Nik Bärtsch live im Venue Berlin: Kinetischer Flow
Im Venue Berlin erklärte Nik Bärtsch am Mittwoch (25. April) seine „Ritual Groove Music“ und spielte die von asiatischer Spiritualität geprägten Stücke seiner Band Ronin solo am Klavier.
Alles nur eine Frage des Spirits! Für seine nicht selten kräftezerrenden Auftritte zieht sich Nik Bärtsch gerne zurück und übt sich in Kampfkunst. Der Körper muss aufgerichtet sein für diese organische, sinnliche Musik, die sich im Spannungsfeld zwischen Jazz, Funk und Contemporary Composition aufreibt.
Natürlich fiele es nun leicht, den Zenfunk seiner Band Ronin, mit der Bärtsch seit 2001 auf Tour ist und seit 2006 Alben bei ECM veröffentlicht, metaphorisch mit diesem speziellen, spirituellen asiatischen Sport in Einklang zu bringen. Doch der Musiker, der im Venue Berlin ohne seine Bandkollegen allein am Klavier und mit einer Art Samuraikutte auftritt, hat noch ein paar weitaus bessere Erklärungen für seine spannungsreichen Stücke parat, die fürgewöhnlich zunächst eigenständig am Klavier als eine Art Grundkomposition entstehen, bevor sie mit den Musikerkollegen einmal die Woche in Bärtschs Club in Zürich („Exil“) feinjustiert werden.Ist das noch Jazz?
Eigentlich könne er doch einfach ein paar Samples nutzen und sich den ganzen Aufwand sparen, sagt ROLLING-STONE-Autor Markus Schneider, der die Karriere des Musiker seit Jahren auch für den ROLLING STONE verfolgt, im Gespräch mit Bärtsch provozierend. Das wäre Betrug am Konzept, kontert Bärtsch, denn das was Ronin ausmache, sei eine transzendentale Haltung, eine Unmittelbarkeit, die durch das gemeinsame und organische Spiel entstehe.
Ein Clip, der im Konzertraum abgespielt wird und die Band dabei zeigt, wie sie in einen „kinetischen Flow“ (Bärtsch) hinein laviert, demonstriert dieses Verfahren auf eindrückliche Art und Weise. Ist das noch Jazz? Es enthält ja keine Soli – auch wenn der Musiker an diesem Abend demonstriert, dass seine Klangschöpfungen, die er Module nennt, auch allein am Klavier genügend Spannung aufbauen können. Außerdem ist alles komponiert.
Für Bärtsch ist diese Frage nicht von Bedeutung. „Meine Hände finden Dinge, die der Kopf nicht findet.“ So entwickele sich fernab akademischer Strenge ein Groove, bei dem es vor allem später darum ginge, ihn immer besser zu verstehen, anstatt ihn, wie in der Jazz-Improvisation üblich, weiter auseinanderzunehmen. Und es gehe um die gemeinsame Bewegung als Band, wie auch schon der japanische Titel der neuen Platte, „Awase“ (erscheint am 04. Mai), andeutet.
Beat-Paradoxien
Bärtsch hat – ebenso wie seine Bandkollegen – bereits in vielen Formationen gespielt. Zuletzt machten Ronin aber aus ausschließlich privaten Gründen eine längere Pause und setzten sich als Gruppe neu zusammen. Inzwischen ist man wieder ein Quartett. Das gab Bärtsch die Möglichkeit, erneut mit seiner akustischen Band Mobile aufzuspielen und den Kopf frei zu kriegen, um Ronin vielleicht noch einmal neu zu erfinden.
In dieser Zeit hat Bärtsch viel Miles Davis gehört (vor allem seine Platten aus den 70ern), aber auch Dizzy Gillespie, türkischen Mambo und „My Life In The Bush Of Ghosts“ von Byrne/Eno, das seiner Meinung nach geradezu ideal die repetitiven Groove-Strukturen vorgibt, die er mit Ronin suche. Bärtsch spricht im Zusammenhang mit seiner Musik auch von Beat-Paradoxien und vergleicht sie mit M.C. Eschers rätselhaften Unmöglichkeitsbildern. Vor und nach dem Interview gibt es jeweils ein Stück aus dem neuen Album zu hören, von Bärtsch hochkonzentriert und manchenteils mit einem verzückten Lächeln im Gesicht allein am Klavier vorgetragen.
Was sich zunächst wie schwere Regentropfen anhört, wandelt sich während des Spiels zuweilen zu gedämpften Technobeats – ohne dass freilich irgendein elektronisches Instrument eingegriffen hätte. Bärtschs pulsierend-vitaler Zenfunk hat derartige Hilfsmittel auch gar nicht nötig. Diese Klänge ruhen ganz in sich selbst.