10 Dinge, die kaum einer über „Das Dschungelbuch“ weiß
Vor 55 Jahren kam „Das Dschungelbuch“ (The Jungle Book) ins Kino. Der vielleicht beliebteste Disney-Film, und der letzte, an dem Walt Disney beteiligt war, birgt einige Geheimnisse.
1. „Das Dschungelbuch“ war Walt Disneys letzter Film
Walt Disney starb während der Produktion von „Das Dschungelbuch“ im Jahr 1966. Er selbst hatte nicht mehr die vollständige künstlerische Kontrolle über das Projekt, weil er schon schwer krank war. Deshalb fragten sich viele Mitarbeiter der Walt Disney Company zu dieser Zeit, wie es nach seinem Tod weitergehen würde – vor allem mit der kostspieligen Zeichentrickabteilung. Die stand nämlich trotz großer Erfolge in der Vergangenheit aufgrund massiv gestiegener Kosten in Frage. Der gewiefte Geschäftsmann Disney hatte das Studio längst unabhängig gemacht, mit zahlreichen Eigenproduktionen im Fernsehen und nicht zuletzt wegen Disneyland. Weil „Das Dschungelbuch“ aber ein Mega-Hit an der Kinokasse wurde (in Deutschland ist es sogar der meistgesehene Kinofilm aller Zeiten), musste niemand auf die Straße gesetzt werden. Das Animationsstudio konnte weitermachen.
2. Oscar-Streit um „Das Dschungelbuch“
Als „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ (1937), der erste gezeichnete Spielfilm Disneys, alle Erwartungen künstlerisch wie kommerziell übertraf, gab es bei der Oscar-Verleihung gleich sieben Mini-Statuen. Sozusagen als Trostpreis für eine besondere Leistung, denn ansonsten wäre der Film leer ausgegangen. Der Zeichentrickfilm als Genre wurde lange Zeit von der Academy ignoriert. Eine eigen Kategorie für animierte Langfilme gibt es erst seit einigen Jahren.
Als Gregory Peck in den 60ern Präsident der Academy of Motion Picture Arts and Sciences war, versuchte er alles, dass auch einmal ein Trickfilm für die Kategorie „Bester Film“ nominiert würde – und auch gewinnen sollte. Er hatte vor allem „Das Dschungelbuch“ im Blick. Als andere Mitglieder der Academy ihm nicht folgen wollten, zog sich Peck 1970 verärgert zurück. Erst 1991 gelang „Die Schöne und das Biest“ das Kunststück, als „Bester Film“ nominiert zu werden. Einen Goldjungen in dieser Kategorie gab es aber bis heute nicht.
3. Sprechende Namen
Einige der Tiernamen korrespondieren mit den Hindi-Wörtern für ihre Spezies: Balu (Bhaaloo), Hathi (Haathee) oder Kaa (eine onomatopoetische Hindi-Wortkonstruktion für ein Schlangenrauschen). Bagheera verwendet allerdings den Indi-Wortstamm Baagh, was eigentlich Tiger bedeutet. Und Shere Khan heißt so viel wie „Häuptling der Tiger“.
4. König Louie, Louis Armstrong und das Rassismus-Problem
Jazz-Legende Louis Armstrong sollte eigentlich König Louie sprechen und singen. Doch angeblich aufgrund von Terminproblemen wurde stattdessen mit Louis Prima ein anderer Jazz-Sänger besetzt. Die Wahrheit war allerdings, wie immer, komplizierter. Walt Disney befürchtete nämlich, dass der Afroamerikaner Armstrong als Besetzung für einen Affen das Publikum dazu hätte bringen können, den Film als rassistisch einzustufen. Den Song „Ich wär so gerne wie du“ nahmen Prima (Louie) und Sprecher/Sänger Phil Harris (Balu) übrigens separat auf, weil beide ständig mit ihren Bands unterwegs waren.
5. Dschungelbuch vs. Mary Poppins
Kaas Song „Hör auf mich/Vertraue mir“ (Trust In Me) wurde eigentlich für Disneys Kino-Triumph „Mary Poppins“ unter dem Titel „Land of Sand“ geschrieben, dort aber 1964 nicht verwendet.
6. Elefantastisch
Verna Felton, die im Original Winifred mimt, Colonel Hathis Begleiterin, ist eine echte Disney-Ikone. Sie sprach u.a. auch für „Cinderella“ (1950), „Susi und Strolch“ (1955) sowie „Dornröschen“ (1959). Schöner noch, als man es sich je malen könnte: 1941 hauchte sie in ihrer ersten Disney-Produktion mit ihrer einprägsamen, beruhigenden Stimme Mrs. Jumbo – die Obermutterelefantin – in „Dumbo“ ebenfalls einer Elefantin akustisch Leben ein. Ihr Stimmbeitrag für das „Dschungelbuch“ war der letzte ihrer Karriere. Sie verstarb im Dezember 1966, nur einen Tag vor Walt Disney. „Das Dschungelbuch“ war auch der erste Film aus dem Hause der Walt Disney Company, für den die Credits der Stimmeinsätze im Abspann angegeben wurden.
