John Williams & Steven Spielberg
The Ultimate Collection
Legendäre Soundtracks (und einige mittelmäßige) in einer 3-CD-Box, dazu eine Interview-DVD. Team Williams/ Spielberg, 43 Jahre Freundschaft, 27 gemeinsame Filme.
Natürlich, John Williams und Steven Spielberg sind das bedeutendste Regisseur/Komponist-Gespann des Films. Bekannter auch als Hitchcock/Hermann und Fellini/Rota, oder, wenn man lange genug sucht um was zu finden, Burton/Elfman, Herzog/Popol Vuh oder Anderson/Greenwood.
Grenzt man die wichtigsten oder gelungensten Arbeiten Williams’ ein, bleiben sogar fast nur Spielberg-Filme übrig. Wichtigste Ausnahmen: „Star Wars“ und „Superman“, aber auch John Badhams „Dracula“ von 1979 war toll, Hitchcocks auf-Zehenspitzen-schleichen von „Familiengrab“, benso die „Hexen von Eastwick“.
Von den 50 Oscar-Nominierungen für den „Besten Score“, die der 85-Jährige bis heute erhalten hat, gingen etliche aufs Konto dieser Kooperation. Drei seiner insgesamt fünf Academy Awards verdankt er den Leinwandwerken des 15 Jahre jüngeren Freundes Spielberg: „Der weiße Hai“, „E.T. – der Außerirdische“ sowie „Schindler’s Liste“. 43 Jahre Zusammenarbeit, bisher 27 Soundtracks, kein Ende absehbar.
Ab 2000 zunehmend experimentell
Die von Sony Classical kuratierte 3CD/DVD-Box ist nicht komplett neu, zwei der Scheiben entstammen älteren Editionen. Wieder aufgelegt wurde die 1991 erschienene „The Spielberg / Williams Collaboration“ sowie „The Classic Spielberg Scores“ (1995). Beide vertont vom vertrauten Boston Pops Orchestra. Richtig neu ist, neben einer Interview-DVD, nur Williams’ CD Nummer drei: „The Spielberg / Williams Collaboration III (2017)“, in der der Komponist Stücke der letzten 20 Jahre ein zweites Mal für Aufnahmen dirigierte.
Die Zeit von 1997 bis heute, von „Amistad“ bis „The BFG“, war vielleicht die seiner größten Experimente. Williams nutzte auffällige Männerchöre (wie in „Amistad“), arbeitete mit Ligeti-Schwebeklängen („A.I“- Künstliche Intelligenz“), Elektronik-Tupfern („Minority Report“) und leichtem Jazz („Catch Me If You Can“, „Tim und Struppi: Das Geheimnis der Einhorn“). Es war aber auch die Zeit seiner am wenigsten einprägsamen Musik.
Die Ära der großen Melodien, Fanfaren, Märsche, wie für Indy, Bruce oder Darth war vorbei – jene Ära, in der Williams’ Klänge den Takt für das Leinwandgeschehen vorgaben. Früher noch wirkte es so, als hätte der Komponist seinen Regisseuren diktiert, wie sie zu schneiden oder gar zu drehen hätten. Beispielhaft für den „Desert Chase“ aus „Raiders Of The Lost Ark“ (der hier unerklärlicherweise fehlt) oder „Escape / Chase / Saying Goodbye“ aus „E.T. – The Extra-Terrestrial“ (fehlt auch). Kein Truck explodierte, keine Statue fiel, kein Raumschiff landete, bevor Williams es nicht erlaubte. Wie mächtig er in uns arbeitete, zeigen Stücke wie „The Barrel Chase“ aus dem „Weißen Hai“: eine flotte Großwildjagd-Melodie, von denen es einige im Film gibt, und die uns suggerieren sollen, dass Brody und Co den Riesenfisch schon erledigen werden. Wenn es dann nur so einfach wäre.
John Williams sagte uns einst mit seiner Musik, und das war nicht unangenehm, wie wir zu fühlen hatten. Aber aus dem Geschichtenerzähler ist über die Jahre ein Geschichtenbegleiter geworden. Dabei hätten zum Beispiel Tim und Struppi, zwei Legenden der Comicwelt, eine einprägsame Hymne verdient gehabt.
Von Reporter Tim oder etwa „Minority Report“ (2002) aber bleibt gar nichts hängen. Manche seiner Kompositionen ab den 90er-Jahren, vor allem die für „Der Soldat James Ryan“, bedienen sich am „einsamer Trompeter“-Klischee, mit dem die Toten auf dem Schlachtfeld beweint werden. Williams war zwar nicht derjenige, der die Armeemelodie-Methode in Hollywood etabliert hat; „War Of the Worlds“ klingt mit seiner ziellos-perkussiven Musik wie Hans „Dark Knight“ Zimmer, „München“ zelebriert fernöstliche Klagegesänge a lá James Horner. Williams fing ab Ende der 90er Jahre an sich bei anderen zu bedienen, und das war schade.
