Ranking: Die zehn besten Filme von Steven Spielberg
Die zehn definitiven Filme des Steven Spielberg, chronologisch sortiert
ROLLING STONE stellt Steven Spielbergs zehn besten Filme vor, chronologisch sortiert.
1. „Duell“ – „Duel“ (1971)
In Spielbergs ersten Spielfilm, fürs Fernsehen gedreht, wird vielleicht etwas zu viel Zivilisationskritik, ein bisschen zu viel „Mensch gegen Maschine“ hineininterpretiert – in erster Linie ist „Duell“ ein Horrorwerk, vorwärtsbewegt durch Verfolgungsjagden.
Ein Autofahrer wird von einem Trucker gehetzt – grundlos, aber auch erbarmungslos. Die Pointe: Wir erfahren den Namen des Jägers nicht, nicht mal, wie er aussieht. Er ist das perfekte Monster, das den Jedermann zur Strecke bringen will, eine Vorwegnahme auf die Gegner-Konstellationen im „Weißen Hai“. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass der Regisseur sowohl LKW, als auch Fisch mit demselben Dinosaurier-Gebrüll (ja, Gebrüll) unterlegte. Spielberg sagt, dass er „Duell“ noch immer zweimal jährlich ansieht, um sich vor Augen zu führen, was er da geschaffen hat.
Hurensohn!
Das Ende präsentiert David Mann (Dennis Weaver), den Truck-Besieger, erschöpft im Sonnenuntergang, fürs Leben gezeichnet. Den LKW fuhr Carey Loftin, einer der bekanntesten Stuntmänner im Geschäft. Spielberg sagte ihm vor Drehbeginn: „Du spielst einen dreckigen, verkommenen Hurensohn.“ Loftin: „Junge, da hast Du den Richtigen engagiert.“
2. „Der weiße Hai“ – „Jaws“ (1975)
Viel mehr als nur die „Geburt des Blockbuster-Kinos“: Der 29-Jährige Spielberg zeigte zähen Willen, als er entgegen aller Wahrscheinlichkeiten – Budgetverdopplung, Probleme mit dem mechanischen Hai, Schlechtwetter auf See – eine Produktion stemmte, die selbst gegen Ende als aussichtslos galt.
Die technischen Unzulänglichkeiten sollten Spielberg eher zugute kommen. „Als digitaler Hai“, sagte er, „hätte ‚Jaws’ nie funktioniert. Wir hätten ihn heutzutage ständig und ihn voller Pracht zeigen können, zeigen müssen. Damals musste ich mich beschränken, zum Glück.“ Und so sehen wir „Bruce“, wie der große Weiße vom Filmteam getauft wurde, erst ab der Filmmitte – damals wie heute ein unerhörter Clou, mit dem der Regisseur seine Zuschauer stapazierte.
Es ist daher vielleicht auch kein Wunder, dass die schaurigste Episode des Films nichts mit der Darstellung des Hais zu tun hat, sondern mit einer Erzählung davon: Quint (Robert Shaw) und sein Erfahrungsbericht von der U.S.S. Indianapolis, die im Zweiten Weltkrieg kenterte und ihre Besatzung den Raubfischen zum Fraß vorwarf (brillant geschrieben von John Milius).
Mit Shaw, Roy Scheider (Chief Brody) und Richard Dreyfuss (Hooper) versammelte Spielberg sein vielleicht am muntersten agierendes Darsteller-Trio. Und mit seiner Hai-Erkennungsmelodie komponierte John Williams die wohl berühmteste Tonfolge neben Beethovens 5. Sinfonie.
3. „Jäger des Verlorenen Schatzes“ – „Raiders Of The Lost Ark“ (1981)
Spielberg hätte gerne einen Bond-Film gedreht, durfte aber nicht – zu „unerfahren“ sei er, und „kein Brite“, teilten die 007-Produzenten ihm mit. Also erschufen Spielberg und George Lucas die Figur des Indiana Jones. Ein Abenteurer, der, so wie Flemings Geheimagent, durch die ganze Welt streift. Dessen Schattenriss allein, mit Fedora und Peitsche, ist heute bekannter ist als Bond.
Das Konzept war paradoxerweise ebenso rückwärtsgewandt wie bahnbrechend: Angelehnt ausgerechnet an die Serials der 1930er-Jahre, jene Western, nach deren Cliffhangern Unmögliches geleistet wurde, hetzte Archäologe Indy von Ausgrabungsstätte zu Ausgrabungsstätte, unterstützt von den modernsten Spezial-Effekten. In seiner Komödie machte Spielberg die Nazis als tumbe Antagonisten salonfähig und ließ uns den Wert archäologischer Fundstücke neu betrachten: „It belongs to a museum“, ist einer von Indys bekanntesten Sätzen geworden.
