Do You Know Where The Fuck You Are? Die 20 besten Songs von Guns N‘ Roses
Mit "Sweet Child O'Mine", "Don't Cry" und "November Rain".
Berücksichtigt wurden alle Stücke, bei denen die drei Musiker zusammen gearbeitet haben. Also das Beste aus „Appetite for Destruction“, „GN’R Lies“ und „Use Your Illusion I“ und „Use Your Illusion II“. Lieder aus dem Coveralbum „The Spaghetti Incident?“ haben es nicht in die Auswahl geschafft. „Chinese Democracy“ war ohne Slash und Duff entstanden, wird also auch nicht aufgenommen.
Ausgewählt und kommentiert von Birgit Fuß (BF) und Sassan Niasseri (SN).
20. Double Talkin‘ Jive (aus „Use Your Illusion I“)
Kein Wunder, dass dieser Song bis zur aktuellen Reunion 23 Jahre lang nicht live von Axl Rose gespielt wurde. „Double Talkin‘ Jive“ ist, von Izzy Stradlins Gesang abgesehen, eben auch Slashs Song gewesen. Er prägte das Arrangement, dehnte die 3-minütige Studioversion auf der Bühne mit seinem Flamenco-Stil bis auf zehn Minuten aus. Das Stück beginnt als recht einfacher Rocksong über Gewalt in den Straßen („Found a head and an arm in a garbage can“) und wird dann zu einer psychedelischen Reise – die Slash live in Hendrix‘ „Voodoo Chile“ münden ließ. Roses Ansagen zu dem Lied waren mal Morddrohungen (etwa gegenüber Warren Beatty, der sich an Stephanie Seymour rangemacht haben soll), oder schlicht Grüße an Loser wie Dich und mich. (SN)
19. Mr. Brownstone (aus „Appetite for Destruction“)
„Ein typischer Tag im Leben von Slash und Izzy“, so hat Slash „Mr. Brownstone“ mal beschrieben, diese fiese Abrechnung mit dem Heroin und der Sucht. Erst ein bisschen, dann ein bisschen mehr und noch mehr, und schon … Der nervöse Bo-Diddley-Beat und Axls gequälter Gesang verdeutlichen, wie aus Spaß tödlicher Ernst wird. Die Zeilen „Now I get up around whenever/ I used to get up on time“ klingen allerdings doch ein bisschen lustig, denn Zuspätkommen: Das konnte Axl Rose auch ohne Heroin immer gut. (BF)
18. Out Ta Get Me (aus „Appetite For Destruction“)
„They’re out ta get me / They won’t catch me / I’m innocent / They won’t break me“ – gut möglich, dass Rose hier die Geschichte eines Kriminellen auf der Flucht erzählt. Vielleicht geht es aber auch einfach nur darum, dass der Sänger sich das Recht herausnimmt, alles zu tun, was er will, die anderen können ihn mal. Das 1987er-Stück „Out Ta Get Me“ hatte in der späteren Live-Ära von „Use Your Illusion“ (1991) wenig Chancen, tauchte in den Setlists kaum noch auf. Schon auf dem „Appetite For Destruction“-Album hatte es einen schweren Stand, war auf Position vier gesandwiched zwischen der Single „Nightrain“ und dem Quasi-Partylied „Mr. Brownstone“. In seiner Wirkung – es ist ein klassischer 1,2,3,4, let’s go!-Rocksong – steht es den anderen Stücken jedoch in nichts nach. (SN)
17. The Garden (aus „Use Your Illusion I“)
Das psychedelische Paranoia-Stück hatte Axl mit seinen Freunden West Arkeen und Del James schon geschrieben, bevor das GN’R-Debüt erschien, die Band grub es aber erst für „Use Your Illusion“ wieder aus. Es wäre schon gespenstisch genug, wenn nicht auch noch Alice Cooper auftauchen würde. Die beiden Stimmen ergänzen sich aufs Schönste zu einem Duett über Wahnsinn, dessen genauere Bedeutung bis heute kaum einer verstanden hat. (BF)
16. Estranged (aus „Use Your Illusion II“)
Als achte – und letzte – Single aus dem Doppelschlag „Use Your Illusion I“ und „II“ wurde endlich „Estranged“ ausgekoppelt. Der Titel verrät es bereits, der Song handelt davon, dass man den Partner irgendwann mit anderen Augen sieht (Rose schrieb das Lied mit Blick auf Erin Everly). Es ist mit knapp zehn Minuten auch ihr zweitlängstes Lied geworden, und das emotionale Auf und Ab einer Liebesbeziehung illustriert die Band mit Musik, die fast wie Wellenschläge klingt; ein sanftes Klavier hier, ein paar Basstöne dort. Und immer wieder Slash mit seinen Soli zwischen den Strophen – toll. (SN)
15. Think About You (aus „Appetite For Destruction“)
