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222 Songs – die privaten Rolling-Stone-Playlists: Wolfgang Doebeling
Die Lieblingslieder der Rolling-Stone-Autoren.
Die zehn Lieblingslieder von Wolfgang Doebeling
1950 geboren, schrieb lange für das Berliner Stadtmagazin "tip" und ist seit 1994 Autor beim ROLLING STONE. Er moderiert auf radioeins die Sendung "Roots". 2012 erschien seine Interviewsammlung "Pleased To Meet You" (Wilhelm Fink). Er lebt in Berlin.
Die zehn Lieblingslieder von Wolfgang Doebeling
1950 geboren, schrieb lange für das Berliner Stadtmagazin „tip“ und ist seit 1994 Autor beim ROLLING STONE. Er moderiert auf radioeins die Sendung „Roots“. 2012 erschien seine Interviewsammlung „Pleased To Meet You“ (Wilhelm Fink). Er lebt in Berlin.
Satisfaction – The Rolling Stones
Welterschütternd, nichts weniger als das. Ich war gerade 15 geworden, als dieser Aufruhr, diese ungeheure Ungehörigkeit erstmals an mein Ohr drang, nächtens über Mittelwelle. Es war die erste Stones-Single, die in Amerika debütierte und erst Wochen später im UK herauskam, aber ein paar Pirate Stations hatten Vorabpressungen und spielten sie rauf und runter. Die Botschaft? Ach, das Wort Konsumterror hatte noch nicht den kollektiven Wortschatz bereichert, woher sollte ich also wissen, wogegen Mick so erbost ansang? Was ich verstand, war, dass mir diese ominöse „Satisfaction“ auch mächtig abging. Stellvertretend für mich wurde Befriedigung eingefordert, jeder Spin der Single brachte etwas in mir zum Beben, von dessen Wirkmächtigkeit ich allenfalls eine blasse Ahnung hatte. Zigmal täglich drehte sich das Hormonkarussell auf dem Plattenteller, wenige Wochen nach meinem 15. Geburtstag war ich 17, daran war nicht zu zweifeln.
Copyright: Central Press/Hulton Archive/Getty Images
Heartbreak Hotel – Elvis Presley
Die Inspiration zum Song war der Abschiedsbrief eines Selbstmörders. „I walk a lonely street“, hatte der sein finales Vorhaben in Worte gekleidet, doch bog Elvis gerade noch rechtzeitig ab, checkte am Ende dieser Straße ins „Heartbreak Hotel“ ein. Eine morbide Absteige, denn „the desk clerk’s dressed in black“ und „broken-hearted lovers cry away their gloom“, doch der künftige King, eben 21 Jahre alt geworden, singt diesen todessehnsüchtigen Blues, als gäbe es tatsächlich kein Morgen. Ein Track wie kein anderer davor oder danach, atmosphärisch aufgeladen mit Echo, jeder Ton reine Rock’n’Roll-Perfektion.
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
Return Of The Grievous Angel – Gram Parsons
Nirgendwo wird der lang gehegte Traum des Visionärs von einer „Cosmic American Music“ wahrer als in diesem ersten Track seiner zweiten, posthum erschienenen Solo-LP. „Return Of The Grievous Angel“ ist ein immens pulsbeschleunigender Roadtrip durch die Twilight-Zone des mythischen Amerikas, randvoll mit Allegorien und versteckten Anspielungen. „Out with the truckers and the kickers and the cowboy angels“, jubiliert es aus den innig verschlungenen Kehlen von Gram Parsons und Emmylou Harris, in melodischer Euphorie die Pforten des Himmels aufstoßend. Der Hörer muss nur hindurchgehen.
Copyright: Ginny Winn/Michael Ochs Archives/Getty Images
Wild Horses – The Rolling Stones
Der erste Akkord, den Keith Richards 1969 bei den Aufnahmen zu „Wild Horses“ im Muscle Shoals Studio in Muscle Shoals, Alabama, anschlug, vertrieb Ian Stewart. Der treue Gefährte und Boogie-Ästhet hasste Moll-Akkorde, weshalb Memphis- Legende und Stones-Fan Jim Dickinson zu Tasten-Ehren kam, an einem schrottreifen Saloon-Piano. Durchaus passend zur Zerrissenheit der hier durchlebten Gefühlswelten zwischen Schuld und Hingabe, die von Mick völlig un- gekünstelt und ironiefrei in dieser schönsten aller Country-Balladen hörbar gemacht werden, von Keiths Harmonien zart, ja zärtlich durchbrochen.
