Solange

A Seat At The Table

In der Souveränität, mit der Solange „weiße“ und „schwarze“ Traditionen verflicht, bringt sie noch einmal die utopische Schönheit einer grenzenlos gewordenen Musik zum Leuchten.

Nun geht das Jahr seinem Ende entgegen, und wenn wir uns fragen, was an Musik bleiben wird, die uns etwas über unsere Gegenwart zu erzählen vermag, über die Verhältnisse, in denen wir leben, und den Wunsch, sich dagegen zu wehren, und über die Müdigkeit, die einen ergreift, weil alles, was an politischen Errungenschaften schon selbstverständlich erschien, wieder in Zweifel steht unter dem Ansturm der Kräfte des Hasses – wenn man sich also fragt, welches Album den politischen Zustand der Welt im Jahr 2016 auf den Begriff zu bringen verstand, dann lautet die Antwort: „A Seat At The Table“ von So­lange ­Knowles.

Utopische Schönheit

In seiner Verzweiflung über das Wiedererstarken des rassistischen Mobs, über den aktuellen Rückfall der Zivilisation in längst überwunden geglaubte Epochen ist es das Album der Stunde. Es handelt von trotzigem Aufbegehren („Rise“), aber auch von dem Wunsch, nur noch wegzulaufen („­Cranes In The Sky“); in einem überirdisch schönen Duett mit Kelela („Scales“) beschwört ­Knowles die Kraft des gemeinsamen Aufbegehrens. Sie singt so trotzig, zart und ergreifend wie noch nie, und die Musik schmiegt sich ergeben an ihre Stimme.

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Es gibt stolpernde Beats und virtuos modellierte elektronische Bässe zu hören, aber auch weichgezeichnete schwelgende Streicher wie auf Souljazz-Platten der frühen 70er-Jahre, und nicht selten erinnert Knowles mit ihrer sanft trillernden Kopfstimme an die größte Sängerin jener Epoche, Minnie Riperton. In der Souveränität, mit der sie „weiße“ und „schwarze“ Traditionen verflicht, bringt sie noch einmal die utopische Schönheit einer grenzenlos gewordenen Musik zum Leuchten. In der Wirklichkeit, die sie in ihren Liedern besingt, ist die Utopie der Grenzenlosigkeit indes fast erloschen. (Saint Heron)