Warum die vier Jungs aus Köln das Spießigste jenseits von Bausparverträgen sind, wurde ja schon in unserer März-Ausgabe entlarvt. Denn spießig ist: in WGs wohnen, billigen Wein trinken, selbst gedrehte Zigaretten rauchen, auf akustischen Gitarren schrammeln und dazu hübsche Nichtigkeiten über erste Liebesbeziehungen singen.

Wenden wir diese Analyse auf den Oberspießer Bruce Springsteen an. Auch der sang einst Lieder für Menschen, die gern in Unterhemden und Jeans auf Kühlerhauben sitzend selbst gedrehte Zigaretten rauchen. Für Menschen, die cool sein wollen und träumen. AnnenMayKantereit träumen nicht und wollen auch nur sehr bedingt cool sein. Wo es bei Springsteen noch die Illusion von Ausbruch, die Utopie von Freiheit und Romantik gab, gibt es bei AnnenMayKantereit nur noch die Hoffnung auf ein Stückchen vom Status quo. Wer könnte es ihnen im Land der begrenzten Unmöglichkeiten, in dem Jungsein immer mehr zur untersten Stufe von Wohlstandswahrung betoniert wird, verdenken? Da sind abgezogene Dielen der Boden der Tatsachen und stuckverzierte Decken der Himmel.

Wenn Henning May also mit diesem dunkel-raspelnden Mannesorgan, das uns aus den Untiefen jugendlicher Kümmernisse entgegengurgelt, die Liebe mit den Worten einlädt: „Ich würd’ gern mit dir in ’ner Altbauwohnung wohn’/ Zwei Zimmer, Küche, Bad und ’n kleiner Balkon“ („3. Stock“), wenn er über die Alltagsphrasenlitanei lamentiert („Es geht mir gut“) oder zu Mundharmonika und galoppierendem Rhythmus die Wut des Eifersüchtigen probt („Wohin du gehst“), wenn er „Barfuß am Klavier“ sitzt und „Liebeslieder träumt“ oder davon berichtet, wie man mit „21, 22, 23“ die Träume klein hält – dann ist das ein recht freudloses Herumstochern im faden Befindlichkeitsbrei.

Dass das so betulich wirkt wie Mainstreampop mit der Stimme von Tom Waits – geschenkt! Dass „Alles nix Konkretes“ auch Zeugnis einer Generation der kleingehaltenen Träume ist, sollte man jedoch ernst nehmen.