Warum die Öko-Kritik an der Avocado ins Leere läuft

Hat die Avocado einen zu ­großen ökologischen ­Fußabdruck? Tatsächlich sind zur Produktion von einem Kilogramm Avocados tausend Liter Wasser nötig. Aber es ist wie immer komplizierter.

Eine Zeit lang galt die Avocado als die Beyoncé des Superfood. Rund und gesund lieferte sie – meist in Form von Guaca­mole – Trailerpark-­Bewohnern und Gesundheitsfanatikern gleichermaßen ­Vitamine, Mineralien und vor allem ungesättigte Fettsäuren, die, so heißt es, der Gewichtszunahme vorbeugen. Acht Millionen Fotos auf Instagram bezeugen laut „Süddeutscher Zeitung“ den Popstarstatus der ursprünglich aus den Regenwäldern Zentralamerikas stammenden Beere, die inzwischen weltumspannend und quer durch alle sozialen Schichten zum beliebtesten Lebensmittel avanciert ist.

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Während die Lifestyle-Hipster sich in Luxushotels zu Avo-Yoga-Lunches treffen und sich die Creme gern auch mal ins Gesicht schmieren, futtern Rednecks und Homies das Zeug eher unspektakulär direkt aus dem Glas. In den USA ist die kurz „Guac“ genannte, mit Limettensaft und Koriander veredelte Creme so beliebt, dass der mexikanische Präsident Trumps permanente Drohungen mit Grenzschließung und Zollschranken mit dem Verweis kontert, dass in den USA eine Revolution ausbräche, wenn die Gringos keine Guacamole mehr bekämen.

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Avocado als Umweltkiller

Allein seit einiger Zeit gerät das grüne Gold zusehends in Verruf. Fast flächendeckend haben Zeitungen und Fernsehen die Avocado als Umweltkiller ausgemacht, die durch hohen Wasserverbrauch und CO2-Emissionen die Umwelt zerstört. ­Zumal der Avocado-Boom eine sprunghafte Zunahme der Anbauflächen zur Folge hat. Mittlerweile wird sie nicht nur in ­Mexiko und Peru produziert, sondern auch in Chile, Südafrika, Uganda und Spanien – alles Länder, die sich nicht durch einen Überfluss an Wasservorräten auszeichnen.

Tatsächlich sind zur Produktion von einem Kilogramm Avocados tausend Liter Wasser nötig. Ein Kilo Tomaten dagegen verbraucht nur 180 Liter, ein Kilo ­Salat gar nur 130. Auch bei den CO2-­Emissionen schneidet die Avocado nicht gut ab. Pro Kilogramm aus Übersee ­importierter Avocados fallen 1030 Gramm an, bei Tomaten lediglich 550. Hinzu kommt, dass immer mehr Regenwälder dem weltweiten Boom zum Opfer fallen; seit 2010 haben sich die Anbau­flächen vervierfacht.

Müssen wir jetzt also neben Diesel­autos, Fernreisen und Rindfleisch auch auf Avocados verzichten? Und werden die arbeitslos gewordenen Tagelöhner, dann die Festung Europa stürmen? Es ist, wie immer, komplizierter.

Denn Unterstützung kommt plötzlich aus einer Ecke, die in keinster Weise im Verdacht steht, mit den internationalen Avocado-Konzernen gemeinsame Sache zu machen. Im Gegenteil, Eaternity, ein Schweizer Unternehmen, das auf die ­Optimierung von Nachhaltigkeit spezia­lisiert ist, fordert, den ökologischen Fuß­abdruck der Avocado zu relativieren.

Nährwerte spielen auch eine Rolle

Ihr CEO, Manuel Klarmann, der sich einen ­Namen gemacht hat, indem er eine Software entwickelte, mit der Zürcher Restaurants ihren CO2-Ausstoß reduzieren ­können, meint, die umweltbelastenden ­Faktoren eines Produkts seien immer auch ins Verhältnis zu seinem Nährwert zu setzen. Zwar habe eine aus Mexiko ­importierte Avocado einen doppelt so großen CO2-Fußabdruck wie eine Tomate, ihr Nährwert sei jedoch um ein Vielfaches höher. Zudem könne sie als Ersatz für Eier, Butter oder andere tierische Fette genutzt werden. Ein auf den ersten Blick unverdächtiger Schweizer Bio-Frischkäse habe eine dreimal schlechtere Klimabilanz.

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Damit fällt einmal mehr auf, dass eine rein ökologische und nicht zu Ende gedachte Sichtweise, die in Komplettverzicht oder gar Verbot münden müsste, den ­Klimawandel nicht wirklich aufhalten würde. Denn selbst beim bedrohlich wirkenden Wasserverbrauch schneidet die ­Avocado letztlich besser ab als die Import­tomate und deren Dosenderivate. Was fehlt, ist ein für alle zugängliches Kompendium, das akribisch die Klimabilanz von allem aufzeichnet.

Nicht nur von Lebensmitteln, sondern auch von SUVs und E‑Smarts, Golfturnieren und Fußballspielen, Rockkonzerten und Opernfestspielen und, nicht zu vergessen, von Instagram-­Uploads und Google-Suchanfragen. Erst dann gäbe es eine Grundlage, auf der wir Entscheidungen über unseren Lebensstil treffen könnten. Solange es die nicht gibt, bewirkt der individuelle Verzicht nicht mehr als ein gutes Gewissen. Oder glaubt jemand ernsthaft, Donald Trump würde seiner Wählerschaft verbieten, sich mit Nachos und Guacamole vollzustopfen?

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