Nachruf auf Grant Hart: Der Träumer
Zum Tod von Grant Hart, dem Songschreiber und Schlagzeuger von Hüsker Dü
Das Schlagzeug gehörte seinem Bruder, der bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Grant Hart, am 18. März 1961 in St. Paul geboren, übte schon als Zehnjähriger, er spielte auch Gitarre und in Bands bei Hochzeiten. Vor allem aber schrieb er genialische Songs. Greg Norton und Bob Mould lernte er in dem Plattenladen „Memory Lane“ kennen – daraus wurde 1978 Hüsker Dü, die einflussreichste und beste Band des amerikanischen Hardcore. „Husker du“, das musste immer wieder gesagt werden, heißt im Norwegischen und Dänischen „Weißt du noch?“. Die zweiminütigen Explosionen auf „Land Speed Record“(1981) sind von beispielloser Wut, Rotzigkeit und absichtlichem Dilettantismus; auf dem Cover sind Särge toter Soldaten zu sehen, über denen die amerikanische Flagge drapiert ist. „Zen Arcade“ (1984) ist ein Doppelalbum wie eine Donnerwalze, aber auch ein Werk der Avantgarde. Und es wurde damals auch bemerkt, gehört und gepriesen.
Von den Lärmgewittern ihrer frühen Platten schwangen sie sich zu den Melodiemonstern des Meisterwerks „Candy Apple Grey“ (1986) auf. Nach „New Day Rising“ und „Flip Your Wig“ (beide 1985) – Platten mit konzisen, knappen Songs – bekamen Hüsker Dü einen Vertrag mit Warner: Von SST, dem Guerilla-Label, ins Zentrum der Warenwelt. „Candy Apple Grey“ ist ein gleißendes, brutal melancholisches Album, für das Grant Hart wie Bob Mould ihre allerbesten Songs schrieben. „Sorry Somehow“ und „Don’t Want To Know If You Are Lonely“ sind verblüffende Liebeslieder ex negativo, in denen Grant Harts Orgelspiel den Beteuerungen widerspricht.
Das überbordende, ausfransende Doppel-Album „Warehouse: Songs And Stories“ ist ein Monument des Zerfalls. Hart und Mould waren jetzt zwei Songschreiber, die mit demselben Schlagzeuger schnelle und laute Songs spielten. Eine Band war es nicht mehr – das Chaos war aufgebraucht. Während Mould Kokain, Alkohol und Amphetamine bekämpfte, blieb Hart heroinsüchtig. Während der letzten Tournee des Trios suchte er bei einem Aufenthalt den Stoff, und der Bus fuhr ohne ihn weiter. Hüsker Dü gingen dann nicht weiter. Einige Jahre später sagte Mould nichts, und Hart sagte: „Frag Bob.“
Hart nahm die wunderbare Platte „Intolerance“ (1989) auf und eine ebenfalls wunderbare Platte mit Nova Mob, „The Last Days Of Pompeii“ (1991). Besser wurde es nicht, aber auf sporadischen, ganz und gar außerordentlichen Solo-Platten funkelte noch immer sein Talent. Alle paar Jahre erinnerte er mit seltsamen Alben daran, was sein könnte, wenn er eine Richtung hätte, mehr Disziplin und Willen und Berater und eine richtige Plattenfirma. Hart wollte Konzept und Literatur, das Bleibende – aber was blieb, war sein Beiläufiges. Die britische Band Therapy? hatte mit Harts „Diane“ (von der EP „Metal Circus“, 1983) einen Hit, sein „Pink Turns To Blue“ (von „Zen Arcade“) wurde fast sprichwörtlich. Aber auch das ist lange her. „The Argument“ (2013) blieb Harts letzte Platte. Er war ein ernster Mann mit einem Kindergesicht, der gern eine Kapitänsmütze trug und wogende, hymnische Songs wie Seemannslieder schrieb und überhaupt sehr komische Stücke über Geschichte und Wissenschaft und Raumfahrt, ein Clown, ein Melancholiker, ein Haltloser, ein Rücksichtsloser.
Ein Träumer.