4. „E.T. – Der Außerirdische“ – „E.T. – The Extraterrestrial“ (1982)
Die Geschichte des auf der Erde zurück gelassenen Außerirdischen, der sich mit Elliott (Henry Thomas) anfreundet, dem Sohn einer allein erziehenden Mutter, ist auch die des Regisseurs. Spielberg war ein Scheidungskind, Elliott und E.T. verkörperten für ihn Söhne, die sich ungeliebt fühlen.
Fast jede Einstellung des Films (Kamera: Allan Daviau) ist aus niedrigerer Perspektive, aus der Sicht von Kindern, gedreht. „E.T.“ sollte demnach zwar von Erwachsenen verstanden, aber nicht aus ihrem Blick gezeigt werden. Es sind ausschließlich junge Menschen, die dem gestrandeten Alien helfen können.
Ist er ein Junge?
Die legendäre Verfolgungsjagd – Mountainbikes gegen Polizeiautos – spielt wie keine zweite der Kinogeschichte mit scheinbarer Chancenungleichheit und ist eine bis heute viel zitierte Montage; vielleicht der definierende Moment des 80er-Fantasykinos. Und die Jagd endet mit dem Triumph des kindlichen Glaubens: daran, dass Träume Flügel verleihen.
Die Figur des E.T., gestaltet von Carlo Rambaldi, war eine Herausforderung: Wie schafft man es einen niedlichen Erdenbesucher zu kreieren, der trotzdem so aussieht wie kein bekanntes Wesen? Und ist E.T. überhaupt ein „Männchen“? Vielleicht ist er ja ein Mädchen oder gar ein Erwachsener?
Die „E.T.“-Modellpuppen ließ der Regisseur nach den Dreharbeiten vernichten, ein symbolischer Akt, um sich des Drucks zu entledigen eine Fortsetzung zu drehen.
5. „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ – „Indiana Jones and the Temple Of Doom“ (1984)
Als sein „düsterstes Werk“ bezeichnet Spielberg die „Raiders“-Fortsetzung, ein Film über den Voodoo-Kult der indischen Thuggees, der tatsächlich überwiegend in der Dunkelheit, in einem Stollensystem voller Lava-Flüsse spielt, in dem Kinder zur Arbeit gezwungen werden. Vor allem aber ist „Doom“ ein perfekter Action-Streifen. Allein das Tempo im dritten Akt – der Kampf um Willie Scott, die Verfolgungsjagd mit der Lore, der Showdown auf der Brücke – wirkt wie ein Rekordversuch im Dominostein-Fallen und ist bis heute im Kino wohl unerreicht.
Märchenlandschaft
Gleichzeitig war „Doom“ die wohl mutigste Fortsetzung, die auf „Jäger des verlorenen Schatzes“ – seinerzeit auf Platz drei der erfolgreichsten Filme aller Zeiten – hätte kommen können. Denn Spielberg und Lucas bedienten sich nicht am Vorgänger, sondern stellten alles zurück auf Null. Dieses Werk war kein Se-, sondern ein Prequel, abgesehen von Harrison Ford wurde die gesamte Besetzung ausgetauscht. Ein Neuanfang, getreu des von Willie (Kate Capshaw) geforderten Mottos „Anything Goes“, das sie und ihre Tanztruppe in einer Fantasielandschaft des Nachtclubs mit dem fantastischen Namen „Obi Wan“ vortragen. „Indy 2“ war das größte Märchen im großen Märchenjahr 1984.
Von allen bisherigen vier Indy-Abenteuern ist dieses hier auch das einzige, in dem der Archäologe das Objekt seiner Suche, die Sankara-Steine (den McGuffin, wie Lucas immer wieder betonte), am Ende tatsächlich in den Händen halten und freiwillig abgegeben darf. Bei der Bundeslade, dem heiligen Gral und dem Kristallschädel blieb ihm das vergönnt.
