10 Dinge, die Sie über Rammstein garantiert noch nicht wussten
ROLLING STONE beleuchtet 10 kaum bekannte Fakten über die Band.
1. Echte Wunden
Das Video zu „Rosenrot“ aus dem Jahr 2005 ist nicht nur irgendein Video. Eigentlich verbietet sich die Formulierung „irgendein Video“ für sämtliche Rammstein-Videos sowieso. Bei diesem Beispiel muss die Bedeutung des Wortes „Körpereinsatz“ allerdings neu definiert werden, was die Erzählung des Regisseurs Zoran Bihać verdeutlicht. Die Band hatte bereits bei den Clips für „Links 2, 3, 4“ und „Mein Teil“ mit ihm zusammengearbeitet. „Rosenrot“ setzte nochmals neue Maßstäbe.
Die Mitglieder von Rammstein spielen eine Gruppe Mönche, die sich im Laufe der Erzählung selbst geißeln. So weit, so gut – normalerweise erledigt man die entstehenden Wunden mit Make-Up. Nichts besonderes an einem professionellen Film-Set. Rammstein hingegen tranken literweise Wodka und fügten sich die zu sehenden Spuren tatsächlich zu. Work hard, play hard!
2. Die Klage des Kannibalen
„Mein Teil“ vom Album „Reise, Reise“ behandelt das Thema des sogenannten „Kannibalen von Rotenburg“. Armin Meiwes tötete Bern Brandes auf dessen Verlangen und aß Teile seines Körpers. Rammstein-Gitarrist Richard Kruspe berichtete von seiner Neugier zu erfahren, weshalb ein Mensch so etwas tun wolle. Laut seiner Recherche unterband Meiwes‘ Mutter jegliche sozialen Kontakte ihres Sohnes, sodass er ein Mittel dafür suchte, dass jemand für immer bei ihm bleiben würde. Kruspe und die Band hielten die Tat für hervorragendes Material für einen Rammstein-Song.
Leider hatten sie die Rechnung ohne Armin Meiwes gemacht. Er verklagte die Band, da sie seine Geschichte ohne seine Erlaubnis verwendeten. Rammstein nennen keine Namen oder Ähnliches, aber es wird unmissverständlich deutlich, worum es geht. Auch das dazugehörige Video, ebenso von Zoran Bihać gedreht, gibt eher indirekte Verweise auf Meiwes. So spielt Schlagzeuger Christoph Schneider ein Frau in Anlehnung an Armin Meiwes Mutter. Der Ausgang der Klage ist bis heute unbekannt.
3. Wie viel Show darf’s sein?
Rammstein und Feuer. Eine unzertrennliche Geschichte. Pyrotechnik gehört zu jeder Rammstein-Show, und zwar in rauen Mengen. Es wäre wohl nicht übertrieben zu sagen, dass Rammstein der Inbegriff von Pyro-Einlagen bei Konzerten sind. In Anbetracht dessen scheint – bzw. ist – die Gefahr eines Unfalls natürlich sehr hoch. Denken wir nur an James Hetfield und seinen Unfall mit Metallica 1992 in Montreal – er verbrannte seine Arme derart, dass an Gitarrespielen für Monate nicht zu denken war.
Till Lindemann nutzte genau diese Gedanken, um den Fans einiger Konzerte einen gehörigen Schrecken einzujagen. Er täuschte vor, seine Kleidung in Brand gesetzt zu haben, und hampelte in einem Spezialanzug auf der Bühne herum. Rammstein-Keyboarder Flake eilte mit einem Feuerlöscher herbei, aus dem jedoch entzündbares Pulver strömte, um den Effekt zu verstärken. Nach zwanzig Shows war der Spaß vorbei. Zu viele Fans hatten sich über den Schock über den vermeintlichen Unfall beschwert.
4. Lindemann vs. Putin
Am 19. Juni 2016 spielten Rammstein in Moskau. Auch in Russland füllen die Berliner Stadien, seit vielen Jahren sind sie im größten Land der Welt eine riesige Nummer und benannten sogar ein Lied auf dem Album „Reise, Reise“ nach der russischen Hauptstadt. Vor der Show überreichten angebliche Freunde des Promoters Ed Radnikov Till Lindemann ein teures Geschenk in Form einer vergoldeten iPhone-Hülle mit dem Konterfei Wladimir Putins. Was an sich schon geschmacklos genug ist, wurde im Nachgang noch weiter instrumentalisiert.
