17. Ticket To Ride
Autor: Lennon/McCartney | Aufgenommen: 15. Februar 1965 | Veröffentlicht: 25. April 1965
5 Wochen; Nr. 2
Lennon behauptete einmal, dass „ticket To Ride“ – der erste Track, der für „Help!“ aufgenommen wurde – „eine der frühesten Heavy Metal-Aufnahmen“ gewesen sei. „Es war ein etwas anderer Sound, weil er für die damalige Zeit verdammt heavy war“, sagte Lennon 1970 dem ROLLING STONE. „Wenn man sich die Charts der damaligen Zeit anschaut – und dann, Ticket To Ride‘ nochmal hört, dann ist die Nummer eigentlich gar nicht so übel. Es passiert etwas, es ist heavy, die Drums sind heavy – und genau deswegen mag ich sie.“
Nachdem er auf „A Hard Day’s Night“ und „Beatles For Sale“ vorwiegend Akustik-Gitarre gespielt hatte, packte Lennon für „Ticket To Ride“ wieder seine E-Gitarre aus. Eine glockenartige Melodie liefert zu Beginn einen psychedelischen Schnörkel, doch dann grooven sich die knirschenden Gitarren über Ringos unbeirrbaren Beat ein. Der Sound dürfte von Bands wie den Stones, Kinks und The Who beeinflusst sein, die zu diesem Zeitpunkt in England geradezu explodierten, und doch waren die Beatles der Konkurrenz noch immer einen Schritt voraus.
„Ticket To Ride“ war die erste Beatles-Aufnahme, die die magische Drei-Minuten-Grenze durchbrach, und Lennon nutzte die Zeit für ein Wechselbad der Gefühle. Die Lyrics und sein Gesang schwanken zwischen Unsicherheit und Verzweiflung, und in der Bridge schleudert er seine ganze aufgestaute Empörung heraus: „She oughta think right/ She oughta do right by me“. Eine andere Überrasch-ung gibt es am Ende, wo sowohl Melodie als auch Rhythmus komplett kippen, während Lennon dazu mehrfach die Zeile „My baby don’t care“ singt. „Ich glaube fast“, so McCartney, „dass wir als Erste diese Idee hatten, zum Ende eines Songs noch einmal eine ganz neue Melodie einzuführen. Damals war das geradezu radikal.“
Für die Beatles war der Prozess der Plattenaufnahme in-zwischen eine zusätzliche Herausforderung geworden. Es ging nicht mehr darum, einen Song auf Vinyl festzuhalten, sondern die moderne Studiotechnik optimal auszunutzen. Statt einen Song live aufzunehmen, den besten Take auszuwählen und noch einige Overdubs drüberzulegen, begann man nun mit einem Rhythmus-Track, auf dessen Basis die Arrangements entwickelt wurden. Angesichts dieser aufwändigen Methode ist es ein Wunder, dass „Ticket To Ride“ in gerade mal drei Stunden im Kasten war. Die Aufnahme sollte so etwas wie ihre Vi-sitenkarte werden: Der Titel ihres letzten „BBC Radio Special“ wurde kurzfristig geändert in: „The Beatles (Invite You To A Ticket To Ride)“.
Lennon sollte Zeit seines Lebens behaupten, dass McCartneys Beitrag zu diesem Song minimal gewesen sei, während McCartney überzeugt ist, dass sie bei einer dreistündigen Session in Lennons Villa „den Song gemeinsam schrieben“. Die Unstimmigkeit mag auch erklären, warum es so viele Interpretationen zur Bedeutung des Songtitels gibt: Eine offensichtliche Erklärung besagt, dass es sich um ein Zug-Ticket handelt. (Als die Beatles im November ’65 einen Promo-Clip zum Song filmten, konnte man im Hinter grund überdimensionale Fahrscheine sehen.) Der englische Journalist Don Short, der mit den Beatles auf Tour war, behauptet allerdings, dass der Ausdruck aus ihrer Zeit auf St. Pauli stamme und nichts anderes als „Bock-Schein“ bedeute: „Die Prostituierten in Hamburg mussten sich regelmäßig von der Gesundheitsbehörde bescheinigen lassen, dass sie keine Geschlechtskrankheiten hatten – und bekamen dann diesen Schein. John bestätigte mir, dass er dafür den Ausdruck, ticket to ride‘ erfunden habe.“
McCartney wiederum hatte eine unschuldigere Erklärung: Es sei nur eine Anspielung auf das Städtchen Ryde auf der Isle of Wight gewesen. Und noch eine andere Möglichkeit: Am Tag der Aufnahme von „Ticket To Ride“ bestand Lennon seine Führerscheinprüfung.
Auf dem Album: „Help!“