Peaches

Fatherfucker

XL / Beggars

Disco-Punkrock, der die wesentlichen körperlichen Fragen verhandelt

Wenn auch später als versprochen, endlich die neue Madonna-Platte. Die Platte, die Madonna mal besser hätte machen sollen (und die Yeah Yeah Yeahs und t.A.T.u.). Die Platte, die „American Life“ geworden wäre, wenn Madonna und ihr Produzent Mirwais zwischen den Arbeitssitzungen mal kurz vor die Tür gegangen wären und in der Cocktailbar einen draufgemacht hätten.

Madonna und die wuschelhaarige, maskuline, fluchende Berlino-Kanadierin Peaches haben eh viel gemeinsam. Vor allem Madonnas Graswurzelarbeit verdankt Peaches ihr Image als glaubwürdige, radikale, hypermodern feministische Frau, aber nun liegt sie plötzlich vorne: Es gebe musikalisch und inhaltlich derzeit nichts zu sagen, haben viele zur Straferleichterung für Madonnas Flop behauptet, und hier kommt Peaches und sagt eine ganze Menge, ist dabei witzig und ziemlich nervig, spielt elektronischen Disco-Punkrock, der sich nicht verzettelt und alles mögliche ist, bloß nicht egal.

Wiederholung und Redundanz gehören dazu, zum Beispiel wenn Peaches am Anfang über ein Joan-Jett-Sample immer wieder „I don’t give a fuck!“ schreit (nur eine kurze Einleitung des zweiten Albums) oder später vier Minuten lang zu Rock’n‘ Roll-Bruchgitarren „Rock’n’Roll!“ skandiert. Die Musik ist ebenso reduziert wie die Pose, besteht meistens nur aus einem programmierten Beat und einer Basslinie. Gelegentlich streut sie Fetzen aus Clubhits ein, Prince, Glamrock, Salt’n Pepa.

Peaches bricht alles (anders als die geistesverwandten, diskussionsfreudigen Emanzen Le Tigre) auf die unmittelbar körperlichen Fragen herunter, Schwanz oder Muschi oder – am besten beides. „Shake your dicks, shake your tits“, Stimmungshits, wenn man mit den falschen Leuten ausgeht. In „The Inch“ gurrt sie wie Donna Summer, spielt allerdings den dazu passenden männlichen Orgasmus. Der Höhepunkt kommt im Western-Style-Duell gegen Iggy Pop in „Kick It“, der Verhandlung zwischen Macho-Punk und Riot-Grrrl „I’m not sixteen, but I got leather boots and sway!“ (Peaches) „I go fuck your pain away!“ (Iggy, Peaches zitierend).

Wer gewinnt? Und wer will nach dem Hören mit Peaches ins Bett, unverzüglich? Die meisten, deren Schamgrenze aktiviert ist, werden sich im Laufe der Platte irgendwann ausklinken. Oder sie öffnen ein paar Knöpfe. Oder machen sich gleich nackig. Dann vielleicht.