13 Beobachtungen, die „A Summer’s Tale“ zu einem wahren Märchen machen
Bei der dritten Auflage des „Summer’s Tale“-Festivals in Luhmühlen zeigte sich die Lüneburger Heide von ihrer besten Seite: Vier Tage lang konnten sich die Besucher musikalisch, kulinarisch und soziokulturell unterhalten lassen. Was macht dieses Festival zu etwas Besonderem?
Eine knappe Autostunde von Hamburg entfernt, mitten in der Lüneburger Heide in Luhmühlen, ist die Welt noch in Ordnung. Zumindest für vier Tage im Jahr. Das „Summer’s Tale“ hat sich inzwischen etabliert und bot 2017 eine perfekte Mischung aus Konzerten, sportlichen, kulturellen und sozialen Aktivitäten – ein Rock-Familien-Urlaub. 13 Beobachtungen.
- Das „Summer’s Tale“ ist die perfekte Veranstaltung für alle, die nicht mehr zu den etablierten Rockfestivals tingeln wollen oder können – die meisten Besucher haben eine Familie, einen festen Job und die wilden Zeiten hinter sich. Es wimmelt von hübschen jungen Müttern und Vätern mit ein bis zwei Kindern. Besser mit der gesamten Family ins Komfortcamp auf dem Festival – auch hier gibt es ein reichhaltiges Frühstücksbuffet – als sich auf Malle um den besten Platz am Pool zu prügeln!
- Deshalb ist es in Luhmühlen auch nicht peinlich, wenn sich Mittvierziger mit Turnbeuteln auf dem Rücken und Glitzer im Gesicht fragen: „Was hat dich bloß so ruiniert?“ (Die Sterne) – auch wenn sie im echten Leben alles andere als zerstört und vermutlich Lehrer, Sachbearbeiter oder Bankangestellte sind.
- Das Rockurlaub-Publikum gönnt sich zwar auch ein Bierchen oder Weinchen, doch weiß es inzwischen sehr gut, wo seine Grenzen liegen. Nach Alkoholleichen muss man beim „Summer’s Tale“ suchen wie nach der Nadel im Heuhaufen. Kein kollektives Koma. Ab und an werden Sanis aber auch hier gebraucht – wenn sich ein Kind beim Toben eine kleine Schürfwunde zugezogen hat, zum Beispiel.
- Manchmal nieselt es. Doch selbst bei monsumartigen Regenfällen würden die Festivalbesucher hier lieber mit Gummistiefeln und Poncho auf ihren Picknickdecken den Lesungen lauschen, als sich eine Schlammschlacht zu liefern.
- Beim „Summer’s Tale“ stehen Entspannung, Entschleunigung und Achtsamkeit im Vordergrund. Eskalation oder ein verdrecktes und vermülltes Veranstaltungs-oder Campinggelände sucht man hier vergeblich; sogar die Mülleimer sind Kunst und sehen aus wie rosafarbene Wolken-Muffins. Das erspart uns zwar Bilder postapokalyptischer Zerstörung, lässt aber leider auch manchmal die Party vermissen.
- Bands wie Johnossi, Franz Ferdinand und die Pixies bringen etwas Bewegung in die Masse. Diese Bands tun dem Festival gut. Manchmal muss man einfach nur abgehen.
- Alle sind nur wegen der Pixies gekommen.
- Doch PJ Harvey ist diejenige, die verzaubert. Mit einem grandiosen Auftritt schreibt sie das wahre Märchen beim „Summer’s Tale“.
- Väter reisen mit ihren Töchtern aus Hamburg an, weil mit Unter meinem Bett die Lieblingskinderband der Kleinen spielt (Papa macht das gar nicht so viel aus, schließlich sind Die höchste Eisenbahn oder Locas in Love am Start). Es wird gebastelt, gehandwerkt oder vorgelesen. Und es ist rührend und herzerwärmend, wenn kleine Nachwuchsrocker mit süßen Ohrenschützern bei den Pixies genauso tanzen, klatschen und quieken wie ihre Eltern.
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- Naturschutz, Bildung und sozialkritische Workshops stehen beim „Summer’s Tale“ im Vordergrund. Leichtigkeit statt Hipness. Das Festival bietet das Gegenprogramm zu Event-Veranstaltungen wie Coachella und Parookaville – und hat doch so viele wundervolle, instagramtaugliche Motive platziert, dass man meinen könnte, Instagram sei der heimliche Veranstalter und wolle Influencer in die Lüneburger Heide locken. Oder, wie Bernd Begemann sagte: „Es war mal ’ne nette, ländliche Gegend – und dann seid ihr Großstadthipster gekommen und habt alles kaputt gemacht!“
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- Überwiegend kommen die Besucher aus dem Dunstkreis von Hamburg – es ist ein (nord)deutsches Festival. Vielleicht sind einige aus Berlin angereist. Hört man eine andere Sprache als deutsch, ist man schon etwas verwirrt.
- Was wünschen Sie? Kässpatzn ausm Allgäu, einen Burger von der Heidschnucke oder doch lieber einen Lachsdöner? Das kulinarische Angebot (der Name ist hier Programm!) mit den Glutamat-Asiaten anderer Festivals zu vergleichen wäre der reinste Hohn. Wenn es der Geldbeutel erlauben würde, dann könnte man vier Tage lang feinste Speisen zu sich nehmen – alles ist bio und sehr vieles ist vegetarisch/vegan. Dann wäre man zwar ein paar Kilo schwerer, aber auch sehr sehr glücklich. Ein absoluter Sellingpoint, auch wenn die (überdurchschnittlich hohen, aber der Qualität durchaus angemessenen) Preise etwas anderes rufen.
- Das „Summer’s Tale“ ist das einzige Festival hierzulande, das ohne Zäune auskommt. Kleine Wimpel dienen innerhalb des Geländes als Wegbegrenzung – und es überrascht nicht, dass sich die Besucher daran halten.
Als die Veranstalter vor drei Jahren mit dem Versprechen eines Sommermärchens begannen, dachte man, dass sie sich womöglich zu viel vorgenommen haben. Doch mit der Detailverliebtheit haben sie ein wahrlich besonderes Festival geschaffen – auf dem „Summer’s Tale“ fühlt man sich tatsächlich wie in einem Märchen.