bevor Summers einen Vergewaltiger niederschlägt, setzt er sich eine Melania-Trump-Maske auf; ein krimineller Immobilienbesitzer trägt eine MAGA-Mütze.
Summers verkleidet sich als Mexikaner, um in die Villa eines neureichen Verräters zu gelangen (nicht ohne Grund wollte Trump eine Mauer bauen, um genau sowas zu verhindern!); außerdem gibt es einen Medien-Mogul, dem anscheinend der rechte Sender „Fox News“ gehört, und dessen Alter und Physis an Rupert Murdoch erinnern (der inzwischen immerhin ein Trump-Gegner ist), wobei dessen Lebenswandel jedoch unzweifelhaft an Jeffrey Epstein angelehnt ist.
Der Milliardär betreibt einen Prostitutionsring mit minderjährigen Opfern. So charakterfest Kings Anliegen ist – die Vehemenz, mit der er seit Jahren diese fiktiven Stellvertreter echter Scheusale angeht, lenkt von der Geschichte ab.
Eine in Kings Schaffen beispiellose Aktion eines Anti-Helden
Einen pädosexuellen Verbrecher töten zu wollen, fällt Billy Summers nicht schwer, der Täter ist „ein böser Mensch“. Der Pädosexuelle ist das größte Monster unter den Menschen. Mit Summers hat Stephen King jedoch eine seiner wenigen Figuren kreiert, deren eigenes Tun nicht nur ambivalent erscheint. Es bleibt auch bis zum Ende der Geschichte unklar, wie er selbst zu seinem Anti-Helden steht. Gute Menschen dürfen leben, schlechte Menschen sollen sterben, und sei es durch Selbstjustiz. Ein Vergewaltiger wird von Summers selbst vergewaltigt – eine in Kings Schaffen beispiellose Aktion eines Anti-Helden.
Viele seiner bald 100 Bücher hat King durch inhaltliche Querbezüge verbunden
Das ist für Summers keine rationale Entscheidung. Der Ex-Marine ist seit seiner Kindheit schwer traumatisiert. Während die USA seit Jahrzehnten über strengere Waffengesetze diskutieren, ist es hier eine Waffe im Privatbesitz, die dem jungen Billy in Notwehr das Leben rettete. Danach kommen die Kinderheime. King verteidigt Summers nicht, und Summers fühlt es selbst: „Er ist nicht besser als diese Typen, sieht den Balken im eigenen Auge nicht, aber es bringt nichts, so etwas zu denken.“
Viele seiner bald 100 Bücher hat King durch inhaltliche Querbezüge verbunden, und auch bei „Billy Summers“ gibt es einen Bezug (wir spoilern ihn nicht), der aufzeigen soll, warum Billy so wurde, wie er ist. King führt damit auch ein übernatürliches Element ein, das zunächst abstrus erscheint. Aber so, wie Billy ein missbrauchtes Kind in einer dysfunktionalen Familie war, so ist auch der Junge aus dem anderen Roman, auf den King anspielt, ein missbrauchtes, das der Familie entkommen muss.
Billy Summers ist ein psychisch kranker Mann, Stephen King schreibt das so nicht, aber gerade durch seine so untypische Distanz zu ihm als Hauptfigur erweckt der Auftragskiller große Sympathien. Es ist Summers‘ Wegbegleiterin Alice, die sich, so wie er, der Schönheit von Literatur hingibt; dem quasi-magischen Gedankenvorgang, dass wir durch das Lesen neue Welten erschaffen. Beide, Summers und Alice, schreiben ihre (gemeinsame) Geschichte auf und konstruieren so für sich ein schöneres Leben, ohne Tod und Flucht.
Der Beginn einer neuen Phase?
Wann hat Stephen King das letzte sehr gute Buch geschrieben? Zuletzt musste man Angst haben, aber nicht wegen dem, was in den Büchern steht, sondern Angst um King – ob er seine Story rund und ohne Logiklöcher nach Hause bringt. Das war ihm in den letzten Jahren so gut wie nie gelungen. „The Outsider“ (2018) entwickelte sich von einem verschachtelt konstruierten Whodunnit zu einem Creature Feature, und „Das Institut“ (2019) scheiterte mit seinem Versuch, den Missbrauch PSI-begabter Kinder als Allegorie auf die Ermordung von Kindern in Konzentrationslagern darzulegen. Bei jedem jüngeren Roman die bange Frage also, ob King die Fäden am Ende zusammenhalten kann.