6. Schindler’s Liste“ – „Schindler’s List“ (1993)
Es ist nicht der Ruhm – sieben Oscars, darunter der für die beste Regie – der in Erinnerung bleiben wird, sondern es sind die unzähligen Szenen, in denen Spielberg den Schrecken des Holocaust auf die Leinwand bringt, sei es direkt oder symbolisch. Das Mädchen im roten Mantel. Der Klavier spielende Nazi während der Erschießungen im Warschauer Ghetto. Amon Göths „Ich vergebe Dir“. Der Junge, wie er in die Kloake des Arbeitslagers flüchtet, klassische Musik im Ohr. „Dazu gehört mehr als das“. Itzhak Sterns Gang, vorbei am hingerichteten Zimmerjungen. Und im ganzen Film gibt es Hitler nur ein einziges Mal zu sehen (auf einem Porträtfoto im Bildhintergrund), und nur eine Szene mit Hitlergruß.
Seiner Hauptfigur, dem Industriellen Oskar Schindler, gönnt der Regisseur am Ende einen Zusammenbruch. Es gibt Kritiker, die Schindlers „Ich hätte mehr tun können“ als ungebührliche Wehleidigkeit abtun; vielleicht aber ist Schindlers Gedanke genau derjenige bittere Gedanke, der jedem in seiner Situation gekommen wäre.
7. Der Soldat James Ryan“ – „Saving Private Ryan“ (1998)
Zuschauer weinten, ihnen wurde übel, sie verließen vor Angst den Kinosaal. Die berühmte „erste halbe Stunde“ zeigt den D-Day, die Landung der Alliierten in der Normandie – und es waren viele Veteranen des Zweiten Weltkriegs, die Spielberg erschütternd die Bestätigung gaben, dass Krieg sich so anfühlt und so anhört, wie es hier auf die Leinwand gebracht wurde.
Verliebter Shakespeare?
Das war aber nur die eine Seite dieses Dramas um einen Bergungstrupp von G.I.s, die einen Soldaten hinter feindlichen Linien finden und nach Hause bringen sollen. Alle für einen, einer für alle? Die Einheit von Captain Miller (Tom Hanks) wird zunehmend dezimiert, der Sinn der Mission in Frage gestellt. Am Ende geht es nur noch darum, einen Sinn im Krieg für sich selbst zu finden – den es nicht geben kann. Es geht nur ums Überleben.
Es ist eines der großen Oscar-Absurditäten, dass Spielberg zwar mit „Ryan“ 1999 seinen zweiten Regie-Preis erhielt, die Kategorie „Bester Film“ aber an „Shakespeare in Love“ ging, über das heute alle lachen. Sofern man sich überhaupt noch an den Film erinnert. Bei der Bekanntgabe auf der Bühne musste damals selbst Harrison Ford stutzen.
8. „A.I. – Künstliche Intelligenz“ – „A.I.- Artificial Intelligence“ (2001)
Ein im Wald ausgesetzter Roboterjunge möchte die Liebe seiner menschlichen Mutter zurückgewinnen und begibt sich auf die Suche nach der Blauen Fee, von der er glaubt, dass sie ihn zu einem echten Menschen machen kann. Schließlich steht der kleine David (Haley Joel Osment) am Meeresgrund der Märchenfigur, seiner vermeintlichen Schöpferin, gegenüber: Beide Gesichter verschmelzen in einer Einstellung – Gott lebt längst in uns, so Spielbergs Suggestion.
Kritiker stören sich vor allem am Ende, als Davids Traum erfüllt wird. Mit einer Replika seiner Mutter darf er, für einen Tag, all die Momente erleben, die ihm verwehrt geblieben sind. Man kann das schmalzig finden. Es gibt aber auch eine andere Deutung, die viel zynischer, viel trauriger ist, und die dem kühl-analytischen Blick eines Stanley Kubrick – von ihm übernahm Spielberg das Filmkonzept – viel näher kommt, als viele es damals wahrnahmen. Wenige neuere Werke führten einem derart die Traurigkeit vor Augen, die nach einem Verlust entsteht, und die Ewigkeit im Tod.
Mensch wird zum Roboter
Die Roboter der Zukunft studieren David und das Verhalten zur geliebten Monica, weil der Android der einzige übrig gebliebene „Mecha“ ist, nach dem Aussterben der Menschheit kann nur er von den Homo Sapiens berichten. Und natürlich liebte David seine Mutter – aber es ist ein bitterer Zug, dass er Monica nach ihrem Tod als Ideal wiederauferstehen lässt, ein Ideal, das nichts mit ihrem wahren Charakter gemein hat. Die beiden haben ihre Rollen getauscht, und Monicas Ehemann und der eifersüchtige, „richtige“ Sohn Martin werden im kindlich-egozentrisch eingerichteten 24-Stunden-Szenario schlicht ausgeblendet, als hätte es beide nie gegeben.