Nur wenige Tage nach dem Konzert kursierte die Fälschung eines Fotos im Internet, das Lindemann in einem T-Shirt zeigt, auf dem erneut Wladimir Putin zu sehen ist. Gleichzeitig wurde er mit den Worten zitiert: „In Deutschland kann sich nicht einmal Angela Merkel mit solch einer Popularität wie Putin brüsten. Ich mag ihn, er ist ein harter Leader und keine Marionette“.
Lindemann wehrte sich juristisch gegen die Vorwürfe und erklärte den hochgereckten Daumen auf dem Bild als Reaktion auf die Nachfrage, was er von Moskau halte. Das Bild konnte als plumpe Photoshop-Fälschung entlarvt werden.
5. Ein Mann vieler Talente
Till Lindemann ist Dichter, bildender Künstler, Schauspieler, er spielt Schlagzeug und ist eben der Sänger von Rammstein. Dies alleine liest sich ansehnlich, doch eine (ehemalige) Begabung wird häufig übersehen. In seiner Kindheit und Jugend besuchte er ein Sportinternat und schwamm als Leistungssportler für den SC Empor Rostock.
1978 wurde er siebter bei der Jugend-Europameisterschaft im Schwimmen über 1500 Meter, worauf er für die DDR bei den Olympischen Spielen 1980 in Moskau antreten sollte. Zur Teilnahme kam es jedoch nie, da er sich während der besagten Europameisterschaft in Italien unerlaubt aus dem Hotel geschlichen und sich von BRD-Sportlern „klassenfeindliche“ Aufkleber besorgt hatte.
6. Eine sportliche Band
Aber nicht nur Till Lindemann machte in Kindertagen als Sportler auf sich aufmerksam. Auch Schlagzeuger Christoph Schneider zeigte sein Talent abseits der Musik. Genauer gesagt als Handball-Torwart. Schneider zieht deutliche Parallelen zwischen dem Schlagzeugspielen und der Position des Torwarts. „Die Rolle des Torhüters entspricht in der Musik der des Schlagzeugers. Du bist hinten, bist für die Defensive verantwortlich und hältst den Laden zusammen. Aber: Du gibst den Rhythmus fürs Spiel vor, eine besondere Rolle“, berichtete er der „Welt“-Sportredaktion.
Schneider war in der DDR ein recht erfolgsversprechender Nachwuchs-Sportler, spielte als Kind bei Dynamo Nordwest, aber nach dem Umzug mit den Eltern nach Halle/Saale geriet er in ein Team, das ihn die volle Härte des Handballs spüren ließ. Als Torhüter bekommt man am laufenden Band Bälle ins Gesicht. „Schon beim ersten Treffer wurde mir richtig schwarz vor Augen, nach dem zweiten wurde mir so schlecht, dass ich spontan beschlossen habe, nie wieder Handball zu spielen.“
7. David Lynch
Rammstein gehören zu den musikalischen Exportschlagern Deutschlands. Besonders in den USA sind ihre vor Pyrotechnik strotzenden Shows sehr beliebt. So richtig wurden sie in den Staaten aber erst bekannt, als sie es mit „Rammstein“ und „Heirate mich“ auf den Soundtrack zu David Lynchs „Lost Highway“ (1997) schafften. Der Regisseur berichtete im „Spiegel“-Interview: „Schon seit Jahren schickt mir die Band ihre CDs. Ich habe sie nie angehört. Aber dann habe ich zufällig ihr letztes Album aufgelegt – und es war genau das, was ich für ‚Lost Highway‘ brauchte.“
Amerikanern suggerieren vielleicht schon Till Lindemanns Tonfall und sein gerolltes R, er würde hier von schlimmen Dingen singen. Der Schein trügt nicht: „Rammstein – ein Mensch brennt/ Rammstein – Fleischgeruch in der Luft.“ Ein bisschen atmosphärische Elektronik, martialischer Sound, Wiederholung und Gewalt in den Texten – Rammstein und ihr Grundkonzept.