Eines von vielen Liedern, in denen Axl Rose auf der Suche nach einer Frau ist, die ihn rettet: “ There wasn’t much in this heart of mine/ There was a little left and, babe, you found it“, schmachtet er, die Leidenschaft gerade noch im Zaum haltend, während Steven Adler wie wildgeworden trommelt, bis sich alles in Geschrei auflöst. Auf „Appetite For Destruction“ kommt danach „Sweet Child O‘ Mine“, das die Nerven auch nicht gerade beruhigt. (BF)
14. Civil War ( aus „Use Your Illusion II“)
In diese knapp acht Minuten warfen Guns N‘ Roses alles, was sie hatten: Film-Zitate („What We’ve Got Here, Is Failure To Communicate …“aus „Cool Hand Luke“), militärisch klingendes Pfeifen von Axl Rose, Regen-Geräusche, Vietnam, Kennedy, eine plötzlich ausbrechende Gitarre, ein hymnenhafter Chorus, ein gedehntes Outro, in dem der Sänger sich zu einem Wortspiel hinreißen lässt: „What’s So Civil about War anyway“. Von den 30 „Use Your Illusion“-Songs war dieser einigen Fans vor Album-Veröffentlichung bereits bekannt, vom Sampler Nobody’s Child: Romanian Angel Appeal. (SN)
13. November Rain (aus „Use Your Illusion I“)
Das Video mit der Katastrophen-Hochzeit von Axl und Stephanie Seymour, dem einsamen Slash vor der Kirche und dem Ende auf dem Friedhof haben wir alle wohl zu oft gesehen, aber der Song bleibt ein Meisterstück in Dramatik mit seinen Streichern, dem Klavier und der sich immer weiter drehenden Geschichte. Am schönsten ist allerdings immer noch die Szene, in der Duff McKagan dem verwirrten Slash verschmitzt die Eheringe anreicht – ein bisschen Humor mitten im Horror. (BF)
12. Nightrain (aus „Appetite For Destruction“)
Ein Musterbeispiel für Kuhglocken-Inferno á la Steven Adler, wie man es aus der Frühphase der Band kennt. Der Refrain setzt zwar ungewohnt spät ein, aber „Nightrain“ ist noch immer einer der besten GN’R-Opener, sobald die Gruppe auf der Bühne steht – Axl kündigt den Sturm per Trillerpfeife an. Das Stück funktioniert als „Nachtregen“ ebenso wie als „Nachtzug“ („Nighttrain“ korrekt geschrieben, mit zweitem „t“). (SN)
11. Don’t Cry (aus „Use Your Illusion I“ und „II“)
Gleich in zwei Versionen schaffte es „Don’t Cry“ auf die „Use Your Illusion“-Alben, es unterscheiden sich allerdings nur die Strophen, nicht der Chorus des ungewöhnlich sanften Liebesliedes, das eigentlich ein ziemlich fieses Abschiedslied ist – die Zweideutigkeit war eine der großen GN’R-Stärken. Im Hintergrund ist der inzwischen verstorbene Shannon Hoon (Blind Melon) zu hören – und im Video der erratische Songwriter/Gitarrist Izzy Stradlin nicht zu sehen, nur ein „Where’s Izzy“-Schild. (BF)
10. Rocket Queen (aus „Appetite For Destruction“)
Das Abschluss-Stück der Platte ist in die Geschichte eingegangen, weil das darauf enthaltene Stöhnen einer Frau angeblich live beim Sex mit Rose entstanden ist. Der Siebenminüter spiegelt auch das komplizierte Verhältnis des Sängers zu Frauen wider, die für ihn entweder Heilige oder Huren sind. Daran ändert auch der friedliche Ausklang des Songs nichts: „If you need a shoulder or if you need a friend / I’ll be here standing until the bitter end.“ (SN)
9. Patience (aus „GN’R Lies“)
Von den vier neuen Songs auf dem Minialbum „GN’R Lies“ erregte „One In A Million“, der Wutausbruch mit den „niggers“, „immigrants and faggots“ die meiste Aufmerksamkeit, dabei gab es mit dem lustigen „Used To Love Her“ und „Patience“ zwei viel bessere Stücke. Die Ballade „Patience“ beginnt mit einem pfeifenden Axl, die Band schunkelt ihm langsam hinterher, und der als Zorngickel bekannte Sänger schwört auf die Geduld, weil es keinen Grund gibt, die Liebe zu hetzen: „There is no doubt you’re in my heart now.“ (BF)
8. Live and Let Die (aus „Use Your Illusion I“)
Kaum zu glauben, aber erst 18 Jahre nach Veröffentlichung des Originals von Paul McCartney & Wings kommt eine Hardrock-Band auf die Idee, diese aufregende Vorlage für eine eigene Version zu nutzen. Der dramatische Gitarrenpart zu Beginn ist für Slash selbstverständlich ein Kinderspiel, die Reggae-Sequenz in der Mitte von Axl vielleicht ein wenig zu fahrig gesungen, aber beim romantischen Jane-Seymour-Motiv ist Slash voll da. Ein stimmungsvolles Cover eines großartigen Bond-Songs. (SN)
7. Paradise City (aus „Appetite for Destruction“)
