Kritik: „The Walking Dead“, Season-Finale: Warum beenden sie jetzt nicht die Serie?
Ein lustiger, aber unlogischer Twist beendet die bislang schwächste „Walking Dead“-Staffel. Hat die Zombieserie wirklich noch eine Zukunft?
Die Kritik enthält wesentliche Spoiler!
„The Walking Dead“-Showrunner Scott Gimple gab zu Protokoll, dass er Eugene-Darsteller Josh McDermitt vor Drehbeginn der jüngsten Episode, „Wrath“, absichtlich über den Twist im Unklaren ließ, der ihn zur entscheidenden Figur im „All Out War“ der Saviors gegen Rick machen würde. Ganz einfach, damit McDermitt genauso überrascht ist von seiner 180-Grad-Wende, wie wir Zuschauer. Das kann man sich gut vorstellen. Denn Eugenes überraschende Wendung hinterlässt einige Fragezeichen.
Warum und für wen verlässt Eugene den sicheren, kreativen Job bei den Saviors? Wieso war der gefangene Dwight plötzlich so impulsiv? Woher hat der halb erblindete Gabriel die Chuzpe und vor allem Kraft gehabt, Negan per Faustschlag niederzustrecken?
Drei Unklarheiten, die den eigentlichen, wirklich überraschenden Twist – Eugene hat die ganze Zeit an sich selbst zerstörender Munition gearbeitet, die in den Händen der Saviors explodiert – etwas kleiner machen. Das Risiko war immens, denn wenn die Saviors ihre autodestruktiven Patronen auch nur einmal vorab getestet hätten, bevor sie sie auf Rick und Freunde richteten … Eugene hätte große Probleme mit Negan bekommen.
Keine Frage, dass die für viele Späße zu habenden „Walking Dead“-Autoren sich mit diesem Logik-Loch nicht auch noch beschäftigen wollten.
Es ist schon fast eine bittere Ironie, dass die vielen Strategien von Rick, Maggie und Michonne auf der einen und Negan und Simon auf der anderen Seite 16 Episoden lang egal waren, weil der Doktor letztendlich die einzige brillante Idee hatte. Als Twist also gut. Aber dieser Twist macht jede voran gegangene Schießerei lächerlich. Nicht Carl ist die entscheidende Figur dieser Season, nicht Negan. Sondern Eugene. Und zwar die einzige.
Was bleibt von Staffel acht? So gut wie nichts. Zwei harte, für die Entwicklung der Story nicht vorteilhafte Todesfälle (Carl und Simon). Ein Morgan, der sich zum Psychopathen wandelte, vielleicht, um seinen Abgang bzw. Wechsel zu „Fear The Walking Dead“ zu rechtfertigen, die Schwesterserie, die dringend bessere Quoten braucht. Hier hätte man gerne Mäuschen in den Planungsrunden gespielt. Warum schicken sie gerade Morgan rüber – weil er am verzichtbarsten sei von allen „TWD“-Charakteren, oder weil er in ihren Augen die größte Bereicherung für die andere Serie darstellt?
Wenn sein Freund Jesus ihm jetzt noch, nach hunderten Morden, erklären muss, wie er seinen Kampfstab gebrauchen kann um Menschen nicht zu töten, dann ist auch das Ausdruck eines erzählerischen Stillstands. Das Morgan-Du-darfst-nicht-töten-Thema ist wirklich durch, solche Gespräche hatte er schon zu oft, vor allem mit Carol (die in dieser Staffel auch nicht vorankam). Hoffentlich müssen Madison und Nick Clark mit diesem Kerl nicht nochmal dieselben Diskussionen führen.
Oder Daryl. Der enttäuschendste Charakter dieser Season, dessen Antrieb aus nichts anderem zu bestehen schien, als den vermeintlichen Wendehals Dwight zu töten. Daryl hängt in den Seilen, schlimmer noch als Carol. Er war für diese Staffel in keiner Szene kriegsentscheidend.
