Vom Sozialfall zum Star-Autoren
Stephen King, einer der erfolgreichsten Schriftsteller aller Zeiten, wird 70. ROLLING STONE über die Anfänge des Horror-Königs.
Das Unfall-Auto, den Minibus, kaufte King auf. Er hatte angekündigt, ihn mit einem Vorschlaghammer in Einzelteile zu schlagen, später landete der Unglückswagen zumindest auf dem Schrottplatz. Der Unfallverursacher, ein vorbestrafter Mann namens Bryan Edwin Smith, starb etwas mehr als ein Jahr nach dem Unglück, an einer laut Polizeibericht versehentlichen Überdosis Schmerzmittel – am 21. September, Stephen Kings Geburtstag. Sei das ein bitterböser Zufall gewesen, oder einfach Schicksal – es passt zu unserem Bild von Kings übernatürlicher Welt.
In seinem siebten Lebensjahrzehnt unternahm King einige seiner waghalsigsten Versuche als Schriftsteller, inhaltlich wie formal. Er veröffentlichte mit „Die Arena“ sein mit 1072 Seiten drittlängstes Buch; es gab die rührende „Was, wenn wir Kennedys Ermordung hätten stoppen können?“-Fantasie „Der Anschlag“. Mit der so genannten „Bill-Hodges-Trilogie“ verfasste King erstmals Hardboiled-Romane – und in diesem Jahr wird er ein mit seinem Sohn geschriebenes Buch herausbringen. Co-Autor von „Sleeping Beauties“ ist der 40-Jährige Owen King.
King wird von Obama für sein Lebenswerk ausgezeichnet:
Stephen King ist im Alter natürlich etwas milder geworden. Die Helden in seinen Romanen sterben nicht mehr so schnell weg, im Gegenteil, meistens überleben sie. Und auch die Natur wirkt heute weniger bedrohlich. Kings Beschreibungen vom ländlichen Maine werden immer schöner, drücken ein Harmoniebedürfnis aus. In seinen Memoiren „Das Leben und das Schreiben“ beschrieb King, wie er als Kind beeinflusst wurde: Eine verwilderte kleine Grünfläche hinter dem Haus reichte da schon aus, um die bedrohlichen Barrens, die Unterwelt des Clowns „Pennywise“ zu kreieren.
Und wer „Das letzte Gefecht“ gelesen hat, weiß, dass der Mann aus Bangor weder an der Westküste niemals glücklich werden könnte, die Bösen um Randall Flagg sammeln sich dort in Las Vegas, noch in New York: In „Nightmares In The Sky“ beschreibt er 1989, wie die Nachtmahren an den Wolkekratzern in kirre machen.
Im Dienste der Angst
Werfen wir einen Blick nach vorn. In zehn Jahren, am 21. September 2027, wird King 80. Wenn alles gut läuft, halt: Wenn alles wie gehabt abläuft, dürfen wir uns bis dahin auf mindestens zehn Werke mehr freuen. King ist suchtfrei (sieht man von seiner Sucht nach dem Baseball-Team der Red Sox ab), hat seine eigenen Dämonen besiegt, und er hatte das Unfall-Auto besiegt, das ihn hätte töten können.
„In meinem Charakter“, schrieb King, „verflechten sich eine gewisse Wildheit und konservative Bodenständigkeit miteinander, wie Haare zu einem Zopf.“ Wenn King mit „konservativ“ meint, dass er jeden Tag des Jahres konzentriert an einem Schreibtisch sitzt und arbeitet, akzeptieren wir das gern. Zuletzt räumte er mit einem Gerücht auf: dass er an jedem Tag schreiben würde, außer an seinem Geburtstag, Heiligabend sowie dem Amerikanischen Unabhängigkeitstag. Tatsächlich, stellte King später klar, schreibt er auch an diesen drei weltwichtigen Daten.
70 Jahre im Dienst der Angst. Gehen wir davon aus, dass Stephen King auch weiter daran arbeiten wird, seine – und unsere – Schwächen aufzudecken. Damit wir sie akzeptieren oder gar besiegen. Wir brauchen King.