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Arne Willander schaut fernKolumne

Amazon-Hit „The Marvelous Mrs. Maisel“: Queen of Comedy

Die Serie „The Marvelous Mrs. Maisel“ (bei Prime) zeigt das Leben und das Showbusiness der 50er-Jahre als behagliche Burleske des Skurrilen

Das Fabelhafte an Mrs. Maisel ist, dass sie die Anständigkeit, die Erziehung, die Konventionen und Reglements, die für eine höhere Tochter im New York der 50er-Jahre gelten, absichtlich vergisst, wenn sie auf einer Bühne steht – und die Bühne kann ein Wohnzimmer sein.

Miriam Maisel ist eine adrette, eloquente junge Frau, verheiratet mit dem jüdischen Geschäftsmann Joel, zwei Kinder, ihr Vater Abe Weissman ist Mathematikprofessor an der Columbia-Universität, ihre frankophile Mutter langweilt sich exquisit, sie wohnt in einem Puppenstubenpalast. Ihren Mann drängt es zur Stand-up-Comedy, er bekommt fünf Minuten im Gaslight, aber er bringt die Nummer eines Fernsehkomikers, und er ist überhaupt nicht lustig.

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Dann lässt er sich – naturgemäß! – mit seiner Sekretärin ein und verlässt die Familie, und im trunkenen Stupor entert Mrs. Maisel die Bühne, sie hält eine besoffene, vulgäre und sehr komische Wutrede und zeigt ihre Brüste – jetzt hat sie zwar keinen Beruf, aber eine Berufung. ­Susie, die derb-burschikose Bookerin des Gaslight (Alex Borstein), dient sich ihr als Managerin an, und bei einem kurzen Gefängnisaufenthalt trifft sie Lenny Bruce, der öfter mal verhaftet wird.

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Mrs. Maisel arbeitet in einem Kaufhaus – in der Parfümabteilung, in der Telefonvermittlung –, aber abends tritt sie in jeder Kaschemme auf, die sie haben will. Sie führt eine Doppelexistenz. Einmal sieht ihr Mann einen Auftritt und ist gekränkt, und einmal sitzt ihr Vater im Publikum, entsetzt. Miriam Maisel ist eine unanständige Frau.

Andererseits stammt sie aus einem bürgerlichen jüdischen Milieu, der Woody-Allen-Welt, in dem skurrile Verhaltensauffälligkeiten zur Grundausstattung gehören: Tony Shalhoub als brütender Vater und Kevin Pollak als geschwätziger Schwiegervater nebst Gattinnen sind bizarrer als die unbotmäßige Tochter. Aber diese Familien haben ihre Rituale und Legenden und Eitelkeiten, sie sind neurotisch, aber innerhalb des amerikanischen Systems. Und Mrs. Maisel sprengt das System. Sie kann einfach den Mund nicht halten.

Gibt es ehrliche Stand-up-­Comedy?

„The Marvelous Mrs. Maisel“, inszeniert und geschrieben von Amy Sherman-Palladino und Daniel Palladino, ist eine Serie über die Sitten und Bräuche im Amerika der späten 50er-Jahre, ein Museum der Kleider, Autos und Kulissen, gespiegelt im Showbusiness. Man sieht die Ferien in einem Urlaubsparadies in den Catskills, man sieht die Clubs und einen Telethon, bei dem für Arthritis- und Rheumakranke Geld gesammelt wird.

Jane Lynch spielt die Komikerin Sophia Lennon, die Königin der Comedy, die mit der Persona einer polternden Hausfrauenknalltüte zum Entertainment-Adel mit Stadtvilla, Butler und Domestiken avanciert ist. In dem Antagonismus der ungebärdigen, unberechenbaren Elevin und der arrivierten, bigotten Professionellen liegt der eigentliche Konflikt von „Mrs. Maisel“: Gibt es ehrliche Stand-up-­Comedy? Und lassen sich Leben und das Erzählen von Leben miteinander versöhnen? Lenny Bruce (sieht so aus: Luke Kirby) gibt den Draufgänger, der für seine Kunst sterben würde (und wird).

Rachel Brosnahan spielt Miriam Maisel, als hätte sie nie anderes getan, aber je länger man ihren Nummern zuschaut, desto mehr sieht man die Manierismen. Sie ist eine Komödiantin, die aus dem schöpft, was sie erlebt, und deren Witz aus der Diskrepanz zwischen einer repressiven Gesellschaft und der frechen Rede entsteht.

Mrs. Maisel ist lustig, weil sie sagt, was alle wissen und worüber sie nicht zu sprechen wagen. Sie ist eine Hofnärrin: Man lacht über ihre Unbotmäßigkeiten, solange sie abseits der Bühne nicht aus der Reihe tanzt. Ihr Aufbegehren endet bei der Familie, bei den Männern und den Kindern: Mrs. Maisel möchte es schon auch schön und kommod haben, sie möchte umworben werden, sie möchte den Erfolg zu ihrem Preis haben und nicht um jeden Preis.

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„The Marvelous Mrs. Maisel“ ist selbst das Showbusiness, von dem es erzählt, die Topoi der 50er-Jahre, in der Beatniks und Bourgeoisie, Fernsehen und Diners, Geheimdienst und Kalter Krieg, Jackie Kennedy und Grace Kelly, Sinatra und Taylor und die übliche Paris-Episode (Seine, Cafés, Chansons, Käse, Baskenmütze) als pittoreske Behaglichkeit erscheinen. Es ist eine versunkene Welt, das letzte gute Land, das umso besser wird, je öfter gezeigt wird, wie spießig es war.

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