New Order beim Lollapalooza 2016: Jetzt müsst ihr klatschen und tanzen!

Die Post-Punk-Band präsentiert Klassiker aus ihrem Katalog, schwört "Joy Division Forever" und wandelt auf dem Eurodancefloor.

Eigentlich war ja Paul Kalkbrenner gebucht, um beim Lollapalooza in Berlin mit scharfen Beats die Masse zum Tanzen zu bringen. Der  Techno-Musiker, der im Trikot von Vorwärts Berlin auftrat und so ein wenig Heimspiel-Atmosphäre mitbrachte, machte seine Sache mit preußischer Disziplin wie er sie immer macht. Wenn er gewusst hätte, wie New Order ihm nur Minuten später auf eigenem Terrain Konkurrenz machen würde, hätte er vielleicht ein paar Schweißtropfen mehr investiert. Möglicherweise hätten sich auch Kings Of Leon, die zeitgleich auf der Mainstage spielten, zumindest zu Beginn etwas mehr ins Zeug gelegt.

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Ja, New Order haben Lust auf Club und Eurodance – möglichst laut, auf jeden Fall pathetisch. Mit „Music Complete“, ihrer neuen Platte, versucht die Band um Sänger Bernard Sumner nach einem eher durchwachsenen Neustart ohne Bassist Peter Hook ihr Werk um einige bunte Blüten zu  bereichern – oder, wie man so schön sagt, zu modernisieren. Auf der Alternative Stage gibt es dafür eine gewohnt fantastische Licht-Show, perfekt auf den wirklich sauber getrimmten Klang abgestimmte Videos (worin die Kamera, es passt wohl zu den treibenden Beats, oft über Landschaften, Wasser oder Berge hinwegdüst) und ein paar Musiker, die sich von der ersten Minute an ins Zeug legen, ihren Sound fast so einheitlich wie auf Platte hinzubekommen.

Breitgestreckte Schwermut, brodelnde Beats

Überzeugend gelingt der Start mit „Singularity“: Zu Bildern aus dem Film „B-Movie: Lust & Sound in West Berlin 1979-1989“ zeigt sich, wie elegant der Übergang zwischen Synthies, New-Wave und breitgestreckter Schwermut funktionieren kann. Faszinierend, wie perfekt sich Sumners Stimmer in die pluckernden Elektroflächen einfügt. Immer wieder fordert er zum Klatschen und Tanzen auf.

Doch nicht alles will überzeugen. Das schwülstige „Tutti Frutti“ schwankt zwischen Zumutung und schlechtem Witz, Songs wie „Plastic“, die im Ansatz versöhnlich stimmen, werden etwas zu sehr in die Länge gezogen und „Waiting For The Siren’s Call“ ist dermaßen verschwurbelt und sentimental, dass man Augen und Ohren verschließen möchte.

„Love Will Tear Us Apart“

Natürlich gibt es auch ein paar Klassiker aus der Vergangenheit zu hören, „Blue Monday“ und „Temptation“ werden pflichtbewusst kurz vor der Zugabe gereicht und erhalten einen extrovertierten Dance-Anstrich verpasst. Dann gibt es zur Freude der Zuschauer doch noch Joy Division zu hören – und natürlich passend zum Berlin-Auftritt  „Komakino“, das sich in einer rekonstruierten Fassung auf dem Soundtrack zu „B-Movie“ befindet. Als Rausschmeißer folgt das unsterbliche „Love Will Tear Us Apart“. Dazu steht auf den Bildschirmen in Großbuchstaben „Joy Division Forever“. Das Publikum klatscht und strahlt und weint. Einen schöneren Ausklang hätte das Lollapalooza am ersten Spieltag nicht erhalten können.

(mv)

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