U2

Songs Of Innocence

iTunes/Universal

Überraschend ist nur der Vertriebsweg. Auf ihrem 13. Album stellen die Iren aus, was sie am besten beherrschen: gewaltigen Rock

Was soll das? In Zeiten, da Bands um ihre Existenz und für die Wertschätzung ihrer Musik kämpfen, verkaufen U2 ihr neues Album an Apple, um es von denen verschenken zu lassen. Fünf Jahre wartet man auf diese „Songs Of Innocence“, und dann werden sie einer halben Milliarde iTunes-Nutzer nachgeschmissen (zumindest bis zum 13. Oktober, dann folgt die sogenannte „physische“ Veröffentlichung mit vier Bonus-Tracks). Warum machen U2 so was? Weil sie es können. Ihr größtes Ziel war immer: relevant bleiben. Die paar potenziellen Käufer, die sie verlieren, können sie verschmerzen, das große Geld wird bei der nächsten Tour gemacht. Was bedeutet das nun für andere Bands? Nichts. U2 sind eine singuläre Erscheinung. Wer könnte ihrem Vorbild folgen? Radiohead zettelten mit ihrer Digital-zuerst-Strategie bei „In Rainbows“ ja auch keine Revolution an.

Die Musik also. Elf Lieder über die Unschuld, die Erweckung durch den Rock’n’Roll, die Träume und Albträume der Jugend. (Das Gegenstück, „Songs Of Experience“, soll demnächst erscheinen. Aber halten Sie lieber nicht den Atem an.) Produziert wurden sie von Danger Mouse, Paul Epworth, Ryan Tedder (OneRepublic), Declan Gaffney und Flood – was egal ist, weil es am Ende doch einfach nach U2 klingt. „We got language so we can’t communicate/ Religion so I can love and hate/ Music so I can exaggerate my pain“, singt Bono in „The Miracle (Of Joey Ramone)“, einer gar nicht punkigen Verneigung. Stattdessen ein typisches U2-Stück: treibend und eingängig – wie „Every Breaking Wave“. Das fängt einen mit einer unwiderstehlichen Melodie ein, mit wuchtigen Worten und hallenden Edge-Gitarren. „Song For Someone“ beginnt mit der grandiosen Zeile „You got a face not spoiled by beauty“ und erzählt von Licht und Schatten, Schmerz und Überwindung – einige von Bonos Lieblings-Topoi. Es folgen weitere: Das rührende „Iris (Hold Me Close)“ erinnert an den Tod der Mutter 1974, das ruppige „Raised By Wolves“ regt sich über die unzivilisierte Menschheit auf, ebenso das beklemmende „Sleep Like A Baby Tonight“. Nicht alles ist zwingend: Die Beach-Boys-Hommage „California (There Is No End To Love)“ bleibt mit käsigen Keyboards im Whoa-whoa-Treibsand stecken, durch den bedrohlichen Schlussakt „The Troubles“ geistert Lykke Lis ätherische Stimme etwas unmotiviert. Am besten ist Bono immer, wenn er dorthin geht, wo es weh tut – etwa in die raue „Cedarwood Road“, in der er aufwuchs und die ihn lehrte: „A heart that is broken/ Is a heart that is open.“

Der Vertriebsweg ist die größte Überraschung bei diesem Album, das aus lauter klassischen U2-Songs besteht, die sich nahtlos ins Gesamtwerk einfügen. Und die sind mehr wert als 0 Cent.