„James Bond – Der Spion, der mich liebte“: Roger Moores Vergnügungsfahrt
Mit Lotus Esprit, Jaws, noch einem Jaws sowie Ken Adams Retro-Futurismus ist Roger Moore endlich in seiner 007-Rolle etabliert. Über den vielleicht besten Bond-Film der Siebziger.
Sechs Bond-Schauspieler traten bislang als Geheimagent 007 auf. Die drei populärsten, Connery, Moore, Craig, haben jeweils drei Filme gebraucht, dann waren sie in ihrer Rolle verankert. Und jedesmal gab’s dazu eine Dienstwagen-Premiere: Sean Connery fuhr 1964 in „Goldfinger“ den silbernen Aston Martin, Roger Moore erhielt 1977 den Lotus Esprit in Weiß, und Daniel Craig kehrte 2012 für „Skyfall“ zum Aston Martin als Retro-Modell zurück. Sportwagen sind Pop, und „Goldfinger“, „Der Spion, der mich liebte“ und „Skyfall“ waren die zeitgeistigen Bond-Filme ihrer Ära.
Die Vorzeichen von „Der Spion, der mich liebte“ standen jedoch schlecht. Mit dem Vorgänger-Film „Der Mann mit dem goldenen Colt“ von 1974 floppten die Produzenten um Cubby Broccoli. Womöglich, weil die Duell-Situation, der persönliche Konflikt zwischen Scaramanga (Christopher Lee) und 007 (Moore) nicht einen ganzen Film tragen konnte – da stand nicht wirklich die Welt stand auf der Kippe. Eine Pause von drei Jahren folgte, die bis dato längste im Bond-Universum.
„Der Spion, der mich liebte“ fuhr dann wieder das volle Kalter-Krieg-Programm auf. Atom-U-Boote, Fronten zwischen zwei Militärbündnissen und eine russische Spionin (Barbara Bach, die am 27. August ihren 70. Geburtstag feierte).
Roger Moore, zur Veröffentlichung des Films bereits unglaubliche 50 Jahre alt, wurde durch den „Spion“ zwar zur Comic-Figur unter den Bonds. Aber die ewige Frage „Connery oder Moore?“ entstand hier, weil dieser Film alle anderen aus der Agentenreihe an der Kasse übertrumpfte (46 Millionen Dollar Einspielergebnis, Platz neun der erfolgreichsten Filme 1977). Jetzt nahm man den Schauspieler, der schon vor dem Interims-Bond George Lazenby (1969, „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“) als Bond gehandelt wurde, als perspektivische Langzeitbesetzung ernst.
Roger hatte genau den positiven Witz, der bei Sean wie Zynismus wirkte, was dem Zuschauer natürlich als Arbeitsverweigerung auffiel. Connery hatte nach „Goldfinger“ von 1964 keine Lust mehr auf Martinis und Gadgets. Moores Bond kultivierte die One-Liner weiter, wirkte agiler, und seinen getöteten Killern schmiss er echte Klassiker hinterher. Wer im Haifisch-Becken landet: „He just dropped in for a quick bite“; wessen Krawatte er loslässt und der deshalb vom Hausdach stürzt: „What a helpful chap!“
007 zeigt Gefühl
Eher nebenbei formulierte Roger Moore im „Spion“ aber auch eine Selbstbeschreibung, die der Agent so noch nie gebracht hat, auch der nicht von Connery. Er spricht über eine Unsicherheit. Russin Anya fragt 007, ob er hinter der Ermordung ihres Mannes stecken könnte. Bonds Antwort: „When someone’s behind you on skis at 40 miles per hour trying to put a bullet in your back, you don’t always have time to remember a face.“ Bond seufzt. „In our business, Anya, people get killed. We both know that. So did he. It was either him or me. The answer to the question is yes. I did kill him.“ 007 zweifelt vielleicht an der Rechtmäßigkeit seiner Mittel. Aber er hat auch Angst um sein Überleben.
