1977: Nile Rodgers und Giorgio Moroder verändern mit Disco die Welt
Sie befreiten den Beat aus der Minderheiten-Nische und machten ihn massentauglich
Silvester 1977: Disco vor der Tür – Nile Rodgers schreibt Chics „Le Freak“
Am Silvesterabend 1977 warten Nile Rodgers und Bernard Edwards darauf, in New Yorks Disco-Tempel „Studio 54“ eingelassen zu werden, wo Mode-Ikonen wie Calvin Klein und Halston mit Rod Stewart, Mick Jagger und Andy Warhol das Tanzbein schwingen. Doch obwohl drinnen Chics Hit „Dance, Dance, Dance (Yowsah, Yowsah, Yowsah)“ läuft, kennt der Türsteher keine Gnade. 30 Minuten später hat Rodgers darüber einen Song geschrieben. Der Refrain lautet: „Aww, fuck off!“ „Ich war früher bei den Black Panthers“, erklärt Rodgers, „aber Bernard war gläubiger Christ.“ Also wurde „fuck off!“ in „freak out!“ geändert. Als „Le Freak“ 1978 an die Spitze der Charts kletterte, kam Rodgers jeden Abend problemlos ins „Studio 54“. Disco entstand in den frühen 70er Jahren in New Yorks Schwulen-Clubs. Dort mussten DJs für Tanzmusik sorgen, weil Live-Bands für dieses Publikum nicht spielen wollten …
Doch dann befreiten der europäische Produzent Giorgio Moroder und seine Kollegen den Beat aus der Minderheiten-Nische und machten ihn massentauglich, indem sie Pop-Melodien, Rock-Aggressionen und Funkrhythmen mischten. Moroder produzierte 1975 Donna Summers Hit „Love To Love You Baby“. Den orgastischen Gesang nahm sie angeblich bäuchlings und mit rhythmischem Hüftkreisen auf dem Studioboden auf.
Was Summer so nicht stehen lassen will: „Ich lag auf dem Rücken. Ich konnte so was nicht singen mit vier Typen im Blickfeld, also legte ich mich auf den Boden. Wir hängten Vorhänge auf und drehten das Licht runter.“ Summer lieferte Disco seine größten Hits, aber die beste Band war definitiv Chic. Nicht zuletzt wegen „Good Times“, in dem Edwards die berühmteste Bassline der Geschichte spielt …Und das kam so: Weil Edwards zu einem Studiotermin zu spät kam, spielte Rodgers seinem Schlagzeuger Tony Thompson und dessen Freund, dem Queen-Bassisten John Deacon, das Stück auf der Gitarre vor. Irgendwann kam Edwards reingehuscht und stöpselte ohne Entschuldigung seinen Bass ein. Rodgers, ein bisschen angesäuert, wünschte sich – „Walk! Walk, motherfucker!“ – einen walking bass: Edwards tat wie geheißen und Tontechniker Bob Clearmountain erhielt die Anweisung: „Dreh hoch auf rot!“
Clearmountain reagierte schnell, drückte den Aufnahmeknopf und fing die Bassline ein, die von Hip-Hop („Rapper’s Delight“, Sugarhill Gang) bis Rock („Another One Bites The Dust“, Queen) überall kopiert wurde. Für Rodgers ein Musterbeispiel für Effizienz: „Nach dem ersten Take war das Ding gelaufen.“