Die Mutter ist nun der Roboter, der bedingungslos liebt, David der Mensch – der, als er sich zum ewigen Schlaf bettet, nicht bemerkt hat, dass sein Tag im Paradies eine Illusion gewesen ist.
Kubrick ließ in „2001: A Space Odyssey“ seinen Astronauten als „Starchild“ eine Wiedergeburt erleben. Spielbergs David muss am Ende seine Sterblichkeit akzeptieren, er schaltet sich selbst ab, liegt neben seiner Mutter, die auch nicht mehr ist.
Er geht „dahin, wo Träume geboren werden“: Eine Angst machende Vorstellung, die auch durch John Williams’ freundliche Musik nicht abgemildert wird. Kein Spielberg-Film endet mit einer derartigen Ambivalenz.
9. „Krieg der Welten“ – „War Of The Worlds“ (2005)
Auf keinen Fall, sagte Spielberg, wolle er in diesem „Krieg der Welten“ Angriffe á la Roland Emmerich aufzeigen – riesige UFOs auf der ganzen Welt, Präsidenten, die mit ihren Generälen in den War Rooms Modell-Brigaden von A nach B verschieben. Möglicherweise hat der Regisseur sich bei seinem Fokus auf die Kleinfamilie – das Geschehen wird nur aus der Sicht von Vater (Tom Cruise) und zwei Kindern gezeigt – ein wenig bei M. Night Shyamalans „Signs“ (2002) bedient, auch dort wurde das globale Ausmaß des Alien-Überfalls nie ersichtlich. Dafür stellen die Kinder die Kompetenz ihres Anführers, den Vater, ständig in Frage.
Nine-Eleven
Aber „Krieg der Welten“ funktioniert noch besser als Panorama der Ängste nach 9/11. „Waren das Terroristen?“, fragt die Tochter, als die ganze Stadt pulverisiert wird. Spielberg zeigt brennende Züge, Attacken auf Fähren, kein Transportmittel in Amerika mehr ist sicher. Den Absturz des Passagier-Flugzeugs präsentiert Spielberg, dieser Verweis wäre ihm zu platt gewesen, gnädigerweise nicht (der Rumpf der Maschine wird derzeit in den Universal Studios ausgestellt).
Die Außerirdischen erscheinen in den USA, und das bringt die Furcht vor Terroristen am deutlichsten zum Ausdruck, als Schläfer. Ihre Tripods lagern seit Ewigkeiten tief in der Erde, ihre Piloten warteten auf den richtigen Moment. Die kleinen grauen Männchen greifen nicht aus dem All aus an, sondern buddeln sich aus dem amerikanischen Boden hoch.
Die Alien-Details sind pointiert, wir erfahren nicht viel über sie. Ein befremdlicher Schriftzug hier, und ein ganz klarer Zivilisationsnachteil dort: Als einer der Außerirdischen verdutzt vor einem Fahrrad steht und es dann schließlich dreht, türmt er entsetzt.
10. „München“ – „Munich“ (2005)
Mit Fred Zinnemans „Der Schakal“ (1973), den Filmen Arthur Penns als auch zumindest den Doku-Ansatz des Cinéma-Vérite im Sinn, drehte Spielberg sein Politdrama über das Olympia-Attentat 1972 und die anschließenden Anschläge zwischen Israel, Palästinensern und den arabischen Ländern. Der Film endet mit einer Einstellung der Twin Towers und ist bis heute Spielbergs letztes Meisterwerk.
Nach Veröffentlichung geriet der Regisseur schnell in Rechtfertigungszwang, dabei war „München“ in seiner Haltung perfekt austariert, mitleidslos, reflektiert, unparteiisch. Vielleicht, weil Spielberg jüdischen Glaubens ist, hagelte es dennoch von zwei Seiten Kritik: Er sei parteiisch, er sei zu wenig parteiisch gewesen.
Fragen statt Antworten
„Ich greife Israel mit diesem Film nicht an“, sagte er. „Ich gebe auch keine Antworten – ich stelle nur die Frage in den Raum, weshalb Gegengewalt oft als einzige Antwort auf Gewalt gewählt wird.“
Eine Szene bleibt mit am deutlichsten in Erinnerung: Agent Avner (Eric Bana) unterhält sich mit einem palästinensischen Terroristen über deren Pläne, Israel zu überrennen. Ali: „Wir haben viele Kinder. Und die werden auch Kinder haben. Wenn es sein muss, können wir ewig warten.“ Im Hintergrund läuft ausgerechnet Al Green im Radio, „Let’s Stay Together“, ein erbauender Soul-Song.