Das bizarre Ringen um den musikalischen Nachlass von Prince
Prince: „Ich habe den Plattenfirmen auch nicht immer die besten Songs überlassen.“
Jetzt wird der Vorhang gelüftet: Die vier CDs der erweiterten „Purple Rain“-Edition beinhalten Alternativversionen und B‑Seiten sowie eine DVD mit einem Konzert vom März 1985, als The Revolution in Syracuse/New York auftraten und mit einer 20-minütigen Version von „Purple Rain“ glänzten. Die Sensation aber ist die CD mit Outtakes: Einige davon – die komplette Fassung von „Father’s Song“, die Studioversion von „Electric Intercourse“ – sind zum ersten Mal zu hören. Überhaupt ist es ist die erste Veröffentlichung von Material, das in den Tresoren des Paisley Park schlummert. Glaubt man den Nachlassverwaltern, warten dort noch „Abertausende“ Bänder auf Sichtung und Veröffentlichung. 2014 verriet Prince dem ROLLING STONE, dass dort komplette Alben mit The Revolution, The Time und Vanity 6 lagern. „Ich habe den Plattenfirmen auch nicht immer die besten Songs überlassen“, behauptete er.
Unklare Rechtsposition
Der große Rest seines umfangreichen Musikkatalogs allerdings wird von einem juristischen Tohuwabohu blockiert, das seit seinem Tod noch zugenommen hat. Im Februar dieses Jahres zahlte Universal Music 30 Millionen Dollar, um die Prince-Aufnahmen vertreiben zu können, die er 1986 nach Auslaufen seines Warner-Vertrags produziert hatte. (Obwohl im bitteren Streit gegangen, kehrte Prince 2014 noch einmal zu Warner zurück.) Ebenso vielversprechend klang die Ankündigung, dass man „die US-Rechte an den klassischen Prince-Alben aus den Jahren zwischen 1979 und 1995 erworben“ habe. Der Deal beinhalte zudem unveröffentlichtes Material. Doch ist dieser Deal inzwischen Makulatur. Die Teile seines Katalogs, die vor 1996 entstanden, seien bis 2021 blockiert – was den gesamten Deal für Universal unattraktiv machte. Auf Ankündigungen weiterer Archivveröffentlichungen wurde verzichtet, da die rechtliche Ausgangsposition (an welchen Aufnahmen hat Warner überhaupt Rechte, und bis zu welchem Zeitpunkt?) unklar ist.
Prince’ gesamter Nachlass ist in einem ähnlich prekären Zustand. Da er kein Testament hinterlassen hat, kämpften Schwester Tyka und seine fünf Halbgeschwister zunächst um die Deutungshoheit bei der Nachlassverwaltung. Nachdem sich die Familienmitglieder grundsätzlich geeinigt hatten, bestimmte das zuständige Gericht die Privatbank Bremer Trust zum offiziellen Nachlassverwalter. Die Banker machten sich an die Arbeit und verkauften Rechte an Streamingdienste und Merchandisingfirmen, um eine anstehende Erbschaftssteuer in Höhe von zwölf Millionen Dollar bereitstellen zu können. Da die Familie aber mit den konkreten Entscheidungen nicht einverstanden war, bestellte das Gericht einen neuen Nachlassverwalter: Comerica, wieder eine Bank aus Minneapolis. Diese engagierte Troy Carter, den früheren Lady-Gaga-Manager und heutigen Spotify-Berater, um Archivmaterial sichten und künftige Deals einfädeln zu lassen.
Problemfall: „Deliverance“
Comerica sah sich erstmals zum Eingreifen gezwungen, als eine EP mit sechs unveröffentlichten Tracks auf den Markt kommen sollte, die Prince zwischen 2006 und 2008 mit Toningenieur Ian Boxill aufgenommen hatte. „Ian hatte Zugriff auf weitaus mehr Material“, betont David Staley, dessen Firma Rogue Music die EP namens „Deliverance“ veröffentlichen wollte. „Er war der Überzeugung, dass Prince die Auswahl und Veröffentlichung des Materials aus ganzem Herzen unterstützt hätte.“ Comerica erwirkte eine einstweilige Verfügung – mit dem Resultat, dass die fertigen CDs nun in einer Lagerhalle liegen, bis das Gericht sein Urteil fällt.