NICK LOWE – Subtiler Crooner
1979 landete NICK LOWE bei Rockpile, denen „Sex & Drugs & Rock'n'Roll'' Gesetz war. Heute ist er weise und weißhaarig; und hat den subtilen Crooner in sich entdeckt.
Ich hatte meine Momente als Popstar, so drei, vier Hits lang. Wir haben das damals nicht groß gefeiert, da gab’s kein Juhu, nun haben wir’s geschafft, das muß begossen werden!‘ Gesoffen haben wir ja sowieso permanent und gefeiert auch. Aber als es vorbei war, als wir nicht mehr angesagt waren, da dacht ich: JMoment mal, war das etwa alles? Es könnte doch ruhig noch ein paar Jährchen so weitergehen.‘ Heute seh ich das anders: Einfach nur lang genug durchhalten, unbeirrt sein Ding durchziehen. Ist doch auch eine Haltung, oder?“
Irgendwie ging’s immer weiter mit Nick Lowe. Der Unterschied zu damals, zu den glorreichen Siebzigern, ist nur der, daß sich der sendmentale Charmeur heute ein paar Gedanken mehr über das macht, was er so tut, über seinen Beruf und über seine Gabe, durchaus brillante Songs zu schreiben – wenn er mal will. „Ich habe keine Ahnung, wie das eigentlich funktioniert, dieses Songschreiben.
Für mein neues Album („Dig My Mood“) und auch für den Vorgänger („Impossible Bird“) habe ich den ehemaligen Ballsaal im Gemeindehaus von Twickenham gemietet Eine super Akustik, die großen technischen Aufwand überflüssig macht Da habe ich meine Songs immer wieder gesungen, allein, bis ich fast in Trance geriet. Dann erst kamen die Musiker. Keine gelangweilten Studiocracks, sondern Leute mit jeeling und Spaß an der Sache: Drummer Robert Treherne, Gitarrist Steve Donnelly, der sparsam wie kein zweiter spielt, und Keyboarder Geraint Watkins. Die haben mich wirklich begleitet und kamen oft mit überraschenden Ideen an. Es ist ein blödes Klischee, daß die Musik unsichtund unhörbar um uns rumschwebt, und man sie nur zum Klingen bringen muß. Aber wie viele andere Klischees wird auch dies in den kleinen magischen Momenten waht“ Sein „Damals“ und die berühmten 15 Minuten bezieht Lowe natürlich auf seine Zeit mit den legendären Rockpile und Twang-Meister Dave Edmunds. „Dave und ich haben uns auseinandergelebt.“ Begonnen hatten Nicks wilde Jahre ab Bassist und Sänger von Kippington Lodge (1967) und Brinsley Schwarz (1970). „Brinsley treffe ich oft, wir sind nach wie vor befreundet“ Nicht zu vergessen natürlich Nicks Zeit als Hausproduzent von Stiff, jenem aufmüpfigen Label, das von Dave Robinson und Jake Riviera gegründet wurde, um es der großen Industrie mal so richtig zu zeigen. Riviera ist bis heute Lowes Manager. „Wir sind wie das alte, grantige Ehepaar, das sich trotz all der Jahre immer wieder zusammengerauft hat“ Als Herr des Stiff-Studios bescherte Lowe der Menschheit epochale LPs von Graham Parker, The Damned, Wreckless Eric, Elvis Costello sowie die erste Pretenders-Single „Stop Your Sobbing“. „Ich sehe Chrissie Hynde fast jedes Mal, wenn sie wieder in London ist. Was für’ne coole Braut“
Hip zu sein, nie für die Kameras zu grienen, trotz aller Aufmüpfigkeit Erfolg zu haben, hauptsächlich aber nonstop Party zu feiern und sich ab Krönung den Titel eines „Jesus Of Cool“ umhängen zu dürfen – das waren jene guten, alten Zeiten Lowes.
