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222 Songs: die private Playlist von Sebastian Zabel
Dies sind die zehn All-Time-Faves von Sebastian Zabel - mit dabei: John Cale, O.V. Wright und Richard Hell
Die zehn Lieblingslieder von Chefredakteur Sebastian Zabel
1964 geboren, von 1987 bis 1993 Autor und Redakteur bei „Spex“, arbeitete danach bei verschiedenen Tageszeitungen, zuletzt in der Chefredaktion der „Berliner Morgenpost“. Seit 2012 ist er Chefredakteur des ROLLING STONE. Er lebt in Berlin.
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Rolling Stone.
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Die zehn Lieblingslieder von Chefredakteur Sebastian Zabel
1964 geboren, von 1987 bis 1993 Autor und Redakteur bei „Spex“, arbeitete danach bei verschiedenen Tageszeitungen, zuletzt in der Chefredaktion der „Berliner Morgenpost“. Seit 2012 ist er Chefredakteur des ROLLING STONE. Er lebt in Berlin.
Copyright: Rolling Stone
Don’t Want To Know If You Are Lonely – Hüsker Dü
Grant Harts verzweifeltes „Don’t Want To Know If You Are Lonely“ bringt die Agonie nach einer gescheiterten Liebe mit viel Weißem Rauschen auf den Punkt: Nähe ist unmöglich, Distanz nicht auszuhalten.
(Text: Andreas Borcholte)
Copyright: Lisa Haun/Michael Ochs Archives/Getty Images
You Know More Than I Know – John Cale
Ein Liebeslied, das mit „But us“ anfängt und mit „like other angry whores“ weitergeht, ist ungewöhnlich. Aber es geht ja auch um ein ungewöhnliches Paar, eines, das sagt: „aber wir.“ Und was macht das seltsame Liebespaar, von dem John Cale singt? Es diskutiert. Und liest Zeitung im Bett. Und er weiß: Sie weiß mehr als ich. Deshalb liebt er sie. Und Liebe heißt für ihn: Erlösung von Schuld und Gier. All das erzählt John Cale in einer sanft um das Mantra „you know more than I know“ kreiselnden, balladesken Melodie, mit seiner sonoren walisischen Stimme, die bei „but it’s the only way for me“ fast zu brechen droht. Herrlich. Bewegend. Bewegend vor allem in seinem intellektuellen Ringen um so etwas wie Wahrheit.
Copyright: Mick Gold/Redferns
That’s The Way I Feel About Cha – O.V. Wright
Er hatte Karriere, Drogenabsturz und Knast hinter sich, als der Sänger aus Tennessee 1977 diese seelenvolle Beschwörung aufnahm, einen sechs Jahre alten Bobby-Womack-Song, der in seiner leicht resignativen, warmen, aufgerauten Southern-Soul-Version nicht nur dem Original sondern auch der Version von Aretha Franklin überlegen ist. Natürlich scheitert O. V. Wright wie Millionen andere an der Definition von Liebe: „That’s the way I feel about cha“, singt er, kann es aber kaum fassen. „I could write a book about it“, singt er, aber von wegen! Mehr als „Wouhhuhu“ und „yeahah“ bringt er nicht heraus, um zu beschreiben, wie er für sie fühlt. Es ist die Art, wie ihm „THAT’S the way I feeeeel about cha“ aus der Brust fährt, die alles erklärt. Einfache Worte für etwas, für das kaum einer je die richtigen Worte findet.
Copyright: MichaelOchsArchives
Hey Hey, My My – Neil Young & Crazy Horse
Ein Statement, ein Akt der Selbstbehauptung und -vergewisserung. „Hey Hey, My My/ Rock’ n’Roll will never die.“ Als Neil Young den Song schrieb und 1977 mit der New-Wave-Band Devo einspielte, war Punk gerade passiert, und der Songwriter fühlte sich alt. Veröffentlicht wurde dann zwei Jahre später die Version mit Crazy Horse. Youngs Sätze sind explosiv und müde zugleich: „They give you this/ But you pay for that“, und natürlich „It’s better to burn out than to fade away“, der vielzitierte Slogan, den John Lennon hasste und Kurt Cobain in seinen Abschiedsbrief kritzelte. Youngs Gitarre wimmert und wütet dazu wie ein wunder Bulle, das Holzfäller-Riff kracht gnadenlos. Schwer zu sagen, ob Nachgeborene die Kraft und Autorität des Songs in dieser Intensität spüren. Ich bekomme noch heute Gänsehaut.
