Rammstein: Wie gut ist das neue Album? Kritiken auf einen Blick (Update)

Die größte Band Deutschlands hat nach zehn Jahren wieder eine Platte veröffentlicht. Meisterwerk oder eine peinliche Angelegenheit?

Rammstein sind back in the game. Seit Freitag (17. Mai) steht die neue LP „Rammstein“ in den Läden und kann gestreamt oder heruntergeladen werden. Der Nachfolger von „Liebe ist für alle da“ wurde wochenlang mit Promotionaktionen begleitet, die nun wirklich Lust darauf machten, das komplette Album zu hören. Zu den Singles „Deutschland“ und „Radio“ gab es bisher nur Soundschnipsel zu hören, die zumindest mächtige Riffs und auch ein paar Klangexperimente erwarten ließen.

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ROLLING STONE hat sich mal umgehört, wie unsere Kollegen die neuen Songs von Rammstein so finden.

Rammstein: Neues Album – Kritikerspiegel

Unsere Kollegen vom MUSIKEXPRESS sind nicht gerade euphorisch. Zu viel Unfug und einiges erstaunlich ironiearm, befindet Oliver Götz:

„Ihr siebtes Album nach zehn Jahren Wartezeit haben die Berliner nun nichtsdestotrotz als ein ungewöhnliches, mutiges Werk ankündigt. Aber gerade dieses bisschen Mut führt leider zu Unfug wie dem 90s-Dorftechno-Refrain in dem Stück „Ausländer“ oder mündet in bekannte Standard-Arrangements wie dem längst auserzählten Schwarzmetaller-Witz „Treffen sich ein Chor Gregorianer und ein halbes Dutzend Gitarristen mit Bauchgrimmen …“ („Zeig dich“) oder dem Industrial-Rock’n’Roll der Ministry-Oldschool („Sex“). Oder die Ideen werden einfach nicht konsequent zu Ende verfolgt – wie in „Diamant“, wo Till Lindemann als leidenschaftsgefolterter Bariton Idol Roland Kaiser in den Kitschkrieg folgt, nur um nach halbem Lied wieder kehrtzumachen.“

Thorsten Zahn befindet für METAL HAMMER, dass Rammstein einen eleganten Weg gefunden haben, das Altbewährte nicht langweilig werden zu lassen.

„Rammstein wiederholen gewisse Schemata, ohne zu langweilen. Erinnerungen an bereits gehörte Songs in der Vergangenheit sind nicht ideenlos, sondern gewollt. (…) Alle Extreme, die das Rammstein-Universum hergibt, werden ausgelotet. Harte Riffs, tanzbare Beats (‘Radio’ zum Beispiel ist ein Glanzstück eines Ohrwurms), wundervolle Harmonien und mitreißende Melodien: Das Album bietet alles in einem.“

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Andreas Borcholte von SPIEGEL Online findet die neue Platte von Rammstein ganz witzig und glaubt, dass man tiefere Botschaften lieber nicht suchen sollte.

„Im Zweifel regelt’s eh der Trieb, das Animalische. Dafür steht „Sex“, ein musikalisches Dampframmeln, das in der Strophe deftig über „dralles Fleisch“ sinniert und im launig-hymnischen Refrain fast schon an die Toten Hosen erinnert: „Komm mit mir / Wir leben nur einmal / Wir lieben das Leben / Wir lieben… SEX“. Ein weiterer Beleg dafür, dass Rammstein niemals mit Intellektuellen verwechselt werden sollten.“

Juliane Liebert macht sich in der SÜDDEUTSCHEN ein wenig lustig über die hermetische Abriegelung des neuen Materials seitens der Plattenfirma und findet, dass die Band ganz bewusst verwirren will (um damit am Ende keinen zu enttäuschen?):

„Die eigentlich interessante Frage ist: Wie kann man das als Band aufrechterhalten, wenn die liberale Gesellschaft nur noch wenig Reibungsfläche bietet? Die Antwort von Rammstein war zunächst: Durch Strenge und Monumentalität. Aber wie reagiert eine solche Band ästhetisch darauf, wenn rechtsradikales Denken wieder zu einer politischen Kraft wird? Mit radikaler Verwirrung. Rammstein mussten gar nicht auf die neue politische Lage reagieren in dem Sinn, dass sie sich neu erfinden mussten, um nicht ihrerseits nazimäßig rüberzukommen. Sie verstärken einfach nur, was sie längst machen: nationalen Steam-Punk-Karneval.“

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In der FAZ zeigt sich Tobias Rüther etwas gelangweilt von der Rammstein-Masche. Risiken gehe die Band inzwischen nicht mehr ein:

„So oft, wie Rammsteins Sänger Till Lindemann in all den Jahren schon mit rollendem R den „Schmerz“ angesungen, das „Weib“ beschworen, die Himmelsmächte zu Zeugen berufen hat, am „Weltempfänger“ gedreht oder sich selbst als Schlachtermeister Biberkopf inszeniert hat, ist da kein Platz mehr für Risiko. Rammstein herrschen über ihre Motivwelten, und sie beherrschen sie streng. „Wenn das Blut die Tinte küsst“, singt Lindemann auf „Tattoo“, „wenn der Schmerz das Fleisch umarmt“ – Texte, wie aus Kühlschrankmagneten montiert. Und im Kühlschrank dahinter dann Blutwurst und Sauerkraut.“

Auch Jens Balzer klärt für die ZEIT auf, dass es besser für die Hörer der neuen Platte von Rammstein ist, nicht nach dem Sinn zu fragen. Till Lindemann wünscht er mehr Zeit bei der Bearbeitung der Texte:

„Was die Welt von Rammstein zusammenhält, ist also das, was Welten nicht zusammenhält: die Feier des Selbstwiderspruchs und die generelle Unfähigkeit, sich zu entscheiden oder auch nur einen klaren Blick auf die eigenen Bedürfnisse und Gefühle zu erhalten. Damit passen Rammstein – obgleich die Mitglieder schon in ihren Fünfzigern sind – gut zu der gerade nachwachsenden Prokrastinationsgeneration Z. Manchmal würde man sich dennoch wünschen, dass Till Lindemann beim Texten etwas aktiver vorginge. In der Wahl der rhetorischen Mittel ähnelt ein Stück dem nächsten, das wirkt auf Dauer doch etwas ermüdend. Neben dem viel beschworenen Oxymoron böte sich vielleicht ergänzend das Hendiadyoin an, das Anakoluth oder die Paronomasie; in Fragen der stilistischen Varianz hat Lindemann die Möglichkeiten der deutschen Dichtkunst und das Vermächtnis seiner Väter noch nicht ganz ausgeschöpft.“

Alles über Rammstein und das neue Album und dazu das große Interview mit der Band lesen Sie in der kommenden Ausgabe des ROLLING STONE (ab 29. Mai im Handel)

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