„Wir wollten allen immer eine Nasenlänge voraus sein, und wir kannten natürlich alles, was die anderen so veröffentlichten, egal, ob Tom Jones oder Dusty Springfield. Heute aber ist die Musikszene so irrsinnig vielschichtig, so in Schubladen unterteilt, da blickt keiner mehr durch, was gerade in welcher Szene angesagt ist Natürlich kenne ich Prodigy, aber einer aus der Gub-Szene würde mir wahrscheinlich sagen: „Alter, die sind Schnee von gestern.“
Die 80er Jahre begannen für Nick Lowe eigentlich recht vielversprechend. Er war glücklich mit Carlene Carter verheiratet, einer Stieftochter von Johnny Cash, die in London an der Seite von Paul Jones und Kiki Dee im Musical „Pump Boys dC Dinettes“ auftrat Doch die Ehe ging schief – Nick neigte mehr und mehr zum Trunke. Und sein Trip nach L. A. zu Aufnahmen mit Ry Cooder und David Lindley bescherte der Nachwelt zwar musikalisch beachtliche Resultate, endete aber mit gefahrlichen Exkursionen ins Land böser Drogen.
„Die 80er Jahre waren eher eine Katastrophe für mich. Ich mußte mich regelrecht neu erfinden, menschlich wie musikalisch. Ich hatte bis dahin ja nur die heile Kumpelwelt der Bands erlebt. Kam mal kurz Trübsinn auf, dann nichts wie ran an die Bar. Wenn wir spielten, war es scheißegal, ob wir grade breit oder grade angeknallt waren, das Publikum war es ja auch. Also Fuß aufs Gas, alles gut laut und schön schnell, Hauptsache Spaß, jedoch plötzlich war ich völlig auf mich allein gestellt, als die „Party Of One“ (Lowes LP-Reminiszenz jener wilden Zeiten), ein komisches Gefühl.
Doch die Vorstellung, diesen ganzen Irrsinn in einem Anfall von Nostalgie mal zu wiederholen, finde ichheute gruseliger denn je. Inzwischen vermisse ich diese Band-Kameraderie nicht die Spur. Und zu den Gigs würde ich mich heute liebend gern gleich auf die Bühne beamen lassen.“
Nick Lowe singt nach 30 Berufsjahren auf seinem zehnten Solo-Album über die Schattenseiten des Lebens und der Liebe in solch gelassener und selbstironischer Weise, daß einem vor lauter Mitgefühl richtig warm ums Herz wird. Seine Stimme klingt tiefer, weicher und inniger ab je zuvor, wenn er brummig raunt: „I might as well face it, I’m the losing kind“ („High On A Hilltop“) oder „Love’s A Hurting Thing“.
„Nun ja, ich gehe auf die 50 zu, und wer Ende 40 ist und keine seelischen Blessuren abbekommen hat, der muß sich bis dahin im Refugium irgendeines schrägen Vereins verkrochen haben. Wer hemmungslos lebt und liebt, der leidet nun mal Gelegentlich kann dies Wühlen im eigenen Schmerz ja Wunder bewirken. Bei mir gab’s in puncto Liebe stets Probleme. Bis vor einem Jahr war ich mit einer wunderbaren Frau zusammen und war hoffnungslos verliebt Ich war so verknallt, daß ich nicht ein Wort, nicht eine Note aufs Blatt brachte. Das konnte nicht gutgehen. Nun ja, dafür schreibe ich heute halt bessere Songs. Klingt zwar wie ein Deal der Sorte ‚Tausche Liebe gegen Lieder‘, stimmt aber absolut.“
Nick Lowes Hommage an Johnny Cash, zu dem er noch heute engen Kontakt hält, ist in „The Man That I’ve Become“, einem seiner neuen Songs, nicht zu überhören. „Ich finde es recht amüsant, mich auch mal von der Seite zu präsentieren. Nun, da auch ich alt und weißhaarig geworden bin, halte ich mich für viel, viel glaubwürdiger.“
Der erzcoole Gentleman verbittet sich jedoch energisch alle Parallelen-Deutung zwischen Autobiographie und seinen Songs. „Ich verstecke mich eher in meinen Liedern. Ich tu immer so, als wären es Cover-Versionen. Bei wirklichen Cover-Versionen aber tue ich so, als seien es Titel von mir.“
Easy und funny ist das, was er innig und würdevoll singt, aber nicht „Es erfordert eiserne Konzentration, alles mühelos klingen zu lassen“, sagt er, um zwinkernd zu gestehen: „Mein Vorbild war Lonnie Donegan.“