Die Wilden und das Meer: So ist es auf der Full Metal Cruise
Unser Autor schipperte als Bordschreiber auf der Full Metal Cruise mit dem Kreuzfahrtschiff und harter Musik auf den Ohren übers Mittelmeer. Lohnt sich die Überfahrt? Hier ist sein knallhartes Urteil!
Es herrscht eine solide ausgelassene, beim Landeanflug schon nicht mehr ganz unverprollte Stimmung im Mallebomber. Der größte Kegeltrupp der Welt hat wieder mal seine Vereinstracht übergeworfen, Hauptsache schwarz, um sich für einen Tausender aufwärts – und es geht durchaus noch steil aufwärts, wenn man möchte – bei ordentlicher Beschallung die Lampe anzuknipsen. Das spanisch-deutsche Trinker-Elysium ist nur die erste Station. Im Hafen wartet schon die TUI-Kampfschluckerfregatte der Luxusklasse mit dem leicht vergeigten Namen Mein Schiff 2. Aber was sind schon Namen, wenn die Bewaffnung stimmt. Neben dem darüber hinaus üblichen Schweinkram gehen 27.000 Liter Fassbier und 45.000 Dosen Beck’s mit an Bord auf die bereits fünfte Full Metal Cruise. Das sind die Basics. Zahlen, die unter den Anwesenden für Beruhigung sorgen. Man ist fürs Erste versorgt.
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Der Metalhead an und für sich hat ja schnell mal Langeweile und versucht sich entsprechend zu wappnen. So sieht man ihn in der erstbesten Flughafentränke erst mal ein paar Dosen nachfassen. „Für die Schlange vorm Check-in-Schalter“, erzählt mir ein alter Full Metal Cruisader mit ernstem Blick. Er hat in der Vergangenheit schon Stunden vorm Schiff gestanden, trocken, gestrandet, von allem Lebensmut verlassen, dabei war die Rettung doch so nah. In diesem Jahr aber geht alles ganz schnell. Zu schnell. Folglich müssen die fünf Halben großzügig an die Mitreisenden verteilt und in Gargantuaschlucken verkostet werden, weil nichts Flüssiges mit an Bord darf. Wir quälen uns etwas, aber es hat nie jemand gesagt, dass es leicht werden würde. Es kommen fünf Tage voll harter Arbeit auf mich zu, das weiß ich jetzt.Multikulti-Lächeloase
Zunächst mal auspacken und die „Cruise Bag“ inspizieren. GeloRevoice-Halstabletten, Ohrstöpsel, Präservativ und Kotztüte („Calm Down, Fill Up, Bang On!“): einmal mehr die Basics. Währenddessen wird über die Bordsprechanlage nach einem „schwarzen Samsonite“ gefahndet. Man möge doch bitte noch einmal genauer nachschauen, ob man nicht einen gewissen Kofferüberschuss in der Kabine zu verzeichnen habe. Wer ihn zurückgibt, bleibt straffrei, soll das wohl unterm Strich heißen. Der Ton an Bord ist die ganze Zeit über so euphemistisch und herzlich. Das Servicepersonal aus 43 Nationen und fünf Religionen – das Bild bestimmen jedoch vor allem Filipinos und Indonesier – inszeniert diese große Kumpanei ziemlich gekonnt. Wir befinden uns in einer Multikulti-Lächeloase, und was auch immer man dagegen einwenden wollte, es hebt trotzdem die Laune. Es gibt keinen Gast an Bord, der sich dem wirklich entziehen könnte. Die meisten Mitreisenden sind denn auch Wiederholungstäter, wie die vielen Erinnerungsshirts von vergangenen Kreuzfahrten beweisen.
„Betreutes Festival“ nannte Holger Hübner, Ideengeber und Mitveranstalter der Cruise, den Spaß mal. Entsprechend hoch ist die Alte-Säcke-Dichte. Das Durchschnittsalter liege bei 41, pfeifen die Möwen von der Reling. „Kommt mir höher vor“, sagt die PR-Managerin und grinst mich unverschämt an, wohl wissend, dass meine Alterskohorte den Schnitt ziemlich versaut. Jetzt kommt erst mal die leidige Pflicht. Keiner zweifelt an der Notwendigkeit der Seenotrettungsübung, sie ist obligatorisch – und geht völlig in die Hose. Trotz vieler Schweigefüchse und großen Gezisches allenthalben ist der Metalmob nicht mehr zu bändigen. Auch das Niveau hat unter dem ersten Run auf die Flüssigvorräte etwas gelitten. Die bedauernswerte Vorturnerin ist überfordert. Spätestens als ihr beim Ausprobieren der Trillerpfeife an der Schwimmweste eine eigens dafür mitgebrachte Clowns-Hupe antwortet, ist allen klar: Wenn hier etwas passieren sollte – die Metalheads werden mit Mann und Maus absaufen, und zwar ganz unmetaphorisch. Egal.
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Zwei Tage später jedoch, als vor Gibraltar Fünfmeterbrecher die Gläser vom Tisch rutschen lassen und so mancher seine Tüte füllt, setzt ein Umdenken ein. Schließlich meldet sich Käpt’n Omar gar persönlich zu Wort und erklärt die Reise für „beendet“. Ist es so ernst? Wir sitzen gerade im Surf & Turf und wollen ein Steak bestellen. Selbst die Verantwortlichen scheinen überrascht, eine PR-Dame hält sich schützend die Speisekarte vor die Brust, eine andere rät, ausnahmsweise mal auf Low-Carb zu pfeifen und tüchtig Brot zu essen, das helfe gegen Poseidons Rache. Es entpuppt sich dann aber alles sehr schnell als kleiner Versprecher des charmant radebrechenden Schiffsführers. Nicht die Reise ist beendet, sondern die Route wird geändert. Wegen des schweren Wellengangs drehen wir vor Gibraltar bei und nehmen Kurs auf Malaga. In der Küche fallen noch ein paar Teller aus dem Schrank, aber dann kommen auch schon die Steaks – und frische Brotkörbe.
Seite 2: “Was auf der Cruise passiert, bleibt auf der Cruise“