Led Zeppelin
The Song Remains The Same
1973 waren Led Zeppelin die größte Live-Band der Welt – wie ein neues Boxset unterstreicht
Die Hemden trugen sie aufgeknöpft bis unter den Bauchnabel, und unter dem Bauchnabel saß bei Robert Plant eine Jeans, die als hauteng zu bezeichnen lachhaft untertrieben wäre – man sah alles, in full size, vom Stoff umpellt. Den lockenmähnigen Kopf warf der Sänger nach hinten, bevor er ans Mikrofon trat, um vier Worte zu sagen: „Jimmy Page, electric guitar.“ Das war arschcool. Denn Page hatte soeben den 30-Minuten-Wahnsinn namens „Dazed And Confused“ beendet, sein entfesseltes Spiel, sein Zerren und Gleiten, sein lässiges Virtuosentum, das nie der reinen Zurschaustellung diente, sondern immer dem Flow der Musik.
1973 waren Led Zeppelin auf dem Höhepunkt ihres Könnens. Danach kam „Physical Graffiti“ und danach nur noch Alben, von denen man heute gern sagt, sie wären unterschätzt. 1973 veröffentlichte die Band „Houses Of The Holy“, ihre fünfte Platte, und ging auf Tournee. Die drei Abschlusskonzerte im New Yorker Madison Square Garden wurden gefilmt, der daraus resultierende und mit Traumsequenzen der Bandmitglieder angereicherte Film (Page klettert einen Berg hoch, Plant rettet eine Prinzessin) kam erst 1976 ins Kino, der Soundtrack wurde im selben Jahr veröffentlicht. Und obwohl er ein Zusammenschnitt des Konzertmaterials war, blieb „The Song Remains The Same“ das gültige Led-Zeppelin-Live-Dokument.
Nun wird das ehemalige Doppelalbum neu veröffentlicht, 50 Jahre nach dem ersten Auftritt der Band, damals noch als The New Yardbirds. Neu remastert und erhältlich als Volksausgabe auf zwei CDs oder als Vierfach-Vinyl. Und dann gibt es die Deluxe-Box mit Doppel-CD, Vierfach-Vinyl, Doppel-DVD/Blu-ray (mit dem Film, Outtakes und Bonusmaterial), einer Blu-ray-Audio mit 5.1-Mix (96 kHz/24 Bit), einer Audio-DVD in Dolby-Digital-5.1-Surround, einem Bildband, dem Cover als Kunstdruck und dem herrlichen Poster zur Japan-Premiere. Eine Materialschlacht, ein Wahnsinn!
Wimmern in höchste Höhen
Was wirklich neu ist: der kristalline 5.1-Mix und die von Jimmy Page höchstpersönlich umgestellte Tracklist. Er veränderte die Abfolge der Songs an zwei Stellen, sodass erstmals die fast 30-minütige Version von „Dazed And Confused“ auf eine einzige Plattenseite passt. Bei dem Vinyl-Reissue von 2007 war das Monsterstück noch auf zwei Plattenseiten verteilt worden. Egal in welcher epischen Länge, der Track steht für die Lust am Mäandern und Ausufern, die die erste Monsterrockband der 70er-Jahre antrieb. Oder wie Page sagt: „Das Improvisieren, die Riffs, die irgendwo aus dem Äther zu kommen schienen, das war Magie, und es ließ uns kollektiv in die Stratosphäre abheben.“
Okay, manche Tracks wurden sehr lang, wenn Led Zeppelin auf der Bühne standen, und bei aller Hochachtung vor John Bonham, überschreitet sein Schlagzeugsolo auf „Moby Dick“ einige Schmerzgrenzen. Aber das gehörte dazu. Wie das kurze, prägnante „Rock And Roll“ als Eröffnungsstück, gefolgt von einer Handvoll Dreieinhalb-Minuten-Songs, bevor die Band dann abhob, befeuert von „Atmosphäre, Adrenalin, Chemikalien und Euphorie“, wie Robert Plant später zu Protokoll gab. „28 Minuten ‚Dazed And Confused‘? Niemand außer den Grateful Dead machten so etwas!“
Getrieben von Bonhams Schlagzeug und John Paul Jones’ Bass tauchte die Band in schwere Blues-Wellen, wimmerte Plant sich in höchste Höhen, perlte Pages „Ein-Mann-Gitarren-Orchester“ (Copyright by Cameron Crowe, der die Linernotes verfasst hat), das man noch nie so klar und schön gehört zu haben glaubt wie auf der remasterten Live-Version von „No Quarter“, selten so zärtlich wie in „Since I’ve Been Loving You“.
Led Zeppelin spielten den weichsten Hardrock ihrer Generation. Die Fäuste waren sanft geballt und Plants dicke Hose ein Pastiche ihrer Zeit. Der Rock’n’Roll der 70er-Jahre fand in Led Zeppelin ihr Monster, ein Monster aus Samt und Endorphinen. Und wenn man den Konzertzusammenschnitt von 1973 heute hört, dann erschließt sich noch einmal, was dieses Monster so unwiderstehlich machte.
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