Am Ende der Knall, die Offenbarung
In „Billy Summers“ kann das nicht passieren, nicht nur, weil es einen halfway plot switch gibt, essenzielle Charaktere erst ab der Mitte des Romans vorgestellt werden. Mit den „Reacher“-Romanen hat „Summers“ weiterhin gemein, dass hinter einem verbrecherischen Plan eine Verschwörung, und hinter dieser Verschwörung eine noch größere Verschwörung steckt. Lee Child kreiert dabei unzählige Twists, also Überraschungen, deren Grundlagen – bestimmte Charaktere, Orte, Pläne – schon früh in der Geschichte ausgebreitet, aber nur angedeutet werden.
Am Ende der Knall, die Offenbarung. King macht das nicht – vielleicht kann er es auch nicht: Es gibt in „Billy Summers“ einige Überraschungen, aber sie kommen aus dem Nichts.
Das letzte große Stephen-King-Jahr war 2014, als er mit „Mr. Mercedes“ und „Revival“ zwei bedeutende Romane veröffentlichte. Das eine die unheilvoll prophetische Geschichte über moderne Formen des Terrorismus (Bombenanschläge bei Teenage-Pop-Konzerten, das Auto als Mordwaffe in großen Menschenmengen), das andere eine höchst gruselige Oldschool-Erzählung, angelehnt an Poe und Lovecraft, über die buchstäbliche Hölle, die uns im Jenseits erwarte. Mit dem „Mr. Mercedes“-Ermittler Bill Hodges stellte King erstmals einen Ex-Detective in den Mittelpunkt gleich einer Roman-Trilogie. Er scheint im höheren Alter zunehmend Gefallen an Kriminal- statt Horrorgeschichten zu finden. Er sollte sich darin, das zeigt „Billy Summers“, weiter probieren.
15. Cell (2006, deutsch „Puls“) ★★★★
Vielleicht hätte Stephen King einen ganz anderen Ansatz wählen müssen, hätte er seinen Roman auch nur ein Jahr später geschrieben. Erst 2007 galt als das Jahr, in dem das Smartphone, also das Handy mit Internetfunktion, seinen Durchbruch feierte. Seit der Herrschaft des iPhones telefonieren wir weniger, sondern tippen vielmehr Nachrichten in das Gerät oder surfen im Netz, wann immer wir auf der Straße sind. In „Cell“ ist es ein Tonsignal, das Handynutzer augenblicklich in Zombies verwandelt, sofern sie den Anruf annehmen. Wer würde heute noch einen Anruf mit „Absender unbekannt“ annehmen? Wir tippen doch alle nur noch Messages.
Eine ganze bestimmte Message ist natürlich überdeutlich: Unsere Abhängigkeit vom Mobiltelefon hat uns längst zu Dumpfbacken, also Zombies gemacht. Aber das schmälert nicht den Wert dieser Geschichte. Neu erfinden muss King das Zombie-Genre, dessen „Puls“ kurz nach der Kino-Renaissance der Untoten erschien, eingeleitet durch „28 Days Later“ und das Remake von „Dawn of the Dead“, nicht. Wer kann das schon! Aber er setzt, pun intended, gute Impulse. Diese eher an lernfähige Tollwütige als an schlurfende Untote erinnernden Wesen sind nur tagaktiv, verfügen über Telepathie und Schwarmintelligenz und rotten sich nachts zusammen um an geschützten Plätzen (Kuhlen, Stadien) zu den Klängen von MOR-Rock aus dem Ghettoblaster zu schlummern. Was natürlich bedeutet, dass die normalen Menschen sich tagsüber verstecken und nachtaktiv werden müssen.