The Walking Dead: Wie wird Staffel neun?
Das alles ist viel zu wenig für eine der populärsten Serien unserer Zeit. Da kann AMC-Mann Scott Gimple trotz rapide sinkender Einschaltquoten darauf verweisen, dass man dank später eingeholtem Streaming immer noch sehr gut dastünde. Stimmt vielleicht. Aber „The Walking Dead“ hat einfach keinen Sprit mehr im Tank.
„I am big. I am better. And I got a bat“ – Negan hat die besten Slogans, und dass er am Ende vor dem Tod gerettet wird, war die richtige – auch im Comic vorgelebte – Entscheidung (Rick wandte gegen Negan einen ähnlichen Trick an wie einst gegen Shane – Gefühlskino, dann Überraschungsangriff).
Aber die weitere Entwicklung von „The Walking Dead“ lässt nichts Gutes befürchten. Gimple geht zwar, aber der neue Showrunner Angela Kang kündigte genau das an, was besser nicht passieren darf: eine Orientierung an den Staffeln vier und fünf.
Kommen die Whisperers?
Mit ihrer Rückkehr zu den Prinzipien dieser zwei Seasons meint Kang wahrscheinlich, dass sie gerne die herausragenden Quoten zurück hätte. Allerdings schiebt sie Story-Gründe vor: Sie will die Truppe wieder in Bewegung sehen. Mehr Handlungsorte und Fluchten. Das brachte uns die irrsinnigen Kannibalen der „Terminus“-Station und hochlangweilige Wanderungen durch die Wälder.
Bob nutzte einst die Spaziergänge, um seine Alkoholsucht zu bekämpfen, Daryl und Beth warfen lauter lustige Sachen in ihr Lagerfeuer und sangen Lieder, dann verschlug es Beth nach Atlanta in ein Krankenhaus. Das brachte natürlich Abwechslung im Setting. Aber die Erinnerung an Atlanta ist heute so entfernt wie ein sehr alter Traum, da die „Walking Dead“-Figuren aus diesen Episoden nichts ins Heute rübergerettet haben.
Die Zukunft der Serie könnte auch davon abhängen, ob die neuen Bösewichte kommen, genannt „Whisperers“. Oder ob Angela Kang sich dagegen entscheidet, weil die Whisperers Rick und Freunde ja an ihren bisherigen Ort binden könnten, was wieder zu Stellungskriegen führen würde. Von allen seinen Gegnern sind die Whisperers die anfänglich furchteinflößendsten, später aber auch die am leichtesten zu entzaubernden (Comic-Schöpfer Robert Kirkman lässt sie in seinen Werken am Ende fast zur Karikatur verkommen).
Wenn Rick, Daryl, Michonne und die anderen nun wieder in Bewegung gebracht werden: Was wird aus Negan? Lassen sie ihn dann im Verlies verrotten?
Es wäre das perfekte Ende für The Walking Dead
Man weiß nicht, ob das wirklich besser wäre für „The Walking Dead“. Die Quoten der Serie jedenfalls stehen unter größerer Beobachtung denn je.
Aber wäre das Finale von Season acht nicht auch ein guter Zeitpunkt für das Ende der Serie gewesen? Erstens, Rick hat seinen bislang härtesten Gegner besiegt, zum Schluss mit ein wenig Tücke, er funktionalisierte Carls Tod, um Negan für einen kurzen Moment weich zu klopfen. Aber er hat doch gewonnen.
Zweitens, Rick hat sein Team so gut, wie es geht, zusammengehalten. Und er hat die härteste Prüfung, den Verlust des eigenen Kindes, überstanden. Judith lebt, Michonne hält zu ihm. Flashforwards bzw. Flashbacks zeigten ihn als alten Mann sowie als jungen Mann mit dem kleinen Carl. Zukunft und Vergangenheit. Besser kann das Leben für ihn und die anderen von nun an nicht werden. Schlechter aber auch nicht, denn die Zombie-Apokalypse kennt kein Ende.