7. Probier’s mal mit Gemütlichkeit – oder doch nicht…?
Über die Ausrichtung der Story gab es im Animationsstudio viel Streit. Autoren und Zeichner entschieden sich schließlich, die düsteren Anteile der literarischen Vorlage von Rudyard Kipling fast vollständig zugunsten einer heiteren, dem Zeitgeist der späten 60er angepassten Atmosphäre zu streichen. Der bekannteste Song aus dem Film, „Probier’s mal mit Gemütlichkeit“ (Bare Necessities), steht geradezu symbolisch für diese Entscheidung (und das Lied scheint noch heute den Lebenswandel einer ganzen Generation zu symbolisieren).
Er wurde von Terry Gilkyson geschrieben – und es ist geradezu ironisch, dass er schließlich mit einem Oscar gekrönt und zum Hit wurde. Denn der Komponist wollte sich mit der für ihn zu seichten Atmosphäre des Disney-„Dschungelbuchs“ einfach nicht anfreunden. Er verließ die Produktion und wurde durch Richard M. Sherman und Robert B. Sherman ersetzt. Beide hatten auch „Mary Poppins“ musikalisch begleitet. Nach Gilkysons Abgang wurde „Das Dschungelbuch“ noch einmal umgeschrieben. Eigentlich sollte das Wolfsrudel ein Lied mit dem Titel „The Song of the Seeonee“ singen. Doch das wurde komplett rausgestrichen.
8. Das Ende einer wundervollen Freundschaft
Obwohl „Das Dschungelbuch“ doch einer der schönsten Filme über Kameradschaft ist: Die Streitigkeiten um die Entwicklung der Handlung sorgten sogar für das Ende einer langjährigen und produktiven Freundschaft. Der erste, der vorschlug, aus Rudyard Kiplings Roman „Das Dschungelbuch einen Trickfilm zu machen, war Bill Peet. Der war einer von Disneys wichtigsten Chef-Autoren, schrieb die Vorlagen für die Meisterwerke „Pinocchio“ (1940), „Fantasia“ (1940) und „Dumbo“ (1941) und machte mit seinem Gespür für Dramatik und Sentiment „Cinderella“, „Alice im Wunderland“ und viele andere zu unverwechselbaren Disney-Produktionen.
Chef Disney ließ auf seinen Headwriter auch nichts kommen. Sein Wort zählte. Doch als Peet bereits mehr als ein Jahr am Drehbuch und der Vorproduktion zugebracht hatte, entschied sich Disney überraschend, den Ton der Geschichte vollständig zu ändern. Der Autor fühlte sich ausgebootet und war so erzürnt, dass er aus dem Projekt ausstieg und dem Filmstudio für immer den Rücken kehrte. Das Ende einer 25-jährigen Zusammenarbeit. Eine Wiederbelebung der Beziehung kam aufgrund Disneys Tod im Jahr 1966 nicht mehr zustande. Trotz der künstlerischen Differenzen verlor Peet nie auch nur ein schlechtes Wort über seinen Chef.
9. Furchtbares Ende…
Bis zum heutigen Tag scheiden sich die Geister am Schluss des „Dschungelbuchs“, der maßgeblich auf die Intervention Walt Disneys zurückging. Nach all den wilden Abenteuern mit Balu und Bagheera schafft es ausgerechnet ein kleines Mädchen, Mowgli dazu zu überreden, in ein Menschendorf einzukehren. Eine hübsches Bild für das verführerische andere Geschlecht als Bedrohung für die Männerfreundschaft? Oder ein schaler Abschluss für eine Geschichte, für die kein vernünftiges Ende zu finden war?
Zeichner Ollie Johnston (einer von Disneys legendären Nine Old Men, die als Animatoren wesentlich zum einheitlichen Stil der Filme beitrugen) hasste die Idee für den Schluss, weil er es für ein faules Ei hielt. Für ihn war dies nur eine pragmatische Lösung, ein sinnlos angeheftetes Ende, das den Zauber des Rests unter sich begräbt. Aber je mehr er an der Sequenz arbeitete, desto deutlicher fühlte Johnston, dass es das Richtige war. Später sagte er in einem Interview, dass er glücklich gewesen sei, dass Walt nicht auf ihn gehört habe.
10. Oder doch ein perfekter Schluss?
Nach einer ersten Vorführung des fertigen Films in den Disney-Studios im Jahr 1966 kam Walt Disneys persönliche Krankenschwester, Hazel George, angeblich mit Tränen in den Augen zu Zeichner Ollie Johnston und erzählte ihm, dass die letzte Szene des Films, in der Bagheera und Balu in den Sonnenuntergang hinein laufen, absolut perfekt war und dass es genau das war, was sich Walt gewünscht habe.