„Guantanamo Bay“
In seinen nach 9/11 veröffentlichten Büchern präsentiert King oft, siehe „Under The Dome“, eine Überfülle an politischen Allegorien. Auch „Cell“ wird davon nicht verschont, und er wirkt bisweilen etwas übermotiviert. Schnell wird der Verdacht laut, Terroristen steuern die Angriffe; „Guantanamo Bay“ wird ebenso unergründlich in den Raum geworfen wie „Sprengladungen der Aufständischen“, „muslimische Jugendliche mit Selbstmordgürtel“ und „Bushs irakisches Abenteuer“. Die Überlebenden der Amok-Attacken fragen sich, wo denn die Nationalgarde sei, um sie zu beschützen – im Irak? King beschreibt hier das Szenario einer Bevölkerung, die auch deshalb aufgeschmissen ist, weil deren Militär sich im Ausland verzettelt hat.
Wenn eine Spezies den Kampf um die Herrschaft des Planeten verliert, sich den Platz in der Welt und damit der Nahrungskette neu suchen muss, führt das auch zu philosophischen Neubetrachtungen der Existenz. Oder sollten die neuen Menschen, tumbe Telepathen, etwa die weiterentwickelten sein? In „Cell“ gelingen solche Diskussionen so vorzüglich wie in George A. Romeros „Dawn of the Dead“ und Richard Mathesons „I am Legend“.
Ist Intelligenz bedeutsamer als Instinkt?
„Aus Primaten werden Menschen, aus Menschen werden Phoner, aus Phonern levitierende Telepathen mit dem Tourette-Syndrom. Evolution abgeschlossen“, sagt Protagonist Tom. Die ziellos umherstreunenden, plündernden und planlosen Überlebenden wirken auf ihn jetzt wie Höhlenmenschen.
Auch im Wort „Impuls“ steckt der „Puls“, und der Puls ist Teil der Evolution. Nicht zuletzt geht es auch um die Frage, was das Wichtigste an uns ist: Ist Intelligenz bedeutsamer als Instinkt, Vernunft bedeutsamer als eben Impulse?
14. Thinner (1984, deutsch: „Der Fluch“) ★★★★½
Kennen Sie den Buchhändler Stephen Brown? Stephen King wird ihn kennen gelernt haben. Das ist der Mann, der das Pseudonym Richard Bachman entlarvt hat – und King musste nach „Thinner“ seinen Decknamen bis auf Weiteres ablegen. Dem Verkäufer waren Ähnlichkeiten des Romans mit dem Werk Kings aufgefallen, und tatsächlich ist diese Horrorgeschichte weit auffälliger als die sozialpolitischen, dystopischen Stories, die der Autor etwa in „The Long Walk“ oder „The Running Man“ gesponnen hatte.
Ein Kritiker lobte nach Erscheinen des Bachman-Buchs gar, „Thinner“ sei ein Werk, das Stephen King gerne schreiben würde, wenn er es denn könnte. Die Verkaufszahlen schnellten nach der Entlarvung von 28.000 Exemplaren auf 280.000 verkaufte Bücher hoch. So oder so ist „Thinner“ ein großartiges Bachman-Buch geworden.
Detektiv in eigener Sache
Die Geschichte spielt mit der Angst vor Sinti und Roma, die hier Zigeuner genannt werden, vor ihren Hexenzaubern und unerbittlichen Flüchen. Rechtsanwalt Billy Halleck baut einen Autounfall, weil seine Frau ihm während der Fahrt einen geblasen hat. Es stirbt eine ältere Zigeunerin auf der Straße. Deren Gatte spricht einen Fluch aus – gegen Billy, sowie gegen den Richter und einen anderen Polizisten, die daran beteiligt waren, den Totschlag zu vertuschen. Der hochnäsige Jurist beginnt daraufhin abzunehmen. Er wird immer dünner, bis er merkt, dass das nicht mehr toll ist, sondern er an Unterernährung zu sterben droht.
Obwohl die Moral – alle Leben sind gleich viel wert, „Hochmut kommt vor dem Fall“ – etwas schnell wirkt, entwickelt King hier eine seiner spannendsten Ideen, die sicher auch als Kurzgeschichte funktioniert hätte, er aber zum Glück zum Roman entfaltet hat. Die Zigeuner sind stur, bösartig, voller geheimnisvoller Tricks, und King lässt sich dazu hinreißen, sie voller Klischees darzustellen. Der Story, man muss es so sagen, tut das leider gut.
