35 Jahre „Nightclubbing“ von Grace Jones: Die Geburt des androgynen Reggae
Elektro statt Rasta: Wie Grace Jones Anfang der Achtziger die vom Macho-Kult geprägte Reggae- und Rastafari-Szenerie aufmischte
Dieser strenge Blick. Diese exotisch-außerirdische Aura. Mit dem klassischen Bild von Jamaika, von Reggae gar, mit Rasta-Zöpfen unter rot-gelb-grünen Strickmützen und fetten Joints zwischen den Zähnen hatte diese herbe Erscheinung auf dem Cover nun gar nichts mehr zu tun. Und doch steckte die im Mai 1948 im jamaikanischen Örtchen Spanish Town geborene und später im Teenie-Alter nach New York gezogene Grace Jones knietief in den Roots ihrer karibischen Heimatinsel.
Jones war bereits 33, als ihr stilprägendes Album „Nightclubbing“ in den zweiten Mai-Woche 1981 mit einer rauschenden Release-Party in Manhattan gefeiert wurde. Besonders die vorab veröffentlichte Single „Pull Up To The Bumper“ mit seinen tiefen Beats und dem Gesang dieser schwarzen Marlene Dietrich der Achtziger bollerte bereits aus jedem gelben Checker’s Cab. Dieser von Produzent Chris Blackwell, der bekanntlich auch der Besitzer von Island Records war, geprägte Sound vermischte das unterkühlte Lebensgefühl von New und No Wave mit „warmen“ karibischen Soundelementen. „Nightclubbing“ bedeutete eine Verdichtung verschiedenster Genres, ohne in einen fröhlichen Kessel Buntes auszufransen. Da passten dann selbst die Bandoneon-Einsprengsel der Astor-Piazolla-Coverversion „I´ve Seen That Face Before (Libertango)“, die tres chic auf Eighties-Feeling umgeschraubt war. Da fehlten dann nur noch die lila Neonröhren und die giftgrünen Schirmchen-Drinks. Das geniale Rhythmus-Team Sly Dunbar (Drums) und Robbie Shakespeare (Bass) tat ein übriges.
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All diese handwerklich sehr präzise ausgeführten Schmankerl wusste Mrs. Jones in ihren Hosenanzügen mit den weit ausgestellten Schulterpolstern natürlich extrem toll zu interpretieren. Gerade in der vom Macho-Kult geprägten Reggae- und Rastafari-Szenerie bedeutete dieses Gender-Spielchen (wie man heute sagen würde) einen unglaublichen Moderne-Schritt. In Deutschland wurde Grace Jones, angefeuert von frühen Bewunderern wie Alfred Biolek, vor allem als schrill-gefährliche Party-Nudel gelesen.
Dafür stehen dann Songs wie „Nightclubbing“ (vom prominenten Schreiber-Duo Bowie & Pop) und „Art Groupie“; das den von New York ausgehenden und mächtig anschwellenden Siegeszug der großen Hip-Galerien kongenial vertonte. Selbst Sting, der mit The Police ja auch immer mal wieder die Nähe zum Raggae suchte. kommt mit „Demolition Man“ zum Zug. So gesehen, fängt „Nightclubbing“ gleich zu Beginn des Jahrzehnts in neun Tracks das Lebensgefühl der Party-Generation ein.