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Eric Pfeils Pop-TagebuchKolumne

Eric Pfeils Pop-Tagebuch: Trommler-Enigma

Auf der Suche nach Johnny Avila, der bei Jonathan Richmans Modern Lovers spielte

Folge 135

Das Schöne an Jonathan-Richman-Alben ist: Jedes, das man ersteht, ist sein bestes. Gestern stieß ich in einem Plattenladen endlich auf „Modern Lovers 88“, zu der ich seither ununterbrochen durch die Wohnung tanze. Ich möchte das Tanzen kurz unterbrechen, denn es soll die Begleitband auf dieser Platte gewürdigt werden. Mit den ursprünglichen Modern Lovers der Siebziger haben die beiden hier wirkenden Herren herzlich wenig zu tun. An der zweiten Gitarre ist Brennan Totten zu hören, am Schlagzeug sitzt ein gewisser Johnny Avila. Wie immer bei Richman hört sich die Band an, als könnte man sie in die Hosentasche stecken. Ganz toll!

Wer das Pop-Tagebuch schon länger liest, weiß, dass hier Musiker ins Rampenlicht gezerrt werden, die unbesungen im Schatten ihrer prominenteren Kollegen stehen. Ihr Chronist hat nämlich ein Herz für die vielen wackeren, von der Pop-­Geschichte an den Katzentisch verbannten Bassisten, Schlag­zeuger und Keyboarder, die nur selten in Thekengesprächen bejubelt werden. Und so war es mein Plan, in diesem Eintrag den Modern-Lovers-Trommler Johnny Avila zu bejubeln. Vor allem natürlich, weil sein unauffälliges, songdienliches Spiel auf diesem Album eine angemessene Würdigung verdient. Ein bisschen aber auch, weil Johnny Avilas ­Foto auf der Rückseite der Platte (Schnurrbart, 80er‑Jahre-Landjugend-Haarschnitt, schlitzohriges Lächeln) nahelegt, dass es sich bei ihm um eine sympathische, interessante Figur handelt.

Doch o weh: Es gibt keinerlei Informatio­nen über den Mann. Zu behaupten, Avilas Spur verliere sich im digitalen Nirgendwo, wäre indes übertrieben, da er außer dieser Platte überhaupt keine Spuren hinterlassen zu haben scheint. Dafür bekommt man im Netz kübelweise Infos über einen anderen Johnny Avila um die Ohren gehauen. Jener Avila wirkte lange Jahre als Bassist der Novelty-­Band Oingo Boingo, ist auch heute noch musikalisch sehr aktiv und verwendet darüber hinaus offenkundig viel Zeit auf ­eine elaborierte Internetpräsenz.

Oin­go Boin­go waren ganz schrecklich: Man stelle sich vor, die Erste Allgemeine Verunsicherung und Level 42 wären aus Kostengründen zu einer Band zusammengelegt worden, dann erhält man etwa einen Eindruck vom Schaffen der Gruppe (nichts gegen die EAV, nur so am Rande). Man kann sich aber auch einfach das Gegenteil von Jonathan Richman & The Modern Lovers vorstellen. Selbst der ehemalige Sänger der Band und heutige Filmkomponist Danny Elfman („Batman“) erinnert sich nur unter argem Grimassieren an seine Jahre in der Band. Das mag auch damit zu tun haben, dass Elfman nicht nur am Gesang wirkte, sondern auch ein Balafon bearbeitete, ein westafrikanisches Xylo­fon mit ausgehöhlten Flaschenkürbissen als Klangkörpern. Ach, die Achtziger!

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Searching for Johnny Avila … Wohin mag es den schnauzbärtigen Trommler verschlagen haben? Leitet er vielleicht ein kleines Rasenmäher­-Fachgeschäft? Ist er gar in der Lokalpolitik gelandet? Bedient er im engsten Freundeskreis immer noch Hi‑Hat und ­Snare Drum? Trägt er noch Schnauzbart? Lohnt es sich, eine schon vorab preisgekrönte Dokumentation zu drehen, in der die mit schrulligen Gestalten gepflasterte, am Ende ergebnislose Suche nach dem Trommler-Enigma geschildert wird? Ich hoffe inständig, dass Avila wohlauf ist.

Eine Dokumentation über den Verbleib des kurzzeitigen Modern-Lovers-Gitarristen Brennan Totten hingegen muss nicht gedreht werden. Totten ist immer noch als Gitarrist tätig, aller­dings tritt er offenbar ausschließlich in Nono’s Restaurant auf, einem Gastronomie­betrieb in Wisconsin, in dem zur Saison auch ein Oktoberfest-Menü angeboten wird („Kassler, Sauerbraten, Knack Wurst – $17.95“).

Und Jonathan Richman? Den sollte ganz dringend mal wieder jemand für eine Deutschlandtour buchen.

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