Copyright: jw
Blank Generation – Richard Hell And The Voidoids
Was den frühen New Yorker Punk von dem Londoner unterschied? In London, ‘tschuldigung, schufen sie Werbetextchen, in New York Poesie. Wie unangenehm muss Richard Hell, der amerikanische Geheimingenieur des Punk, berührt gewesen sein, als er den britischen Slogan „No Future“ hörte. Sein Song „Blank Generation“ ist das wahre Manifest des 76er-Nihilismus, eine Hymne auf die Freiheit, nichts und niemandem verpflichtet zu sein – außer, natürlich, den Urpunks Baudelaire und Rimbaud.
(Text: Christian Buss)
Copyright: Roberta Bayley/Redferns
I Remember That – Prefab Sprout
Prefab Sprout waren die perfekte Popband der 80er-Jahre, und dieses ist ihr klügster Song. Gleich im ersten Satz umarmt er das Leben und rollt den Teppich aus für die Erinnerung: „Nothing sounds as good as ‚I remember that‘.“ Standbass, Keyboards, ein Streicher-Hauch, ein paar Bläser zum Finale, schönster Harmoniegesang, ein Wogen und Schwelgen – Eleganz ist ein zu grobes Wort, um dieses Meisterwerk an Präzision und Emotion zu fassen. „And there’s nothing pathetic listing clothes she’d wear/ If it proves that I had you, if it proves I was there.“ Klug deshalb, weil „I Remember That“ mit wenigen Schlüsselworten und subtilem, tränenziehendem Arrangement klärt, was uns am Ende bleibt: Erinnerung.
Copyright: Tim Hall/Redferns
Tired Of Being Alone – Al Green
Al Greens erster Nr.-1-Hit, Frucht seiner Zusammenarbeit mit Will Mitchell, dem stilprägenden Soul-Produzenten. Und ein ergreifendes Liebeslied. Lässig kommt es daher, im federnden Südstaaten-Beat mit synkopierten Bläsern und einer Stimme, die rau, süß und sehnsuchtsvoll zugleich klingt, wenn sie davon singt, dass es hier einer einfach satt hat, alleine zu sein. Es geht nicht um eine bestimmte Frau, es ist kein verliebter Mann, der sein unwiderstehliches, werbendes „Uhh, baby“ in den Song wirft, es ist einer, der mit den Frauen und dem Alleinsein hadert, der will, dass das aufhört. Jetzt sofort, bitte. Der Text ist schlicht und Al Green kein Marvin Gaye. Aber einer, dessen Phrasierungen direkt aus der Seele kommen, so nah und gefühlvoll, dass man weinen möchte.
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
Street Waves – Pere Ubu
Irgendwann 1975 begann in Cleveland, Ohio, eine neue Zeitrechnung. Die Musik der eben gegründeten Band um Sänger David Thomas hatte ihre Vorbilder weit hinter sich gelassen. Stooges? Velvet Underground? Hawkwind? Spurenelemente vielleicht. Aber das hier war neu. Pere Ubus Debüt-Single „30 Seconds Over Tokyo“ wurde vom Magazine „Wire“ in die Liste der 100 Songs aufgenommen, die die Welt in Brand setzten (die aber kaum jemand gehört hat). Und „Street Waves“, ihre dritte Single, war ein Drei-Minuten-Sturm, wie es noch keinen gegeben hatte. Der Beginn der New Wave.
Copyright: Michael Ochs Archives/Getty Images
„I see electricity jump and spark/ I see electricity uh real and stark“, singt Thomas, ruft es gegen den Sturm. „I ride a street wave right by her side/ And I can hear the city city comin’ round/ The things I say hit the air and seem to fall apart.“ Es ist ein heißer Wind aus der Zukunft, der uns da ins Gesicht bläst, frisch und aufregend und neu wie vor 37 Jahren. Die Bilder einer verfallenden Industrielandschaft drängen sich auf, einer sowohl bedrohten wie bedrohlichen Urbanität. Es gab noch keine Laptops, wohl aber Maschinen und den Wunsch, sie zu beherrschen, statt von ihnen beherrscht zu werden. Die Welle, die Pere Ubu reiten, braut sich in den Straßenschluchten zusammen, sie ist eine Naturgewalt des Industriezeitalters, und lustvoll schaudernd springen die jungen Surfer auf.