Was den Verfluchten droht, zeigen die Beispiele des beteiligten Richters und Polizisten
Halleck wird im Laufe der Geschichte zu einer Art trauriger sympathischer Detektiv in eigener Sache, er muss herausfinden, wie der den Trek der Zigeuner auf die Spur kommt, damit er deren alten Patriarchen überzeugen kann, den Fluch wieder zurück zu nehmen.
Was den Verfluchten droht, zeigen die Beispiele des beteiligten Richters und Polizisten. Der eine wurde mit „Lepra“ belegt, der andere mit „Eidechse“. Kings Schilderung der Verwandlung in das Reptil zählt zu seinen eindringlichsten, die Ehefrau will es nicht wahrhaben, der Mann schließt sich ein. Für den Leser wird es geradezu hörbar, wie der Richter über seinen neuen Panzer, der am Bauchnabel beginnt, streicht; ein Kratzen über harte Fläche, das den Tod angekündigt.
Billy Halleck hat Kontakte zur Unterwelt, und mit Richie Ginelli bringt King eine sehr lustige Nebenfigur ins Spiel. Ein Mafia-Boss, der die Auseinandersetzung mit dem bockigen Zigeuner Taduz Lemke als sportliche Herausforderung sieht (er kleidet sich sogar in einen Jogginganzug), und der mit größtem Optimismus das Kommando übernimmt – sich aber einen Spaß daraus macht, seine Aktionen geheim zu halten, damit Halleck umso größeres Erstaunen zeigt, wenn sie gelingen. Am Ende aber muss der zum Skelett abgemagerte Rechtsanwalt selbst aktiv werden.
13. Cujo (1981, deutsch: „Cujo“) ★★★★½
Schnell wie ein Rock-Song, und auch so dreckig und laut, so hat King die simple Geschichte dieses tollwütigen Bernhardiners beschrieben, der eine Mutter und ihren Sohn in einem liegengebliebenen Auto drangsaliert. Einer der wenigen Romane, die nicht direkt übernatürliche Kräfte bemühen – ein Monster im Schrank wird lediglich angedeutet, hinter dem sich der Killer in „Dead Zone“ verbergen und dessen Geist den Hund befallen haben könnte.
Aber dieser Roman kennt dafür auch kein Happy End, obwohl gerade in den letzten 30 Seiten, als die Eingeschlossenen in minutiös geschilderter Eile erreicht werden sollen, alles darauf hinauszulaufen scheint. Umso rührender sind die Schlussworte Kings, der klarstellen will, dass der durchgedrehte Köter vor seiner Krankheit ein liebenswerter Zeitgenosse gewesen ist.
„Cujo“ war für King 1981 ein Wagnis, ein ganzes Buch vordergründig über einen Hund; es ist in die Geschichte eingegangen als der Roman, an dessen Entstehung sich der Autor angeblich nicht erinnern kann – Kings Alkoholabhängigkeit war damals auf einem Höhepunkt angekommen.
Zwar kommen manche der Erzählstränge einer Seifenoper nahe: Affären fliegen auf, der Liebhaber will Rache nehmen, der gehörnte – und recht blass bleibende – Ehemann gerät während einer Geschäftsreise in die Sinnkrise. Aber King erzählt in „Cujo“ auch von wirtschaftlichen Krisen, Existenzängsten und einem Landleben, das zunehmend verlottert. Die Trentons sind Mittelklasse, aber ihr klappriges Auto wird nicht nur das Schicksal der Familie mitbestimmen, es ist auch Symbol für eine nicht mehr funktionierende Gesellschaft. Die armen Cambers wiederum, denen der Bernhardiner Cujo gehört, leben im Streit – der gewalttätige Vater will, dass Frau und Sohn bei ihm bleiben, dabei müssten sie alle wegziehen in die Stadt, wenn sie eine Zukunft haben wollen. Der Hund ist nur Ausdruck für Angst und Aggression.