Als Anya ihn auf seine von Blofelds Schergen getötete Ehefrau anspricht („Im Geheimdienst Ihrer Majestät“), entgegnet Bond ein abwehrendes: „Ok, Du hast Deinen Standpunkt vertreten!“ Er sei in Bezug auf manche Dinge sensibel, räumt er ein. Allein der Filmtitel versprach eine Romantik wie kein Bond zuvor oder danach – es steckte keine Brutalität darin wie im „Feuerball“ oder Ironie wie in den „Liebesgrüßen aus Moskau“. Es war ein Bacardi-Feeling der Spätsiebziger.
Dennoch ist „Der Spion, der mich liebte“ kein herausragender Film, aber nirgendwo in der gesamten Reihe versteckt sich ein Meisterwerk. Die Regie von Lewis Gilbert, erstmals seit „Man Lebt nur zweimal“ wieder für 007 hinter der Kamera, ist zuverlässig holprig. Die Story um zwei verschwundene Atom-U-Boote ist unausgegoren, gerät aus dem Fokus zugunsten spektakulärer Locations wie Ägypten oder die Unterwasserfestung.
Die Bond-Werke werden geliebt, weil sie cool sind, gut aussehen, fantasievolle Waffen präsentieren und tolle Scores. Dieses FX-Event war auf Höhe der Zeit. Erst mit „Star Wars“ oder „Unheimliche Begegnung der Dritten Art“ würden im selben Jahr wie der „Spion“ Effekt-Filme von ähnlicher Qualität ins Kino kommen. Bezeichnend, dass nach „Der Spion, der mich liebte“ der eigentlich geplante „In tödlicher Mission“ auf 1981 verschoben wurde – mit „Moonraker“ wurde 1979 hastig ein Quasi-„Star Wars“ dazwischengeschoben, um vom Space-Hype zu profitieren.
Den Bogner gespannt
„Der Spion, der mich liebte“ setzte schlicht einen Reizpunkt nach dem anderen. Der unvermeidliche und später zu Leinwandruhm aufsteigende Willy Bogner („In tödlicher Mission“, „Fire and Ice“) drehte diesmal die Einführungs-Actionsequenz, also jenen klassischen Bond-Epilog, der Zuschauer schon zu Filmbeginn auf Flughöhe bringen soll. Bond jagt auf Skiern seinen Verfolgern davon, eine Klippe hinunter, aber dann fliegt er davon – und den Fallschirm ziert ein riesiger Union Jack. Die Briten, wurde von der Filmpremiere berichtet, jubelten, als gäbe es keinen Morgen mehr. Sogar Prince Charles soll sich vom Kinositz erhoben haben.
Das Set-Design war nicht weniger exquisit. Wieder einmal zeichnete Ken Adam für den Retro-Futurismus verantwortlich. Atlantis, die Basis von Bösewicht Stromberg (Curd Jürgens), sah aus wie etwas, in das man entweder Glühlampen stecken und dann an die Zimmerdecke hängen möchte, oder wie eine Sitzlandschaft in Bars, in der man Untertanen empfangen kann. Adam war ein Meister seines Fachs, das bekundete bereits die Vulkan-Station aus „Man lebt nur zweimal“ sowie der „War Room“ aus Stanley Kubricks „Dr. Strangelove“.
Bis heute hat sich der Verdacht leider nicht erhärtet, dass Kubrick bei den Dreharbeiten mehr tat als Beleuchtungs-Tipps für den riesigen Hangar zu geben, der in den Pinewood-Studios für die U-Boote errichtet wurde. Es wäre zu schön gewesen, hätte der Regisseur Szenen für James Bond selbst gedreht.
Den etwas fantasielosen Score schrieb nicht Stamm-Komponist John Barry, der Mitte der Siebziger nur in seiner amerikanischen Wahlheimat arbeiten wollte und nicht verfügbar war, sondern Marvin Hamlisch. Das Engagement des New Yorkers galt als Coup. Erst zwei Jahre zuvor gewann er bei den Academy Awards gleich drei Oscars (zwei für „So wie wir waren“, einen für „Der Clou“). Mit Bond jedoch konnte Hamlisch hörbar nicht allzu viel anfangen. „Ride To Atlantis“ war wie Vergnügungspark-Musik, „Bond 77“ eine halbherzige, zeitgeistige Disco-Nummer.
