Review: „The Walking Dead“, Staffel 7, Folge 14: Warum Negan aufhören sollte Daryl zu jagen

Ein Coming-out, souveräne Nebendarsteller – aber auch zwei Frauen, die mit Zickenkrieg drohen. Unsere Kritik zu einer durchwachsenen, jedoch unterhaltsamen „The Walking Dead“-Episode.

Warum eigentlich ist Negan so versessen darauf Daryl wieder einzufangen? Er hat keinen Wert für ihn. Er hat während seiner Gefangenschaft nie etwas ausgeplaudert, was Negan gebrauchen konnte. Daryl konnte in seiner Zelle auch kein Geheimwissen sammeln, dass für Negans Gegner von Nutzen wäre. Und dennoch jagt Negan Daryl. Zum zweiten Mal innerhalb dieser Staffel schickt er seinen Gehilfen Simon los, um den Geflüchteten zu finden. Anscheinend nur aus verletztem Stolz. Daryl schlug Negan, dem Saviours-Anführer, mal gehörig ins Gesicht.

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Die intensive Suche nach dem Hillbilly ergibt nicht wirklich Sinn, soll eben einfach Spannung erzeugen. Daryl bekommt immerhin die Gelegenheit sich lauten Rachegedanken hinzugeben: „Er verdient es zu sterben“ murmelt er einem Häscher entgegen, vor dem er sich im Kornkeller versteckt. Danach weint Daryl. Er sagt zu Maggie: „Es war alles meine Schuld.“ Daryls wilde Expeditionen in das Reich der Saviours, der Punch in Negans Gesicht, der seiner Ansicht nach zu einer Strafmaßnahme führte, an deren Ende Glenns Tod stand.

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Es ist das erste Mal, dass Daryl mit Glenns Witwe Maggie über seine Schuldgedanken spricht, und die Szene enttäuscht nicht. Sie zeigt aber auch, dass Daryl Negan vor allem deshalb töten will, damit er sich von den Selbstvorwürfen befreit.

Am Ende der Folge sehen wir die viel zu selten demonstrierte, ikonisch gewordene Pracht seiner Figur. Er steht im Dunkeln vor Negans Festung, wir erkennen ihn im Schattenriss, allein wegen seiner Armbrust.

GTA-Feeling dank Ogg

Die Jagd auf Daryl bietet uns dafür aufregende Szenen von Simon-Darsteller Steven Ogg, der den Adjutanten des Oberschurken mit einer Mischung aus Schicksalsergebenheit und Selbstironie spielt, die nur solchen Figuren gehören kann, die gerne die Nummer eins wären, es aber nie werden. Ogg kennen wir aus dem „GTA“-Game und „Westworld“, der Hüne mit dem Walross-Schnauzer wirkt wie ein Killer aus einer alternativen Welt – und stiehlt Jeffrey Dean Morgans Negan jedesmal die Show. Vielleicht sind sie deshalb so selten zusammen im Bild.

Oggs Dialog mit Xander Berkeley (ebenso souverän, als alkoholabhängiger Gemeindechef Gregory) über die Verhandlung „Tequila gegen Doktor“ ist beispielhaft für zwei Schauspieler, die weit größeren Platz im „TWD“-Ensemble verdient hätten. Oggs Simon erklärt dem verdutzten Gregory den Mord an einem seiner Ärzte lediglich anhand seiner Mimik – und schafft damit den vielleicht lustigsten Serien-Moment seit Ewigkeiten. Die Sequenz ist so gut, dass keiner die Gehilfen im Hintergrund bemerkt, die seit Minuten eine schwere Kiste halten müssen, bis Simon sie erlöst.

Jesus ist schwul

Endlich feiert Jesus sein Coming-out. Darsteller Tom Payne hatte sich vehement gewünscht, dass seine Figur so ist wie in der Comic-Vorlage. Es war auch dringend notwendig, da wir jetzt erstmals etwas über seinen Background erfahren: „Für mich war es schwer Bindungen einzugehen“, sagt er. „Mit Nachbarn, Freunden oder Partnern.“ Im Comic stellte Jesus sich zwar nie als Außenseiter dar, blieb aber seltsam mysteriös.

Jetzt müssen die „Walking Dead“-Autoren liefern: Der Mann sollte eine Partnerschaft eingehen, jemanden wollen – oder verlieren. Sonst wird sich der Sinn seines Coming-out ähnlich versenden wie Priester Gabriels Grund für sein ewig schlechtes Gewissen oder Carols stummes, nicht mehr nachzuvollziehbares Leid.

Sasha und Rosita: ein ungleiches Paar

Jesus, Gregory und Simon liefern die gelungensten Szenen, aber die Folge „The Other Side“ sollte sich eigentlich um Sasha und Rosita drehen. Die beiden Rivalinnen, die einst um die Gunst Abrahams buhlten, brechen gemeinsam auf um Negan zu töten. Folgt ihr Plan der etablierten „The Walking Dead“-Dramaturgie, geht das fürchterlich schief. Was nur menschlich wäre, schließlich ist die Annahme einfach nur albern, dass zwei Leute eine Armee ausschalten könnten.

All die prätentiös dargelegten Pläne – sie werfen Messer, sie wetzen Messer, sie runzeln die Stirn und malen Negans Festung auf ein Blatt Papier, inklusive Markierung „Walkers“ – lassen eine umso schlechtere Umsetzung erwarten. Man befürchtet jetzt schon verschwendete Sendezeit und bedauert einen Aufbau, der die Sache niemals wert gewesen sein würde.

Beide Frauen, Rosita und Sasha, sollen als tatkräftig dargestellt werden, sie erklären sich gegenseitig, wie es ihnen gelang seit Ausbruch der Apokalypse Männer nach ihrem Belieben zu benutzen. Und doch sind beide von einem Mann abhängig gewesen. Der etwas tumbe Muskelberg Abraham bleibt ihre Messlatte, sie liebten ihn abgöttisch. Rosita: „Ich habe Abraham nie gesagt, dass ich glücklich war, solange er nur glücklich war.“ So sieht der Sinn des Lebens aus.

Es drohte vorher gar ein Zickenkrieg, als Rosita Abrahams Kette am Hals der Konkurrentin baumeln sah. Am Ende riskiert Sasha, aus Liebe und Gefolgschaft zum Verstorbenen in den Tod zu gehen.

Zuvor gab es noch eine Meisterleistung zu bestaunen: Nahezu mühelos gelangten Sasha und Rosita in ein Hochhaus direkt gegenüber Negans Fabrik. Mit bestem Panorama-Fensterblick, geeignet für ihre Scharfschützengewehre. Eine der vielen Ideen für einen schnellen Mord, auf die lange keiner gekommen war, eine, die Negan selbst nicht bedacht hatte, und eine, die den „Walking Dead“-Autoren just für diese Episode zupass kam.

Eugene aber auch.


Noch mehr zu „The Walking Dead“ finden Sie auf unserer großen Themenseite:

https://www.rollingstone.de/ranking-die-10-besten-the-walking-dead-charaktere-1202607/

AMC
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