12. Christine (1983, deutsch „Christine“) ★★★★½
1983 würde als Jahr von drei gleich bemerkenswerten King-Büchern in die Geschichte eingehen. Und mit „Christine“ veröffentlichte er sein bis heute am jugendlichsten wirkenden, wenn auch albernsten Roman. Aber ist Rock’n’Roll nicht auch albern?
Ein Plymouth Fury aus den Fifties verliebt sich in einen adoleszenten Außenseiter der Neuzeit, und umgekehrt. Der Bubi wird immer cooler, und der Oldtimer „Christine“ bringt dafür jeden der Schulhof-Bullys um die Ecke. Wirklich sehr unterhaltsam, auch auf einer laienhaften psychoanalytischen, objektfetischistischen Ebene. So jäh, wie die Pubertät enden kann, endet auch das Leben des Arnie Cunningham.
Dabei soll King aus einer Laune heraus auf die Idee zu dem Buch gekommen sein. Sein Verleger habe ihn gefragt, was nach dem mörderischen Hund Cujo kommen könnte, worauf der Autor halt mit dem „mörderischen Auto“ geantwortet habe.
Zwar geht einem der Humor Kings wieder einmal schnell auf die Nerven – er versucht sich an Teenagerwitzen –, aber zumindest die Konflikte zwischen den Generationen sind stimmig erzählt, Arnies Eltern und die seines besten Freundes und späteren Antagonisten Dennis sind reich an Ängsten und Hoffnungen.
Wie populär Stephen King 1983 gewesen ist, zeigte auch die Geschwindigkeit, mit der die Verfilmung nachgeschoben wurde: Noch im selben Jahr kam John Carpenters Fassung in die Kinos. Das nicht wirklich gelungene Werk demonstrierte auch, was eben nicht funktioniert: Ein fahrerloses Auto erzeugt gefilmt keinen Schrecken; es ist der nicht sichtbare Geist, der einem Angst macht – den man aber eben auch nicht darstellen kann.
11. The Dead Zone (1979, deutsch: „Das Attentat“) ★★★★½
King ist überzeugter Demokrat, glaubt aber nicht an die Versprechen der Politiker. Er verachtet Nixon, wundert sich nicht über Watergate und lässt sich ausgiebig über die Fehler des Vietnamkriegs aus. So politisch war der Autor bislang noch nicht aufgetreten. Harsch ist sein Blick auch hier: Ein Lehrer mit hellseherischen Fähigkeiten hat sich zum Ziel gesetzt einen Präsidentschaftsbewerber zu stoppen, der den Dritten Weltkrieg auslösen wird. Seinen Abgang verschafft sich der bösartige Politiker am Ende selbst, auf die vorstellbar unmenschlichste Weise.
Mythos vom Bösen
John Smith ist Lehrer, und wie der Name schon andeutet, ein durch und durch normaler Typ – mit gutem Herzen, was ihn zu einem der berührendsten Figuren aus dem King-Kosmos macht. Der Mann wächst an seiner Verantwortung der hellseherischen Gabe, und wenn es ihm sein Leben kostet, wäre aber fast umso froher, wenn man ihm seine Wahrsagerei nicht abnehmen würde. King sagte, er wollte einen Mythos vom Bösen ins Schlechte umkehren: Mit der Ermordung John F. Kennedys galt auch der „Schütze in erhöhter Position“ als Attentäter mit menschenfeindlichen Motiven. Der hoch gelegene Schütze Smith aber war ein Held.
Mit der Nebenfigur des Sheriff Bannerman, bei dessen Ermittlungen in Mordfällen rund um Castle Rock Smith behilflich ist, hat King gleich einen weiteren Sympathieträger geschaffen. In „Cujo“ werden wir ihm wieder begegnen. Greg Stillson, das ist der Name des kriminellen Präsidentschaftsbewerbers – und seit Donald Trump in Amerika an der Macht ist, werden nicht nur John Smith, sondern auch Stephen King hellseherische Fähigkeiten zugeschrieben.
So wie „Big Jim Rennie“ (aus „Under The Dome“) ist Stillson einer, dessen Aufstieg unwahrscheinlich erschien, der sich am Ende aber doch mit Beharrlichkeit durchsetzte. Nach der Wahl Trumps zum US-Präsidenten hat King sich oft zu beiden literarischen Figuren geäußert.