Für Carly Simon immerhin komponierte er das umwerfende Titellied „Nobody Does It Better“, das Radiohead-Sänger Thom Yorke völlig zu Recht als einer der „schönsten Lovesongs aller Zeiten“ bezeichnet (und auch von Cameron Diaz in der Hotelbar von „Lost In Translation“ nicht kaputtgesungen werden kann). Seltsam wirkte es dennoch, dass gerade Hamlisch (sowohl für den Score als auch das Titelstück) die ersten Soundtrack-Nominierungen für einen Bond-Film überhaupt einholte.
John Barry war es doch, der die Agentenmusik Hollywoods wie kein zweiter geprägt hatte, dessen Tiptoe-Klänge finden sich heute noch in Thrillern. Darauf baute auch Bond-Debütant George Martin mit „Live and Let Die“ 1973 auf. Gut möglich, dass die Oscar-Jury 1977 noch immer stark beeindruckt war von den Auszeichnungen, die sie ihrem Landsmann Hamlisch verliehen hatten und ihn deshalb gleich wieder hofierten.
Jürgens vs. Fröbe
Roger Moore war nach „Der Spion, der mich liebte“ fest im Sattel, aber es waren auch zwei Nebendarsteller, die den zehnten Bond-Film fast genauso populär machen würden. Mit Curd Jürgens als Karl Stromberg setzen die Produzenten zum zweiten Mal nach Gert Fröbe auf einen deutschen Feind für den Geheimagenten. Bis in die 1990er-Jahre stöhnten Deutsche gespielt auf, weil deren Schauspieler bis dahin in Übersee stets „auf Bösewichter abonniert“ waren. Insgeheim freute man sich über die Anerkennung in internationalen Produktionen, 1964 bei „Goldfinger“ genauso wie 1977 beim „Spion“.
In Hollywood wurde der Bayer Jürgens in Kriegsfilmen seit den Sechzigern bereits als „der Deutsche“ eingesetzt („Der längste Tag“). Als größenwahnsinniger Stromberg aber wirkte der damals 62-Jährige seltsam apathisch. Bezeichnend, dass sein Industrieller im Sitzen stirbt – er hatte eine eher Colonel-Kurtz-artige Präsenz. Das Körpervolumen wusste Gert Fröbe etwas besser einzusetzen, die Schreckhaftigkeit und plötzliche Geschwindigkeit machte Goldfinger zu einem unangenehmeren Gegner.
1977 war das Jahr, in dem „Star Wars“ regierte, aber der zweiterfolgreichste Film aller Zeiten hieß „Der weiße Hai“ (Original: „Jaws“). Deshalb vielleicht bauten die Produzenten den einen oder anderen Hai auch in den „Spion“ ein, in deren Becken Stromberg seine Opfer fallen lässt. Und dann gab es natürlich noch DEN „Jaws“, aus dem im Deutschen der „Beißer“ wurde – 2,17 Meter groß, verkörpert von Richard Kiel. Der „Beißer“ führte die populäre Linie der „Bösewichter aus der zweiten Reihe“ fort, die es, mit körperlichen Besonderheiten ausgestattet, siehe Oddjob oder Tee Hee Johnson, James Bond im Zweikampf schwer machen. Der Beißer hatte Zähne aus Stahl, selbst ein Hai ist gegen ihn chancenlos. Haben die Filmemacher geahnt, wie populär Richard Kiels Figur werden würde? Als einer der ersten 007-Antagonisten blieb er am Ende verschont.
In „Moonraker“ würden Bond und Beißer sich zwei Jahre später weitere Duelle liefern. In dieser Weltraumoper verliebt der Riese sich, inmitten allerlei Laser-Duelle, gar in eine zarte junge Frau.
007 wiederum würde von da an unmöglichste Dinge auf der Leinwand erleben, eine Figur sein Larger than Life. Umso mehr sollte man deshalb den „Spion, der mich liebte“ genießen. Der Mann blieb damals noch auf dem Boden. Na ja, manchmal schwebte er schon leicht darüber.