Copyright: Robert Knight Archive/Redferns
Farmer In The City – Scott Walker
Von all den überragenden Aufnahmen des genialischen Eigenbrötlers die mir nahegehendste. Ein Passepartout zum Verständnis gibt es indes nicht, jeder wird seinen eigenen Schlüssel brauchen. Wobei es geraten scheint, den Zusatz in Parenthesis, „Remembering Pasolini“, erstmal zu ignorieren und sich ganz dem dunklen Zauber der Musik hinzugeben, den sinister flirrenden Streichern, der wie eingepferchten und gleichwohl auratischen Stimme des Erzählers. Die Worte gewähren zwar nach und nach Zugang zu ihren Mysterien, eine Deutungshoheit maßt sich nicht einmal der Künstler an.
Copyright: Ron Howard/Redferns
Kathleen – Townes Van Zandt
„It’s plain to see, the sun won’t shine today/ But I ain’t in the mood for sunshine anyway/ Maybe I’ll go insane, I got to stop the pain/ Or maybe I’ll go down to see Kathleen“: Townes Van Zandt war unerreicht in der Kunst, den Hörer in seine Songs hineinzuziehen, ihn in Bann zu schlagen. Und auch wenn die Tindersticks-Version von „Kathleen“ von stupender Überzeugungskraft ist, so bleibt doch Townes‘ Fassung die Bewegendste.
Copyright: Harry Scott/Redferns
Gimme Shelter – The Rolling Stones
Kein großer Song, die Glimmer Twins haben Dutzende substanziellere geschrieben, aber was für ein Track! Ein apokalyptisch unheilvoller Sound aus verdichtet vibrierender Gitarren-Phalanx, unterlegt mit Piano-Donnern und Drums-Drama, darüber Jaggers verzweifelt aufheulende Harmonica und seine beschwörende Litanei allgegenwärtiger Bedrohungen: „Rape, murder, it’s just a shot away.“ Gewalt klang nie gewaltiger.
Copyright: Getty Images
Virginia Plain -Roxy Music
Eine Aufnahme so aufgepumpt mit Adrenalin, so überdreht stilwütig, dass einem jedesmal der Atem wegbleibt, noch gut 40 Jahre danach. John Peel verglich die Wirkung der Single in der Review für „Disc“ seinerzeit mit dem terror of the Rue Morgue, so überwältigte ihn diese Raserei aus Synth-Plasma, einem improvisierten Gitarren-Solo und Ferrys herrlich dekadentem Chic: „Baby Jane’s in Acapulco, we are flying down to Rio.“
Copyright: Getty Images
Don’t Worry Baby – The Beach Boys
Oftmals am Tag legte Brian Wil- son „Be My Baby“ von den Ronettes auf, für den Spector-Fan war dies der Zenith musikalischen Schaffens schlechthin, und mit „Don’t Worry Baby“ versuchte er „to recreate that magic“. Was ihm eindrucksvoll gelang, mehr noch: Er kreierte die feinsten drei Minuten in der Historie der Beach Boys, „Good Vibrations“ hin oder her, und ganz nebenbei die beste Flipside aller Zeiten. Don’t worry indeed.
Copyright: CA/Redferns
Call Me Mr. Lee – Television
Die einschüchternd kühne Twin-Guitars-Architektur ihres monolithischen Meisterwerks „Marquee Moon“ variierend, entwarf das New Yorker Quartett fünfzehn Jahre später noch steilere Strukturen, besonders verwegen auf „Call Mr. Lee“: der Text mysteriös, Verlaines Vocals voller nervöser Energie, die quecksilbrigen Gitarrenläufe von gewohnter Brillanz, indes nun mit einem Ton ausgestattet, der keine Wünsche mehr offenlässt.
Copyright: Michael Putland/Getty Images
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