Wenn der Junge vom Land in die große Stadt kommt, die Lichter ihn blenden und er in der Gosse landet, aber immer noch die Sterne sieht: Selten wurde ein Klischee derart zwingend vertont wie in „Paradise City“. Die Trillerpfeife, die treibenden Riffs, der Stakkatogesang von Axl Rose: So paranoid klang sogar Los Angeles nicht oft, und auch 29 Jahre später ist es unmöglich, den Chorus nicht mitzusingen. (BF)
6. Welcome To The Jungle („aus Appetite For Destruction“)
Der Opener des ersten Albums vereint alles, was die Band anno 1987 ausmachte. Gift („f you got the money honey we got your disease“), Sex-Wortspiele, etwas schlechter als die von Led Zeppelin („Feel my, my, my serpentine“), ein Leben auf dem Drahtseilakt („You know where you are ?You’re down in the jungle baby, you’re gonna dieee“). Auch fast 30 Jahre später haut einen die Wucht dieser Formation, von der es in der Sleaze-Szene von Los Angeles keine zweite gab, um. Sah Clint Eastwood alias „Dirty Harry“ auch so, der Song kommt im fünften Teil seiner Cop-Saga vor. (SN)
5. Breakdown (aus „Use Your Illusion II“)
Zusammenbrüche gibt es in vielen Guns N’Roses-Songs, das siebenminütige „Breakdown“ bringt sie auf den Punkt. Die vorzeitige Lebensbilanz, von Axl Rose allein geschrieben, hat eine unwiderstehliche Melodie, zunächst auf der Akustikgitarre geschrammelt, und gleich etliche Zeilen fürs Poesiealbum – wie diese hier: „Remember in this game we call life that no one said it’s fair.“ Den Spoken-Word-Quatsch am Ende mit dem Tiger, dem Brahmanen und dem Super-Guru hätte es freilich nicht gebraucht. (BF)
4. It’s So Easy (aus „Appetite For Destruction“)
Als Vorabsingle von „Appetite for Destruction“ eine kuriose Wahl – tatsächlich war „It’s So Easy“ die allererste Gunners-Single überhaupt. Es ist auch ihr bis heute sexistischster Song, der frei von jeder Ironie die Allmacht von Rose‘ unter Beweis stellen soll. „Turn around bitch I got a use for you“ ist die vielleicht berüchtigste Zeile aus dem Band-Kosmos, das hinterher geschobene „Besides you ain’t got nothin‘ better to do / And I’m bored“ entschärft die Situation nur bedingt. Duff McKagans Bass klingt wie eine Hornisse, die gleich zustechen will. (SN)
3. Coma (aus „Use Your Illusion I“)
Der längste GN’R-Song und auch der intensivste, nicht wegen der Intensivstationgeräusche im Hintergrund. So verzweifelt, so außer sich klang Axl Rose danach nie wieder. Mehr als zehn Minuten kämpft er in „Coma“ um sein Leben. Er stirbt an einer Überdosis und fühlt sich im Nichts ganz wohl, er betrachtet sein Leben aus dem Off und spricht seine Freunde von Schuld frei, dann wird er zurückgeholt und stellt fest, dass nur er sich selbst helfen kann: „No one else can heal your soul.“ Ein ergreifendes Drama. (BF)
2. You Could Be Mine (aus „Use Your Illusion II“)
Wir schreiben das Jahr 1991 im Juni, und es galt keinesfalls als gesichert, dass Guns N‘ Roses mit den anstehenden „Use Your Illusion I“ und „II“ ihren Superstar-Status halten würden. Vier Jahre – wenn man vom Mini- plus Live-Album „Lies“ absieht – waren seit „Appetite for Destruction“ vergangen. Wartete die Welt noch auf die Band? Ihr Comeback läuteten Guns N‘ Roses mit einer der wohl besten Comeback-Singles überhaupt ein. „You Could Be Mine“ beginnt mit einer Art Parade der Instrumente, Schlagzeug, Bass, die zwei Gitarren drehen ihre Runden, bis sich die Band nach eineinhalb Minuten findet und gemeinsam losprischt. Gutes Gespür bewies man mit der Zusage, „You Could Be Mine“ als Titelsong für den zweiten „Terminator“-Film zur Verfügung zu stellen – auch hier konnte man nicht einhunderprozentig vorhersagen, dass der Schwarzenegger-Streifen ein Hit werden würde. Er wurde dann ein Superhit.
Unabhängig davon ist Axl Rose wohl nur ein „Waste Of Ammo“:
1. Sweet Child O’Mine (aus „Appetite For Destruction“)
Dieser Song muss die Nummer eins sein, was denn sonst? An den ersten zwei Takten von Slashs Intro erkennt man die Ballade, dann setzt Axl Rose ein: „She’s got a smile …“, alles ist Sehnsucht und Verlangen, aber auch Erinnerung an die längst vergangenen unschuldigen Kindheitstage. Nach zweieinhalb Minuten übernimmt Slash wieder die Regie, der Song zieht an, und auf die wiederholte Frage „Where do we go now?“ gibt es natürlich keine einfache Antwort. (BF)