Jeff Tweedy von Wilco über die bevorstehende US-Wahl: „Es kann zu Ausschreitungen kommen“
Trump ist eine Witzfigur – aber so eine gab es etwa in der politischen Geschichte Deutschlands auch, und diese Witzfigur wurde dann zur größten Gefahr für die Welt. Mit ROLLING STONE sprach Wilco-Kopf Jeff Tweedy über die bevorstehende Präsidentschaftswahl in Amerika.
Im Gespräch mit ROLLING STONE spricht Wilco-Sänger Jeff Tweedy über die US-Präsidentschaftswahl am Dienstag (8. November) – und äußert seine Befürchtung, der Gewinner der Wahl könnte Donald Trump heißen. „Wie ich das verstanden habe“, so Tweedy, „ist dieser Typ aus der deutschen Geschichte auch ein ziemliche Witzfigur gewesen, die zunächst niemand ernst genommen hat und die nicht die Mehrheit der Wählerschaft hinter sich gebracht hat.“
Redakteur Maik Brüggemeyer traf Tweedy vor dem Konzert seiner Band am Samstag beim ROLLING STONE Weekender. Dabei ging es nicht nur um Musik (aktuelles Album: „Wilco Schmilco“), sondern auch um Politik. Bei aller Sorge um den Zustand seines Landes hat der 49-Jährige aber auch die Hoffnung, dass die Leute aus dem Fehler Trump, ob er gewinnen wird oder verliert, Lehren ziehen wird.
Jeff Tweedy zur Frage, wie es für ihn ist, ausgerechnet am Dienstag nicht in den USA zu sein – und seine Einschätzung zum Wahlausgang, und welche Konsequenzen ein Sieg Trumps für Amerika und die Welt hätte:
„Es hilft nicht unbedingt meiner psychischen Gesundheit, dass ich am Tag der Präsidentenwahl nicht in den USA bin. Aber Amerika ist überall – CNN ist auf jedem Fernseher in jedem Hotelzimmer. Amerikaner interessieren sich zwar in der Regel nicht für die Politik anderer Ländern, aber an den meisten Orte, die wir auf unserer Tour besuchen, wissen die Leute ganz genau, was in den USA passiert.
Meine größte Sorge ist, dass meine Frau und meine Kinder sich aus irgendwelchen Gründen aufregen und die Fassung verlieren und ich nicht dort sein kann – selbst wenn Hillary gewinnt, kann es zu Gewalt und Ausschreitungen kommen, es ist unwahrscheinlich, dass alles glatt läuft.
„Schon jetzt patrouillieren sie offen mit Waffen vor den Wahllokalen“
Ich schaue mir geradezu obsessiv die Umfragen an. Es sieht momentan einigermaßen gut aus, und ich bin zuversichtlich, dass Hillary das Rennen macht. Aber er ist eine schreckliche Vorstellung, dass Trump gewinnen könnte. Da wird mir erst klar, wie übertrieben meine Bedenken und Ängste gegenüber anderen Kandidaten aus früheren Wahlen gewesen sind. Dagegen ist selbst Mitt Romney eine vernünftige Alternative. Und 2012 dachte ich, er wäre eine äußerst schlechte Wahl gewesen.
Trump ist ein Typ, der nie ein öffentliches Amt bekleidet hat, und nicht nur hat er keine Erfahrung, er scheint zudem selbst nicht zu wissen, dass er keinerlei Erfahrung hat. Er scheint zu denken, er könne einfach alles. Es ist eine sehr emotionale Wahl. Bei den großen nationalen Wahlen in den USA geht es heute ausschließlich um Gefühle und nicht mehr um Argumente oder Fakten, was ziemlich schlimm ist. Wenn man eine große Anzahl an Menschen aus unserer Kultur davon überzeugt, dass sie Opfer sind, hat man es leicht, jeden und alles zu dämonisieren, was einem nicht passt, und dabei den Eindruck zu vermitteln, man sei im Recht. Da gibt es viele Ähnlichkeiten zu dem, was in der deutschen Geschichte passiert ist. Aber das kann man in den Staaten niemanden sagen, sobald man damit ankommt, hat man die Diskussion verloren.
Aber man kann daraus viel lernen und erkennen, warum und wie es zu Trumps Aufstieg kommen konnte. Denn so wie ich das verstanden habe, ist dieser Typ aus der deutschen Geschichte auch ein ziemliche Witzfigur gewesen, die zunächst niemand ernst genommen hat und die nicht die Mehrheit der Wählerschaft hinter sich gebracht hat.
„Und auch Trump wird niemals an die 50 Prozent herankommen“
Wenn er gewinnen würde, dann mit einer sehr viel niedrigeren Prozentzahl als der, mit der normalerweise Wahlen gewonnen werden. Viele Republikaner machen Wahlkampf gegen ihn, um ihn in Schach zu halten. Die Partei steht nicht hinter ihm, aber er könnte eine Menge Schaden anrichten und das hat er auch schon. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass sich Amerika insgesamt in die richtige Richtung entwickelt, und ich denke, dass diese Entwicklung weitergehen wird. Der hoffnungsvolle, optimistische Teil von mir sagt, selbst wenn Trump gewinnen würde, wäre es eine gute Veranschaulichung dessen, wie schlimm er wirklich ist – das ist, was ihr gewollt habt und es ist nicht gut.
Ich glaube, die meisten Menschen, sind anständig, selbst die meisten Trump-Anhänger sind anständiger und vernünftiger, als es momentan den Eindruck macht. Man hat sie betrogen, angelogen und manipuliert, indem man ihre Ängste schürt. Aber das passiert nicht nur in den USA, das passiert gerade überall auf der Welt.