8. Rammstein vs. Bundesrepublik Deutschland
Kein großer Fan der Rammstein-Texte war 2009 hingegen die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Das Album „Liebe ist für alle da“ wurde kurz nach dessen Erscheinen nach einem Antrag des Familienministeriums auf den Index gesetzt. Der Grund dafür war laut der Behörde vor allem das Lied „Ich tu dir weh“, das mit der Abbildung einer Folterung im Booklet der Platte begleitet wurde.
Das Kölner Verwaltungsgericht machte die Entscheidung bereits 2010 wieder rückgängig, doch die Band reichte im Jahr 2016 zusätzlich eine Schadensersatzklage in Höhe von 66.000 Euro beim Bonner Landgericht ein. Das Bonner Gericht stimmte der Klage in der Sache zu, lehnte allerdings die von der Band geforderte Summe ab, und stellte eine Vergleichsbetrag von 15.000 Euro in den Raum. Die Richter begründeten ihr Urteil auch damit, dass sich die Mitarbeiter der Bonner Bundesbehörde fahrlässig einer Amtspflichtverletzung schuldig gemacht hätten.
9. Rammstein und Depeche Mode
Rammstein, insbesondere Richard Kruspe, hegen eine starke Leidenschaft für Depeche Mode. In einem Interview mit der amerikanischen Ausgabe des ROLLING STONE verriet die Band, welchen Einfluss Depeche Mode auf ihre eigene Musik ausübten. Dave Gahan kommentierte die Huldigung mit den scherzhaften Worten: „Sobald es aufgeschrieben ist, stimmt es ja“. Ernsthafter führte er fort: „Es ist wirklich schmeichelhaft, dass diese Band uns als Inspiration nennt“.
Für sein Solo-Projekt Emigrate wollte Richard Kruspe sogar Martin Gore als musikalischer Partner gewinnen. Im Zuge der Veröffentlichung des Albums „A Million Degrees“ sprach Kruspe über Künstler, von denen er sich inspiriert fühlt und mit denen eine Zusammenarbeit vorstellbar ist: „Martin Gore von Depeche Mode gehört auf jeden Fall zu den Songschreibern, die mir immer ganz viel bedeutet haben. Er ist auch jemand, mit dem ich gerne mal einen Song machen würde“, erklärte er in einem Interview mit der Zeitung „HAZ“.
Man habe sich sogar bereits konkret über eine Zusammenarbeit unterhalten: „Wir haben uns geschrieben. Er ist bereit. Ich muss noch den richtigen Song finden, glaube aber, mit Martin wird das eher eine Kollaboration, wo ich sage: ‚Hier ist ein Stück Musik; mach’ mal weiter. Normalerweise schreibe ich ja alles und tausche dann den Sänger aus. Harmonisch und musikalisch ist er mir sehr nahe.“
10. Ein Ausflug ins DDR-Gefängnis
Das Aufwachsen in der DDR hat viele Spuren in der DNA der Band hinterlassen. Gitarrist Paul Landers sagte einmal, dass es Rammstein im Westen nie gegeben hätte. Zwar gründete sich die Band erst nach dem Mauerfall im Jahr 1994, doch die Weichenstellungen in den Jahren zuvor waren hierbei nicht wegzudenken. Christian „Flake“ Lorenz vermisste im Nachhinein die Einfachheit der Strukturen in der DDR, die es seiner damaligen Band Feeling B einfach machten, an Popularität zu gewinnen. All diese Dinge dürfen jedoch nicht als simple nostalgische Erinnerungen an die Deutsche Demokratische Republik verstanden werden.
Etwa die Schwierigkeit, überhaupt an Equipment zum Musikmachen zu gelangen, war eine Sache. Tagelang in einem DDR-Gefängnis zu verbringen und Prügel zu kassieren, nur weil man zur falschen Zeit am falschen Ort war, dagegen eine andere. Am 10. Oktober 1989, einen Monat vor dem Mauerfall, fand sich Richard Kruspe in einer politischen Demonstration gegen das SED-Regime wieder. Er trat aus einer U-Bahn-Station in Berlin und wurde umgehend niedergeschlagen und für sechs Tage eingesperrt, verhört und misshandelt. Nach diesem Vorfall fasste er den Entschluss, vom Osten in den Westen zu fliehen.