1992 hob er Mp3 mit aus der Taufe, nun aber warnt Leonardo Chiariglione vor den Folgen
Kann dieser Mann das Musikbusiness retten? Als die Plattenbosse im Dezember ’98 eine Gruppe namens „Secure Digital Music Initiative“ ins Leben riefen, begrüßten das die MP3-Partisanen mit höhnischem Gelächter SDMI – gegründet, um einen Standard für kopiergeschützte digitale Musik-Files zu entwickeln – galt Skeptikern als hoffnungslos verspätete Reaktion auf das populäre (und gegen Raubkopierer schutzlose) MP3-Format. Dann jedoch, im Februar, setzte man Leonardo Chiariglione an die Spitze der SDMI und die Spötter wurden leiser. Ein respektierter Mann in Fachkreisen, kennt man Chiariglione am besten als Chef der „Moving Picture Experts Group“, die den MPEG 1. Layer 3 Audiostandard entwickelt hat – kurz: MP3. Nun wirkt das Ziel, bis Weihnachten ’99 SDMI-genehmigte Geräte in den Läden zu haben, plötzlich doch nicht mehr so illusorisch.
Sie haben MP3 auf den Markt gebracht. Wieso wollen Sie – und die Musikindustrie – es jetzt ersetzen?
Wir haben MP3 1992 rausgebracht, als nur wenige Leute überhaupt von der Existenz des Internet wußten – und als PCs mit der heutigen Pentium-Power noch in weiter Ferne lagen. Das heißt, wir haben zwei Probleme. Erstens gibt es inzwischen ein allgegenwärtiges Netzwerk, das rund um die Welt zig Millionen Menschen verknüpft. Zweitens haben die PCs im Lauf der letzten Jahre eine Rechenleistung entwickelt, mit der die Realtime-Dekodierung von MP3-Files möglich ist. Auf diesen beiden Faktoren beruht der Erfolg von MP 3. Weil sich die Leute jetzt sagen: „Klasse – ich nehm mir Musik von einer CD, pack sie in den Rechner, komprimier sie und schick sie meinen Freunden.“ All das gehörte nicht zu den ursprünglichen Entwicklungsparametern von MP3.
Was fehlt, ist also ein eingebauter Schutz gegen unbegrenztes Kopieren von geistigem Eigentum?
Ja. Was SDMI nun entwirft, ist ein System, mit dem man die Musik – jawohl kaufen muß. Man kauft sie als Datei, die entweder auf CD gespeichert ist oder von einer Website runtergeladen wird. Diese Datei kann von einem Player zu einem anderen transferiert werden. Nur: Sobald man eine Kopie anfertigt, setzt man das Original außer Kraft.
In welche Art von Produkten wird dieses System eingebaut?
Bis Weihnachten wird es portable Geräte geben, mit denen man Dateien downloaden, sie in die Tasche stecken und mobil konsumieren kann. Langfristig sollen Konsumenten digitale Musik via Kabel oder Satellit beziehen können.
Vorausgesetzt natürlich, sie entscheiden sich gegen MP3 und für SDMI. Was spricht denn dafür?
Der Konsument will auf einen Knopfdrücken und Musik hören, d.h. der einfache Gebrauch wird der wichtigste Gestaltungsfaktor für SDMI sein. Wenn der Gebrauch simpel ist, wenn die Leute zu einem fairen Preis völlig frei die Musik ordern können, die sie wollen, dann werden sie sich für SDMI entscheiden.