Copyright: Alastair Indge/Photoshot/Getty Images
Elektrizität! Funken! Großstadtnoise! Thomas selbst beschrieb seine seltsamen, bildhaften Lyrics als „abstrakt“, die Musik hingegen als „konkret“. Für viele Hörer war wohl beides seinerzeit eher verstörend. Als Pere Ubu 1978 mit ihrem epochalen Debüt-Album „The Modern Dance“ im Gepäck durch Großbritannien tourten, sollen zumindest Joy Division von der sich jeder Kategorisierung entziehenden und vom britischen Punkrock weit entfernten Band tief beeindruckt gewesen sein. Für konventionellen Punkrock hatte David Thomas aber sowieso nur Spott übrig. Zum Blueprint taugten Pere Ubu nie, dafür waren sie zu eigen. Und „Street Waves“ ein Funkenflug, den nur wenige wirklich wahrnahmen damals. Der Flächenbrand, der folgte, fand ohne sie statt.
Copyright: Chris Mills / Redferns Agency: Redferns
No Government – Nicolette
Der Song dauert 2:02 Minuten. In dieser Zeitspanne skizziert Nicolette klar, schön und naiv eine anarchistische Gesellschaft: „No government is an easy time/ No government is an exciting life/ We’d work for ourselves/ And we’d love for ourselves / And for no government.“ Der schwere Beat rollt langsam und erhaben, der Besen kreist über das Becken, Nicolette, die an Chansons und Billie Holiday geschulte Sängerin aus Glasgow, intoniert verführerisch und distanziert zugleich, wie durch ein Grammophon. Kaum zu glauben, dass diese deepen, unfassbar schönen zwei Minuten von der nervösen, aufgespeedeten Shut-Up-And-Dance-Crew geschaffen wurden. Ein Juwel der frühesten Drum’n’Bass-Phase, ein Moment großer Freiheit.
Hundreds Of Sparrows Sparklehorse – Mark Linkous
Eine einfache Melodie, wie von einer Spieluhr. Eine Stimme, die sich sanft hochschaukelt und auf dem Gefühl gleitet, das sie erzeugt: melancholisches Glück. Bis heute habe ich keine Ahnung, wovon Mark Linkous eigentlich singt, aber wie er das tut, berührt zutiefst. Die Müdigkeit in „Looking for a good place to rest/ Your head upon my chest“, dieses schicksalsergebene Schulterzucken, dieses Flämmchen Hoffnung, das da schwächlich vor sich hin flackert, das alles bewegt sich herzzerreißend auf einer dünnen Linie zwischen Glückseligkeit und Verzweiflung. Mark Linkous war depressiv; 2010 erschoss er sich. Der Song überdauert alles.
Copyright: Edd Westmacott/Photoshot/Getty Images
Die zehn Lieblingslieder von Arne Willander
1970 geboren, seit 1994 Redakteur beim ROLLING STONE. Schrieb und schreibt auch für „Rock World“, „Welt am Sonntag“, „B.Z.“, „Berliner Morgenpost“, „Rookie“ und „Cicero“. Er lebt in Berlin.
Copyright: privat
Die zehn Lieblingslieder von Birgit Fuss
1972 geboren, ist seit 2000 Redakteurin beim ROLLING STONE, mit dem sie von Hamburg über München nach Berlin gezogen ist. Vorher schrieb sie vor allem für die „Hamburger Morgenpost“ (und eine Magisterarbeit über R.E.M.).
U2: „Wir dachten die Tour wäre schon am ersten Tag vorbei“
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Copyright: Ron Galella, Ltd./WireImage
Die zehn Lieblingslieder von Wolfgang Doebeling
1950 geboren, schrieb lange für das Berliner Stadtmagazin „tip“ und ist seit 1994 Autor beim ROLLING STONE. Er moderiert auf radioeins die Sendung „Roots“. 2012 erschien seine Interviewsammlung „Pleased To Meet You“ (Wilhelm Fink). Er lebt in Berlin.
Die zehn Lieblingslieder von Maik Brüggemeyer
1976 geboren, arbeitet seit 2001 als Redakteur für den ROLLING STONE und schreibt über Musik, Literatur und Film. Sein erster Roman, „Das Da-Da-Da-Sein“, erschien 2011 im Aufbau Verlag. Er lebt in Berlin.
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