Williams und Morricone tragen die Fackel
Es ist leicht zu sagen, dass Komponisten mit zunehmendem Alter ihr Melodienreservoir ausschöpfen. Es trifft aber auf fast alle zu. Vielleicht auch auf Williams. Vom „Weißen Hai“ 1975 bis zu „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ von 1984 war er unschlagbar, die Hochphase des Fantasy-Kinos war genau das Richtige für ihn, neun kraftvolle Jahre lang. Viel Wagner. Bis einschließlich „Schindlers’s Liste“,1993, war er immernoch sehr gut. Bis einschließlich „A.I.“ gut. Danach aber eher unauffällig. Von den großen vier lebenden Soundtrack-Komponisten der vergangenen 50 Jahre lebt neben ihm nur noch Morricone, 88. John Barry starb 2011, Jerry Goldsmith vor bereits 13 Jahren.
Ultimate Collection: Höhepunkte auf den ersten zwei CDs
Die Alben eins und zwei der „Ultimate Collection“ dokumentieren John Williams’ goldene Jahre. Es gibt darauf, natürlich, den „Raiders“-Marsch, den viele für ironisch halten, der aber eine Ode ans Heldentum ist. Mit „Parade Of The Slave Children“, „Scherzo for Motorcycle and Orchestra“ und natürlich dem irrwitzigen „Basket Chase“ (mit Schwertkämpfer!) hören wir eine angemessene Indiana-Jones-Auswahl der ersten drei Filme (auf Disc drei dann überflüssige Takes aus Indy 4).
Dazu gesellt sich „Title Theme From Jaws“, die legendäre Zweiton-Komposition vom „Weißen Hai“, die Spielberg noch für unfertig hielt, als Williams sie ihm erstmals am Klavier vorführte. Heute gilt die Fisch-Erkennungsmelodie als wohl berühmteste Tonfolge nach Beethovens 5. Sinfonie.
Weiterer Höhepunkt: der „Dialogue“ zwischen Ufo und Wissenschaftler aus „Unheimliche Begegnung der Dritten Art“. Zwei Jahre nach dem „Hai“ schrieb Williams keine Zweiton-, sondern eine Fünftonmelodie. Auch die ging in die Popkultur ein, wurde später von Sci-Fi-Bands wie Air oder Daft Punk benutzt; mit den fünf Tönen glaubten die Forscher im Film mit Aliens kommunizieren zu können. Wie Steven Spielberg in den Liner Notes zur Edition schreibt, hätten Williams und er vor den Aufnahmen einen Mathematiker konsultiert, der sie warnte: Aus fünf Tönen könne man mehr als 250.000 verschiedene Kombinationen herstellen. Umso beeindruckender das Resultat, das gleichermaßen natürlich fließend wie kompliziert gedacht klingt. Der „Unheimliche Begegnung“-Score war beeindruckend, verlor aber im selben Oscar-Jahr (1978) gegen George Lucas‘ „Star Wars“ – für den Williams natürlich auch die Musik geschrieben hatte.
Williams: Nicht gut genug für Schindler’s Liste?
Legendär die Vorproduktion von „Schildler’s Liste“, für den Williams 1994 seinen bislang letzten Oscar erhielt. „Dafür brauchst Du einen besseren Komponisten als mich“, soll er zu Spielberg gesagt haben. „Ich weiß“, habe der entgegnet. „Aber die sind alle tot.“ Williams‘ hier enthaltenes Stück „Remembrances“ rührt noch immer. Erstaunlich, dass nur ein einziger Beitrag aus diesem Film hier beinhaltet ist.
Als das American Film Institute (AFI) Williams im Oktober 2016 den „Lifetime Award“ verlieh, die Auszeichnung fürs Lebenswerk, hielt Steven Spielberg eine Laudatio, in der nicht nur die eigenen Werke, sondern auch der „Krieg der Sterne“, Harry Potter und Superman vorkamen, Epen anderer, für die sein Freund ebenfalls den Score komponierte.
https://www.youtube.com/watch?v=hXZ_uMJ8YwE
„Ohne John Williams“, sagte der Regisseur in seiner Rede, „könnten Fahrräder nicht fliegen, auch die Besen in den Quidditch-Turnieren nicht, geschweige denn Männer mit roten Capes. Es gäbe keine ‚Macht‘, Dinosaurier liefen nicht auf der Erde herum.“
Am Ende kommt Spielberg auf die Magie zu sprechen, die entsteht, sobald gute Musik einen Film unterstützt: „Ohne John würden wir uns keine Fragen stellen, nicht weinen, an nichts glauben.“
In seinen besten Momenten, von denen viele in dieser Edition versammelt sind, hat Williams unseren Glauben an das phantastische Kino bestärkt.
https://www.youtube.com/watch?v=EAI3N61zY9k
https://www.rollingstone.de/review-die-zehn-besten-filme-von-steven-spielberg-1167320/