„Game of Thrones“: Warum die letzte Folge enttäuschen musste

Die letzte Folge von „Game of Thrones“ frustrierte (wie auch die komplette finale Staffel) viele Zuschauer, die mit dem Ende nicht einverstanden sind. Das liegt auch an einer psychologischen Falle, in welche die Serie getappt ist.

„Game of Thrones“ ist Geschichte. Inzwischen wissen wir, wer es auf den Eisernen Thron geschafft hat (Die Antwort ist verblüffend!). Auch wenn es nun eine Schar von Zuschauern gibt, die sich nichts sehnlicheres wünscht als einen Neustart der finalen Staffel, gab es zwangsläufig ein Ende für die neben „The Big Bang Theory“ vielleicht beliebteste Serie des Jahrzehnts.

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Wir erinnern uns an „Lost“, das mit seinem esoterischen Versuch eines Endes, vielen ungelösten Rätseln und einigen blödsinnigen Finten seinen kompletten Ruf verspielte. Kaum einer spricht mehr von „Lost“ als eine der besten Serien aller Zeiten – und das nur wegen des verbockten Abschlusses.

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So musste es „Game of Thrones“ auch ergehen. Und zwar zwangsläufig. Wegen der so genannten „Peak-end rule“. Kennen Sie nicht? Sollten sie aber! Dabei handelt es sich um ein heuristisches Vorgehen der Psychologie, in Deutsch auch die Höchststand-Ende-Regel gennant. Kurz gesagt, geht es darum, dass sich Erleben und Erinnern einer Situation für uns deutlich voneinander unterscheiden können.

Das Gehirn spielt uns einen Streich

Der Ökonomie-Nobelpreisträger Daniel Kahneman stellte einst fest, dass das Erleben einer Situation vom Gehirn oft anders bewertet wird als die daran geknüpfte Erinnerung. Unser Umgang mit Erinnerungen hat demnach komplexe Folgen, wie wir bestimmte Ereignisse vor allem in der Zukunft bewerten.

Auf emotionale Ereignisse bezogen, bedeutet dies, dass sich die Menschen, wenn sie später dazu befragt werden, in der Regel nur an den wirkstärksten (schönsten, unangenehmsten, schmerzhaftesten, begeisterndsten) Moment in einem laufenden Prozess erinnern – und an den Endpunkt! Alles dazwischen scheint vollkommen bedeutungslos für die Bewertung des Gesamtkomplexes zu sein. (Eine konkrete Beschreibung der Peak-end rule finden Sie HIER). Wenn das Ende sanfter ausfällt, dann ist auch die Erinnerung daran positiver. Fällt es heftiger aus, dann werden entspanntere Phasen in der emotionalen Erinnerung verdrängt.

Szene aus „Game Of Thrones“

Für „Game of Thrones“ hieße das, dass die Serie nur dann zu keiner Enttäuschung geführt hätte, wenn sie in der letzten Folge nicht versuchen würde, die Zuschauer zu schockieren oder zu überraschen. Würde dieser Effekt nämlich gemessen an den von Kritikern und Fans hochgelobten und vielfach diskutierten aufregenden Schlüsselszenen (wie die „Bluthochzeit“, um nur ein Beispiel zu nennen), dann bliebe schließlich nur Enttäuschung und, im psychologischen Sinne, Ermattung.

Anders ausgedrückt: Je mehr Höhepunkte im Gedächtnis der Zuschauer bleiben, desto weniger intensiv muss das Ende einer Serie zwangsläufig ausfallen, um die Kraft dieser Eindrücke nicht zu gefährden und damit zur Enttäuschung zu führen. „Game of Thrones“ hatte in dieser Hinsicht aber von Anfang an ein Problem, das es nicht mehr loswerden konnte: die Frage, wer am Ende auf dem Eisernen Thron sitzt. Die Entwicklung der letzten Staffeln machte es unmöglich, hier eine theaterhafte Anti-Lösung zu finden, die ohne Drachen auskommt.

„Game of Thrones“ setzt zum Abschluss zu sehr auf Überwältigung

Die Fantasy-Reihe spielte diese heftigen emotionalen Effekte, verbunden mit kostspieligen visuellen Tricks, in den letzten Episoden (Stichwort: „Die größte Schlacht der TV-Geschichte“) noch ambivalenter gegen jene Werte aus, die viele an „Game of Thrones“ schätzten. Krawall statt Erzählhaltung. Überraschende Aktionen statt konsistente Charakterentwicklung. Explosive, schnelle Story-Entwicklung statt langsames Enthüllen von Problemen (mit zeitweise heftigen Gewaltausbrüchen).

„Game Of Thrones“: Das Warten geht weiter

Mit dieser von Fans auch herbeigesehnten Haltung verstieß „Game of Thrones“ aber bisher gegen die Höchststand-Ende-Regel, wenn man die letzte Staffel als ein großes Zuendegehen betrachtet. Um die Zuschauer zu versöhnen hätte also in der letzten Folge kaum etwas passieren dürfen, schon gar nichts Überraschendes. Das tat es aber.

„Game of Thrones“ sollte es machen wie…

Wenn man die Frage, wer am Ende auf dem Eisernen Thron sitzt, als eine schmerzhafte im Sinne einer unerträglichen Spannung betrachtet, dann wäre es für die Befriedigung dieser Regel am besten, wenn nach nur wenigen Minuten der letzten Episode klar geworden wäre, wer darauf Platz nehmen kann. Und dass es überhaupt jemand tut. Der Rest wäre Versöhnung gewesen. Und was hätte „Game of Thrones“ nach Daenerys Inferno mehr gebraucht als Konziliation und Entspannung?

Wenn Sie kein Wort glauben, dann denken Sie an die „Sopranos“, „Six Feet Under“, „Breaking Bad“, „The Leftovers“ und „Mad Men“.

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