Wenn man an Lambchop denkt, assoziiert man noch immer Nash­ville und wogende Weizenfelder, auch wenn man weiß, dass dieses wundersame Kollektiv niemals nach einem Americana-Reinheitsgebot musiziert hat, sondern von Krautrock bis Soul schon viele Stile und Genres in ihre Musik einfließen ließ. Doch die unvergleichliche Brummbassstimme von Kurt Wagner legt halt immer Schaukelstuhl, Pfeifchen und Veranda auf irgendeiner Farm im amerikanischen Süden nahe. Und wenn man „Mr. M“ von 2012 hört, möchte man auch genau dorthin. Wagner jedoch ging danach erst mal in den Club und veröffentlichte 2015 mit dem Projekt HeCTa „The Diet“, ein elektronisches, von Beats getriebenes Album.

Lambchop, HipHop und Zeitlupen-Soul

Nun versucht er sich mit Lambchop an HipHop – ehrlich wahr. Im Begleittext zu „FLOTUS“ nennt er Kendrick Lamar, Kanye West, Shabazz Palaces und Frank Ocean als Einflüsse. Doch keine Angst, liebe Americana-Freunde, „FLOTUS“ beginnt ganz karg mit trocken angeschlagener E-Gitarre, melodischem Bass und Klavier. Nur die Stimme wird ab und an mittels Auto-­Tune in dem eröffnenden, ruhig fließenden, zwölfminütigen Narrativ „In Care Of: 8675309“ bearbeitet. Doch dann setzten in „Directions To The Can“ die Beats ein (75 bpm, wie spleenig vermerkt ist), der folgende Titelsong ist noch ein bisschen schneller (114 bpm), was den Sänger, der einen schleichenden Zeit­lupensoul vorträgt, bis auf einen ­etwa vier Wörter langen Beinahe-Rap („Patterned on the principle“) nicht zu beein­drucken scheint.

Die Dringlichkeit dieser Modernisierung erschließt sich nicht sofort. Aber mit „Relatives #2“ wird der Sound zwingender, „Harbor Coun­try“ spielt mit Ambient, „Writer“ mit einer Minimal-Ästhetik, in „NIV“ bieten Bassgroove und repetitives Klaviermotiv ein Bett für die verfremdete Stimme, und im epischen „The Hustle“ kommt über eine Klarinette der Jazz in einen kühlen Neu!-Track. Sobald Kurt Wagner seinen Brummbass erhebt, sitzen wir aber doch wieder im Schaukelstuhl und schauen auf wogende Weizenfelder.